Pechtal (Landkreis Mähnendorf - Bierland)

(Pop.: 381 – 31m NN)

Pechtal liegt am gleichnamigen Bach in einem sanft eingeschnittenen Tal in der Mitte des Landkreises Mähnendorf. Der Ort erstreckt sich entlang der Bachstraße und ihrer verzweigten Seitenwege, eingefasst von Feldrainen, Hainen und kleinen Brücken aus Stein. Die Höhenlage von 31 Metern über dem Meeresspiegel ist kaum spürbar, doch das Tal bietet windgeschützte, fruchtbare Lagen, auf denen Roggen, Gerste und Flachs gedeihen. Eine Besonderheit ist die unversiegelte Wegführung – viele der Dorfwege sind geschottert oder gepflastert, was Pechtal einen bodenständigen, fast musealen Charakter verleiht.

Im Ortszentrum fällt sofort die Pechtaler Dorfscheune ins Auge – ein mächtiger Fachwerkbau mit hoher Dachfirstlinie, belüfteten Giebeln und einer weit vorspringenden Eingangstür, die einst als Durchfahrt für Heuwagen diente. Heute ist die Scheune der wichtigste Veranstaltungsort des Dorfes. Hier finden nicht nur Vereinsversammlungen und Filmabende statt, sondern auch das alljährliche Pechtaler Sommermalzfest, das Mitte August zahlreiche Besucher aus der Umgebung anzieht. Die Scheune wird zu diesem Anlass von Ehrenamtlichen der Feuerwehr und des Singkreises ausgeräumt, mit Hopfengirlanden und Leinentüchern geschmückt und abends mit Petroleumleuchten ausgeleuchtet. Kinder veranstalten dort ein Roggenmahlspiel, bei dem Kornsäcke durch einen Parcours zu ziehen sind. In der angrenzenden Wiese wird das „Schöpfturnier“ ausgetragen, bei dem Bier mit einem Holzlöffel möglichst zügig aus einem Fass ins Maßkrugziel geschöpft werden muss.

Zentral im Ort liegt die Brauerei Talstein, gegründet 1989 von Gerd und Hanne Talstein, einem Ehepaar, das zuvor in Bierona im Braugewerbe gearbeitet hatte. Das Hauptprodukt ist ein kräftiges, leicht rauchiges Roggenbier, das in bauchigen Tonflaschen mit Korkverschluss verkauft wird. Die Flaschen werden einzeln von Hand glasiert und mit Etiketten versehen, die Aquarelle des Pechtaler Bachlaufs zeigen – gemalt von Hanne Talstein selbst. In einem niedrigen Anbau an der Rückseite des Brauhauses befindet sich der kleine Verkostungsraum, dessen Wände mit Holzbalken und altem Mälzgerät ausgestattet sind. Die Brauerei legt besonderen Wert auf eine lange Reifezeit in kühlen Kellergewölben, die aus dem ehemaligen Gärkeller eines Vorbesitzers übernommen wurden. Seit 2016 ist auch Tochter Finja Talstein Teil der Leitung und hat die Versuchsreihe „Heubier“ etabliert – ein helles, mildes Bier mit Heu aus dem Odwald.

Die Familie Dreefs aus Pechtal ist auf dem Mähnendorfer Wochenmarkt kaum zu übersehen. Seit 2021 betreibt sie dort eine fahrbare Brauzapfstelle, ein umgebauter Lieferwagen mit cremefarbener Holzverkleidung, seitlich ausklappbarer Bank und fest installierten Zapfhähnen. Auf dem Dach prangt das Schild „Pechtaler Luftmalz – handgebraut & gekühlt“. Das gleichnamige helle Bier wird in gekühlten Steinkrügen ausgeschenkt, die gegen ein Pfand ausgegeben und direkt am Wagen gespült werden. Während Vater Eiko Dreefs zapft, kümmert sich seine Frau Marlen um die Rückgabe der Krüge, und Sohn Levin spielt häufig auf dem Akkordeon. Das „Luftmalz“ ist besonders leicht, obergärig und mit einem Hauch Heublumen versetzt – gebraut wird es auf dem Hof der Familie in Pechtal. Stammgäste haben ihre eigenen, nummerierten Krüge.

