(Pop.: 652 – 2m NN)

Schandau liegt auf nur zwei Metern über dem Meeresspiegel, eingebettet zwischen dem Mare Internum im Süden, dem schmalen Küstenwaldgürtel im Osten und Westen und den Feldern, die sich nördlich ins Binnenland ziehen. Mit seinen 652 Einwohnern ist Schandau der zweitgrößte Küstenort im Landkreis Mähnendorf, stärker durch die Wellen der Sommermonate geprägt als durch dauerhafte Strukturen. Der Ort besteht größtenteils aus flachen Pensionen, hölzernen Ferienhäusern mit wettergebeugten Fassaden und zwei kleinen Hotelanlagen, deren Balkone in die Dünenlandschaft zeigen. In der Saison herrscht dichter Verkehr, vor allem wegen des einzigen Campingplatzes des Landkreises, der nördlich des Ortskerns liegt – ein sandiger, windoffener Platz, auf dem zwischen April und Oktober Wohnwagen und Zelte dicht an dicht stehen.

Zweimal täglich legt das Ausflugsschiff Bries am kleinen Anleger von Schandau an, wenige Schritte vom Strand entfernt. Die Ankunft ist ein vertrautes Schauspiel: Das leise Tuten kündigt das Einlaufen an, Kinder winken vom Ufer, und Fahrgäste steigen aus oder zu, meist mit Sand an den Füßen und Taschen voller Mitbringsel. Für viele Urlauber gehört die Fahrt mit der Bries zur Routine – sei es für einen Tagesausflug nach Bierona oder eine Rückfahrt nach Straßenstrand. Besonders abends, wenn das Licht über dem Mare Internum flimmert, ist die Abfahrt von Schandau ein stiller, winddurchwehter Moment.

Der Ortskern von Schandau bildet sich entlang der Hauptstraße „Küstenstieg“, die vom kleinen Anleger im Süden bis zum Ortsrand führt. An dieser Straße liegen die wichtigsten Einrichtungen des täglichen Lebens: ein Bäcker, ein Fahrradverleih, zwei Gaststätten, ein Mini-Lebensmittelladen mit Tankstelle und der Zugang zum Strand. Parallel zum Küstenstieg verlaufen kleinere Wege mit Namen wie „Stichlingpfad“, „Roggenwinkel“ oder „Am Dünensteg“ – eine Mischung aus Dauerwohnsitzen und saisonal bewohnten Unterkünften.

Zentraler Blickfang des Ortes ist die Kirche St. Verena, ein heller Putzbau mit schlichtem Dachreiter, umgeben von alten Eschen und einer niedrigen Natursteinmauer. Die Kirche stammt in ihrer heutigen Form aus dem Jahr 1894, steht aber auf Fundamenten, die noch älter sind – wahrscheinlich ein früher Holzbau für Küstenfischer, der bei einem Sturm im 18. Jahrhundert zerstört wurde. St. Verena ist bekannt für ihre Glasfenster, die vom Kunsthandwerk leben: Die Pechtaler Glasmalerin Edda Kloß gestaltete in den 1990er Jahren eine Serie farbiger Fenster, in denen klassische biblische Motive – etwa die Aussaat, der verlorene Sohn oder die Flucht nach Ägypten – mit landwirtschaftlichen Geräten und Küstenpflanzen kombiniert werden. Der Engel bei der Verkündigung hält eine Sichel, ein Hirt trägt eine Reuthaue, die Arche Noah steht auf einem Hänger mit Holzrädern. Die Fenster leuchten besonders bei morgendlichem Licht, wenn die Sonne flach über das Mare Internum streicht und farbige Muster auf die Holzbänke wirft. Die Kirche wird regelmäßig genutzt – Andachten im Sommer, Taizé-Gesänge im Herbst, Orgelstunden an Donnerstagen – und gilt vielen als stiller Gegenpol zum Trubel der Saison.

Der Strand von Schandau beginnt direkt hinter einem niedrigen Dünensaum, der mit Holzplanken und einem Zaun gegen Erosion gesichert wurde. Anders als in Straßenstrand ist der Sand hier grobkörniger, das Gelände leicht abfallend. In der Hauptsaison herrscht reges Treiben: Kinder bauen Burgen, Jugendliche werfen Frisbees, und ältere Gäste suchen Muscheln oder sitzen mit Sonnenhut und Buch unter mitgebrachten Windschirmen. Das Frühbaden, eine lokale Gepflogenheit, beginnt gegen sechs Uhr morgens – eine kleine Gruppe aus Ortsbewohnern und Kurgästen geht jeden Tag bei jedem Wetter nackt ins Wasser. Im Winter friert der Strand nie, aber die Winde sind hart. Dann kommen Spaziergänger, Vogelbeobachter und Maler, die das raue Licht suchen. Am Neujahrstag findet das sogenannte Eintunken statt, ein Sprung ins Wasser in Gruppen zu je sieben, begleitet vom Glockenläuten der Kirche.

