Lancre (Gemeinde Talflos). Wenn der Winter langsam weicht und die Nächte noch knackig kalt sind, versammelt sich die kleine, aber feierfreudige Gemeinde Lancre zu einem Ereignis, das in der Region seinesgleichen sucht: dem traditionellen Apple-Launch. Am 19. Februar wurde – wie in jedem Jahr – das erste, tiefgefrorene Fass des berüchtigten Lancre Apple Jack angezapft und mit großem Enthusiasmus verkostet.

Bereits in den frühen Morgenstunden begannen die Vorbereitungen in der Lancre Distillerie. Die Fässer mit dem herbstlich vergorenen Apfelmost hatten die letzten Wochen in der eisigen Kälte verbracht, um den Reifeprozess zu vollenden. Durch den einzigartigen Prozess der Gefrier-Destillation wird das Wasser im Most entfernt, während der Alkoholgehalt steigt – eine Technik, die in Lancre seit Generationen perfektioniert wird. Mit dem ersten Glockenschlag um Punkt 18:00 Uhr versammelten sich Einwohner und Gäste am Dorfplatz, wo Distillerie-Meister Karl Bröckner feierlich das erste Fass des neuen Jahrgangs öffnete. „Dieses Jahr schmeckt er besonders kräftig!“, rief Bröckner mit einem schelmischen Grinsen, während er das goldene Elixier in kleine Tonkrüge goss. „Jeder Schluck ist ein Stück Lancre – voll Wärme, Geschichte und einem Hauch von Abenteuer!“
Der erste Schluck des Lancre Apple Jack ist traditionell den Ältesten des Dorfes vorbehalten, die mit prüfendem Blick und einem wissenden Nicken die Qualität bestätigten. Danach durfte das gesamte Dorf probieren – und schon nach wenigen Minuten breitete sich eine ausgelassene Stimmung aus. Wer den Apple Jack kennt, weiß: Nach zwei Gläsern spürt man die wohlige Wärme, nach drei Gläsern beginnt das Singen, und nach vier Gläsern wird es schwierig, sich an alle Details des Abends zu erinnern. Während die Mutigen die neueste Charge testeten, sorgte eine örtliche Musikgruppe mit Geige, Akkordeon und rhythmischem Fußgetrampel für passende Klänge. Die berühmte Laienspieltruppe „Die Apfelkerne“ führte ein improvisiertes Theaterstück auf, dessen Handlung angeblich von der Qualität des diesjährigen Apple Jacks inspiriert war – oder durch seinen Genuss zunehmend schwerer nachzuvollziehen wurde.
Zum Höhepunkt des Abends gehörte auch in diesem Jahr die traditionelle „Apple-Challenge“. Freiwillige traten gegeneinander an, um ein Rätsel zu lösen – mit dem kleinen Haken, dass es erst nach einem Glas Apple Jack gestellt wurde. Der Gewinner erhielt eine Flasche des ersten Abfülljahres, während der Zweitplatzierte die Ehre hatte, den Apfelbaum auf dem Dorfplatz zu umarmen und ein Gedicht über die Schönheit des Lebens in Lancre zu rezitieren. Den Abschluss bildete die feierliche „Lichterprozession“, bei der die Bewohner mit Fackeln zum Dorfteich zogen. Mutige wagten sich zum traditionellen Wintertauchen, das unter lautem Jubel der Menge zelebriert wurde. „Hilft gegen Kater und stärkt den Kreislauf!“, versicherte ein erfahrener Teilnehmer schmunzelnd.
Der Apple-Launch in Lancre ist mehr als nur ein Fest – er ist ein Ausdruck der Lebensfreude, der Gemeinschaft und der tiefen Verwurzelung in alten Traditionen. Für Besucher aus der Umgebung mag der Abend ein Abenteuer sein, für die Einwohner ist er jedoch eine alljährliche Erinnerung daran, dass das Leben vor allem eines sein sollte: herzlich, genussvoll und ein klein wenig verrückt. Wer dieses Spektakel einmal erlebt hat, kommt immer wieder. Und wer sich erst nach dem Fest an den Abend erinnern kann, hat vermutlich nicht richtig mitgefeiert.
(Landauris Neueste Nachrichten, 19. Februar 2024)