Der Pechwald liegt direkt am südwestlichen Ortsrand von Pechtal. Der Wald ist von schmalen Pfaden durchzogen, auf denen Moos, Farne und Hopfenranken wuchern. Im späten Frühjahr öffnen sich kleine Lichtungen, in denen der Hopfen frei emporrankt – hier werden alljährlich Proben für die regionalen Sorten gezogen. Ein hölzernes Schild erinnert an eine Begebenheit aus dem Jahr 1643, als hier angeblich eine Hopfenbraut aus Tolken mit einem Fuhrwerk verirrte und eine Nacht im Wald verbrachte – diese Geschichte wird im Ort gern beim Malzfest nacherzählt.

Die Tischlerei Bregler in Pechtal, ein Familienbetrieb in dritter Generation, ist bekannt für ihre handwerklich gefertigten Fass- und Botticharbeiten aus heimischer Eiche. Im Frühjahr 2018 fertigte sie auf Anfrage der Gymnasialbrauerei Mähnendorf einen hölzernen Gärbottich nach historischem Vorbild – aus durchgelagertem Holz, das aus dem oberen Odwald stammt. Der Bottich wurde nicht verkauft, sondern der Schule gestiftet, als „Beitrag zur Verbindung von Bildung und Braukultur“, wie es Tischlermeisterin Hilda Bregler formulierte. Auf der Innenseite ist eine kleine Messingplatte eingelassen, die das Jahr und den Anlass dokumentiert. Seitdem trägt der Bottich den Spitznamen „Pechtaler“.

Etwa zweieinhalb Kilometer nördlich von Pechtal erhebt sich die Ruine Elstrang – ein quadratischer, auf drei Seiten zerfallener Bergfried, dessen Mauerwerk bis heute von Efeu überzogen ist. Der Zugang führt über einen kaum befestigten Trampelpfad im offenen Gelände, der an unten an der BL3 beginnt. Der Turm ist über eine eiserne Außentreppe begehbar; die oberen Geschosse sind weitgehend eingestürzt, aber im untersten erhalten gebliebenen Gewölbe finden sich eingeritzte Figuren: Ein stilisierter Fisch, ein Krummstab, ein Kreuz mit zwei Querbalken. Der Überlieferung nach soll hier im 15. Jahrhundert während der sogenannten Gerstenkriege ein Bischof aus Bierona gefangen gehalten worden sein, der gegen die Biersteuer protestierte. Ob die Ritzzeichnungen von ihm oder späteren Besuchern stammen, ist nicht gesichert – allerdings gibt es einen Eintrag im Pfarrarchiv von Tolken, der auf eine „Nachtwache bei Elstrangturm“ im Jahr 1819 hinweist.

Ein kultureller Beitrag Pechtals geht über die Grenzen des Dorfes hinaus: Die Glasmalerin Edda Kloß, geboren 1957 in einer Hofstelle am östlichen Dorfrand, machte mit ihren Kirchenfenstern auf sich aufmerksam. Zwischen 1992 und 1994 gestaltete sie sechs Glasfenster für die Kirche St. Verena in Schandau. Ihre Technik verband klassische Glasmalerei mit modernen, ländlichen Motiven: biblische Szenen wurden in bäuerliche Kontexte versetzt. So zeigt eines der Fenster Josef mit Pflug hinter zwei Ochsen, ein anderes die Arche Noah, wie sie auf einem Erntewagen zwischen Hopfenstangen steht. Die Fenster gelten heute als einzigartiges Beispiel für regionale Sakralkunst. In Pechtal selbst erinnert ein Schild am ehemaligen Atelierhaus an Kloß, das heute von ihrer Nichte als Werkstatt für Mosaikarbeiten genutzt wird. Pechtal besitzt keine eigene Kirche, doch die meisten Dorfbewohner gehören zur Kirchengemeinde Tolken, deren Friedhofskirche mit neugotischem Backsteinbau gut sieben Kilometer entfernt liegt – mit dem Fahrrad ein Klacks. Dort finden auch die Hochzeiten, Konfirmationen und Weihnachtsgottesdienste statt.

Der alte Dorfbrunnen mit Holzkranz, gegenüber der Dorfscheune, dient im Sommer als Treffpunkt – besonders, wenn abends die Kinder das Bachufer mit Lichtern schmücken. Der Ort selbst ist ruhig, fast verschlafen außerhalb der Festsaison, doch es ist gerade diese Zurückhaltung, die Pechtal zu einem authentischen Ort im Bierland macht – mit Handwerk, Geschichte und einem lebendigen Festkalender, der sich nicht an großen Events, sondern an kleinen, gepflegten Traditionen orientiert.

Ch.: BL2 (W: Strähnbach, SO: Stadtnähe); BL3 (N: Tolken, S: Möhra); Feld- und Radweg nach Bierona