Zwei kleine Betriebe geben dem Ort wirtschaftlich ein weiteres Gesicht: Die Segelmacherei Haardwig, geführt von Ilona und Bernd Haardwig, repariert seit 1983 Planen, Vorzelte und Kitesegel. Ihre Werkstatt steht im hinteren Teil eines alten Bootsschuppens, wo zwischen Nähmaschinen und eingerollten Tuchbahnen auch ein selbstgebautes Holzmodell des Ortes hängt. Der zweite Betrieb ist die Räucherei Matjessen, direkt an der Straße „Am Haken“. Hier wird Fisch aus dem Mare Internum verarbeitet – in erster Linie Hering und Sandaal. Der kleine Verkaufstresen wird von Elvira Matjessen betrieben, die jeden Freitagvormittag Räucherfischproben anbietet und dabei Geschichten vom Fang ihres Vaters erzählt, der einst als Küstenschleppfischer arbeitete. Am westlichen Rand von Schandau, unweit des Küstenwalds, steht das Töpferhaus „Krug & Küste“, ein eingeschossiger Backsteinbau mit weiten Fenstern und rauchgeschwärztem Schornstein. Geführt wird es von der Keramikerin Nora Balz, die sich auf die Herstellung von Bierkrügen spezialisiert hat – dickwandige, salzglasierte Gefäße mit Henkel, Küstenmotiven und oft eingepressten Ortsnamen oder Hopfenranken. Die Krüge werden auf der Töpferscheibe frei gedreht, jeder ist ein Unikat. Besonders gefragt sind die sogenannten Brieskrüge, die an das Ausflugsschiff erinnern und in der Küstenquell-Brauerei verkauft werden. Im Sommer können Besucher im offenen Werkstattraum beim Drehen zusehen oder eigene Henkel modellieren.

Übernachtungsgäste finden in Schandau zwei kleinere Hotels. Das Hotel Dünengrund liegt nahe dem Campingplatz, besteht aus drei miteinander verbundenen Flachbauten mit Veranden, Gemeinschaftsküche und einer kleinen Sauna im Keller. Besonders beliebt ist das Frühstück auf der Ostveranda, wo Gäste mit Blick auf die Felder frisches Gerstenbrot, Hopfenhonig und Kräuterquark genießen. Das zweite Haus, die Pension Zur Flutmarke, ist traditionsreicher. Gegründet 1929, wird sie heute von der dritten Generation der Familie Bergwinkel geführt. Die Zimmer sind einfach, die Bettwäsche kariert, doch der Service ist herzlich, und auf der Speisekarte stehen Klassiker wie Küstenomelett und Kartoffelpfanne mit Sanddornpesto.

Drei Gaststätten beleben das kulinarische Angebot: Das „Spatenblatt“ liegt gleich am Anfang des Küstenstiegs und ist ein Treffpunkt für Handwerker, Surfer und Campinggäste. Hier gibt es Bratlinge, Salzgurke mit Sauerrahm und das herbe „Schandauer Kellerbier“, das in der hauseigenen Minibrauerei aus Hopfen von der Feldmark hinter der Kirche gebraut wird. Die zweite Gaststätte ist das „Kieselstübchen“, ein kleiner Gastraum mit antikem Ofen, bekannt für Eintöpfe, herzhafte Dinkelklöße und Apfelbier aus Tolken. Die dritte ist das „Sturmbrett“, eine Mischung aus Bar und Imbiss mit starker Anziehung auf junge Gäste – dort werden frittierte Algenchips, Curry-Heringsrollen und Küstenbräu ausgeschenkt, dazu läuft abends elektronische Musik.

Wer nach Sonnenuntergang in Schandau unterwegs ist, landet vielleicht im „Kantatentanz“, einem Nachtclub in einer umgebauten Lagerhalle am westlichen Ortsrand. Die Einrichtung ist einfach – Betonboden, alte Barhocker, Fischernetze an der Decke – aber die Atmosphäre ist lebendig. DJs legen auf, es gibt Tanzabende mit „Hopfenbeats“ und Getränke mit Namen wie „Dünenfeuer“, „Küstengold“ und „Verena Spritz“. Im Winter ist der Club seltener geöffnet, aber im Sommer bildet sich oft eine Schlange vor dem Eingang, und das Wummern der Bässe ist bis zur Hauptstraße zu hören.

Der Hopfensteg bei Schandau ist ein 260 Meter langer Holzbohlenweg durch eine der ältesten Hopfenplantagen im Landkreis Mähnendorf. Er führt zwischen dichten, bis zu sieben Meter hohen Hopfenreihen hindurch und ist mit Informationstafeln zum Anbau, zu Sorten wie der „Schandauer Goldrebe“ und zur Erntezeit ausgestattet. Besucher erfahren, wie Hopfen gebunden, gepflegt und geerntet wird – und warum beim Pflücken Handschuhe nötig sind. Ab Mitte August ist an markierten Stellen das Selbstpflücken erlaubt. In der Schleifenbucht lädt eine Sitzgruppe zum Verweilen ein. Zur Ernteeröffnung gibt es ein kleines Fest mit Musik, Malzgebäck und Führungen durch den Landwirt Tjark Böhm.

Schandau lebt im Rhythmus der Saison, aber auch von seiner Beständigkeit. Die Kirche bleibt das ganze Jahr offen, die Räucherei raucht auch bei Regen, und auf dem Campingplatz wird in jeder Generation neu gezeltet. Die Häuser tragen Spuren des Windes, die Menschen haben sich an seine Richtung gewöhnt. Schandau ist kein Ort der großen Gesten, sondern einer der kleinen Geräusche – das Klappern der Zeltstangen, das Zischen im Räucherofen, das Kreischen der Möwen und der feine Klang, wenn am frühen Morgen die ersten Kiesel unter nackten Füßen knirschen. Ein Dorf, das im Wind nicht vergeht, sondern darin weiterlebt.

Ch.: B4 (W: Straßenstand 10km, O: Stadtbad 12,5km); BL3 (N: Möhra)