Der sogenannte Steinplatz von Strähnbach liegt etwas südlich des Dorfkerns, am Rand einer leicht erhöhten Wiese, die früher als Viehweide diente und heute von Brombeerhecken, Rainfarn und vereinzelten Birken begrenzt wird. Fünf große Felsblöcke aus dunklem Gneis bilden dort ein auffälliges Ensemble. Die Monolithen stehen in unregelmäßiger, aber eindeutig bewusster Anordnung zueinander: drei in einer leichten Bogenlinie, zwei in etwas Abstand seitlich versetzt. Keiner der Steine ist gleich – sie unterscheiden sich in Form, Neigung und Oberfläche, sind aber alle zwischen 1,50 und zwei Metern hoch und tief im Boden verankert. Ihre raue, von Flechten überzogene Struktur und die Tatsache, dass Gneis in dieser Region natürlicherweise nicht vorkommt, machen den Platz zu einem lokalhistorischen Rätsel.

Der Heimatverein von Strähnbach hat am Rand des Platzes eine Holztafel aufgestellt, wetterfest überdacht, mit Texten, Zeichnungen und möglichen Deutungen. Einer Theorie zufolge handelt es sich um eine prähistorische Kalendermarkierung, bei der bestimmte Schattenwürfe zur Sonnenwende oder den Tag-und-Nacht-Gleichen auf exakt berechnete Punkte fallen. Tatsächlich lässt sich beobachten, dass die Schatten der fünf Steine an wenigen Tagen im Jahr – besonders um den 21. Juni – in bestimmten Momenten wie übereinandergelegt wirken: lange Linien, die sich zu einem Muster verdichten, das auf der Grasfläche fast wie ein Zeichen wirkt. Andere Interpretationen verweisen auf einen zeremoniellen Zusammenhang. So ist von sogenannten Hopfenpriestern die Rede, einer vermutlich mythischen Priesterkaste, die in vorgeschichtlicher Zeit Rituale zur Segnung der Gerstenernte abhielt. Laut einer 1896 aufgezeichneten Überlieferung sollen hier Hopfenkränze verbrannt und Schalen mit Bier und Honig geopfert worden sein.

Solche Theorien sind historisch schwer zu belegen, doch sie haben den Ort in der Dorfgemeinschaft und überregional unter Heimatforschern als Stätte symbolischer Bedeutung etabliert. Der Platz wird gepflegt, das Gras regelmäßig gemäht, und bei besonderen Anlässen – wie zur Sommersonnenwende – versammeln sich hier Menschen mit Picknickdecken, Ferngläsern, Taschenlampen und Thermoskannen. Der Heimatverein veranstaltet jährlich das „Schattenfest“, bei dem eine Wanderung vom Dorf zur Anlage führt. Vor Ort werden belegte Treberbrote, Hopfenlimonade und Texte aus alten Quellen gereicht. Im Jahr 2023 wurde dort erstmals ein kleines Theaterstück aufgeführt: Der Braukessel des Mönchs Gauderich, eine frei erfundene Legende über einen bierbrauenden Einsiedler, der die Steine als Sonnenuhr nutzte.

Der Platz wird auch im Alltag nicht vergessen. Schulklassen aus Mähnendorf kommen für Projektwochen, und der Grundschullehrer aus Strähnbach hat mit seinen Schülern ein Schattenprotokoll entwickelt: eine Reihe von Messpunkten mit Datum, Zeit und Schattenlänge. In der Dämmerung, wenn die Sonne flach steht und die Schatten der Monolithen lang über die Wiese ziehen, wirkt der Platz fast wie eine Bühne, auf der Vergangenheit, Naturbeobachtung und Phantasie ineinandergreifen. Es ist ein stiller Ort, windoffen und dennoch konzentriert, an dem das Spiel von Licht und Stein Geschichten andeutet, ohne sie ganz zu erzählen.