
Die Johanniskirche in Mähnendorf gilt als die älteste Kirche des gleichnamigen Landkreises und steht seit Jahrhunderten im Zentrum des städtischen Lebens. Der schlichte Saalbau mit seinem gedrungenen Westturm aus grauem Bruchstein erhebt sich etwas zurückgesetzt an der Pfarrgasse, flankiert von einem kleinen Kirchhof, dessen Bruchsteinmauer auf der Nordseite noch Spuren alter Putzreste trägt. Die Glocke im Turm stammt aus dem Jahr 1392, gegossen von einem wandernden Glockenschmied namens Harsko, dessen Signatur in Form einer stilisierten Gerstenähre unterhalb des Schlagkranzes eingraviert ist. Jeden Freitagabend wird diese Glocke von Hand geläutet – ein Brauch, der von der langjährigen Küsterin Margot Brünn gepflegt wird. Sie spannt dazu ein breites Wolltuch um die Hüfte, hakt sich in das dicke Glockenseil und zieht im Takt, während ihr Hund Bruno auf der untersten Stufe des Glockenturms wartet.
Das Innere der Johanniskirche ist schlicht und nahezu schmucklos. Die beiden Bankblöcke sind aus unbehandeltem Lärchenholz gefertigt, leicht geneigt und mit Kerben im oberen Brett, die auf jahrzehntelangen Gebrauch hinweisen. Der Kanzelaltar wurde im Jahr 1731 in die Westwand eingelassen und zeigt in einer feinen Holzschnitzerei das Wappen eines längst erloschenen Landpfarramts: drei Ähren auf rotem Grund, überkreuzt von einem Kelch und einem Pflugmesser. Der Taufstein besteht aus einem massiven Sandsteinblock mit einer eingelassenen Zinnschale. Einmal jährlich, zum Johannisfest im Juni, wird er mit frischem Hopfen und Margeriten umwunden. Dann wird auch der vergoldete Abendmahlskelch aus dem Jahr 1768 hervorgeholt, der sonst in einem verschlossenen Wandtresor verwahrt wird. Die Glasfenster wurden in den 1950er Jahren erneuert, zeigen jedoch einfache Formen: Kreise, Linien und ein in Blau und Gelb stilisiertes Gerstenfeld auf der Ostseite.
Eine Besonderheit der Kirche ist das handgeschriebene „Buch der Glocke“, das seit 1837 im Pfarrhaus aufbewahrt wird. In ihm werden alle Ereignisse notiert, zu denen die Glocke geläutet wurde: Taufen, Hochzeiten, Ernten, aber auch Brände, Sturmnächte oder der Ankunft von Braufuhren im Ort. Der Eintrag vom 8. März 1921 vermerkt zum Beispiel: „Glocke schlug dreifach – Schneebruch an der Südföhre, alter Kesselwagen kippte vorm Tor.“ Der damalige Pfarrer Eberhard Strunk notierte dies mit dem Vermerk „Ehre dem Malz – Schaden am Rad“. Heute wird das Buch von Pfarrerin Julika Benze fortgeführt, die 2019 die Gemeinde übernahm und jeden ersten Sonntag im Monat einen offenen Glockenrundgang anbietet, bei dem Besucher das Glockenhaus, die Läutetechnik und ausgewählte Seiten des Buches zu sehen bekommen.
Im Umfeld der Kirche liegt ein kleiner Friedhof mit rund 80 Grabstellen, viele davon bereits aufgegeben. In der Nordostecke steht ein alter Grabstein in Form einer Hopfenranke – das Grab des Braumeisters Hans Grübel, der laut Überlieferung das Verfahren des „tiefen Brauens“ in unterirdischen Gärgruben entwickelte. Der Stein wurde 1889 erneuert und zeigt ein Relief mit einem Gärfass, das von Wurzeln umwachsen ist.
Die Kirche ist tagsüber geöffnet und dient nicht nur dem Gottesdienst. Schulklassen des Mähnendorfer Gymnasiums nutzen den Innenraum gelegentlich für historische Lesungen, vor allem im Winter, wenn das Gemeindehaus überbelegt ist. Auch für die Abschlussklasse der Schulbrauerei ist ein Besuch der Johanniskirche Pflicht – sie entzündet dort jedes Jahr eine Kerze für die „Heilige Gärung“, eine humorvoll-rituelle Tradition, die von den Lehrern der chemischen Fakultät liebevoll gepflegt wird.
Die Johanniskirche ist kein imposantes Gotteshaus, aber sie gehört zu den wenigen Orten, die in Mähnendorf eine stille, fast unauffällige Autorität ausstrahlen. Sie war über Generationen hinweg Fixpunkt für Fest, Abschied, Hoffnung und Gewohnheit – und ist es bis heute geblieben. Das Läuten ihrer alten Glocke ist weniger ein Zeichen des Glaubens als ein Taktgeber für das, was Mähnendorf unter Heimat versteht: Verbindung, Erinnerung, Klang.