

Im Alten Schulhaus von Wansow, das sonst für seine Sammlung handgeschriebener Braurezepte und Hopfenlyrik bekannt ist, findet derzeit eine ungewöhnliche Ausstellung statt, die in der Region für Gesprächsstoff sorgt: Unter dem Titel „Beer and Nude“ versammelt sich eine Auswahl ästhetischer Aktfotografie, die den menschlichen Körper im Spannungsfeld zwischen Braukunst, Sinnlichkeit und Ritualisierung zeigt. Die Ausstellung – kuratiert von der freischaffenden Künstlerin Marla Tress und unterstützt von der „Wansower Hellen Werkstatt“ – will nicht provozieren, sondern erinnern: an den Zusammenhang von Körper, Handwerk, Ursprung und Zeremoniell. Bier erscheint hier nicht als Produkt, sondern als kulturelles Medium, das den Körper umgibt, berührt, spiegelt.
Ein zentrales Werk der Ausstellung ist das Bild „Golden Hour Brewery Muse“. In warmes Abendlicht getaucht steht eine Frau nackt inmitten einer verlassenen, staubigen Brauhalle. Das Licht fällt durch schmale Fenster auf ihre Haut, lässt die Konturen weich und zugleich präsent wirken. Hinter ihr sind alte kupferne Kessel und eichene Fässer zu erkennen – Spuren eines Ortes, an dem früher geschwitzt, getragen, gebraut wurde. In ihrer rechten Hand hält sie einen massiven Bierkrug, aus dem der Schaum langsam an den Fingern herabläuft. Das Bild lebt von seiner Ruhe, seinem Kontrast aus Körper und Metall, Wärme und Verfall. Der Blick der Frau ist nicht anzüglich, sondern wach – fast herausfordernd. Die Szene wirkt wie ein Zwischenzustand: zwischen Ritual und Pause, zwischen Geschichte und Gegenwart.

Einen ganz anderen Ton schlägt das Werk „Foam and Flesh“ an. Hier liegt eine Frau in einer schlichten, weißen Badewanne, umgeben von schneeweißen Fliesen – nur dass die Wanne nicht mit Wasser, sondern mit Bier gefüllt ist. Der goldene Schaum türmt sich über den Beckenrand, Hirseähren und Hopfenzweige sind am Boden verteilt. Die Frau liegt regungslos, die Augen geschlossen, der Kopf zur Seite geneigt. Ihre Haut schimmert im Licht, das aus einer hohen Lampe kommt. Alles an diesem Bild wirkt wie eine Andeutung: von Reinigung, von Hingabe, von etwas Archaischem. Der Bezug zur Badekultur der Antike ist spürbar, ebenso wie zur sakralen Andacht. Hier wird Bier nicht getrunken – es wird getragen, eingeatmet, verkörpert.
In der Serie der Bilder sticht „Barrel Room Stillness“ durch seine malerische Tiefe hervor. In einem dunklen, fast klösterlich anmutenden Fasskeller sitzt ein nackter Mann auf einem geöffneten Holzfass. Seine Haltung ist ruhig, leicht nach vorne gebeugt, in der Hand ein Becher mit dunklem Bier, dessen Oberfläche fast schwarz wirkt. Der Raum ist gefüllt mit dicht gestapelten Eichenfässern, durch die eine feuchte Kühle zieht. Schwacher Dampf steigt im Hintergrund auf. Die Beleuchtung ist zurückhaltend, beinahe Rembrandt-artig – Schatten modellieren den Körper wie aus einer anderen Zeit. Das Bild wirkt wie ein Stillleben: der Körper als Gefäß, das Bier als Spiegel innerer Sammlung.

Im Werk „Harvest Body“ wird der menschliche Körper zurück in die Landschaft geholt. Auf einem groben Leinentuch inmitten eines abgeernteten Gerstenfeldes liegt ein nacktes Paar, ineinander verschlungen, ohne die Pose eines Aktbildes, eher in der Selbstverständlichkeit einer Ruhepause. Daneben stehen alte Keramikkrüge, ein Becher ruht halbvoll auf der Hüfte der Frau. Die Abendsonne färbt das Bild in warme Töne, der Horizont ist weit und ruhig. Hier wird das Zusammenspiel von Körper und Erde, von Nähe und Ertrag sichtbar – ein Erntebild im wörtlichen Sinn, sinnlich ohne Voyeurismus.

„The Brewer’s Alchemy“ hingegen wirkt wie ein Traum aus einer anderen Welt. Eine Frau, kaum greifbar inmitten von Dampf und Feuerlicht, rührt mit einem langen Holzpaddel in einem brodelnden Sudkessel. Ihr Körper erscheint nur als Silhouette, die durch die Hitze glänzt, während das rötliche Licht ihren Rücken wie mit Gold bemalt. Die Szene erinnert an altes Handwerk, an Mythen, an die Idee der Frau als Hüterin eines vergessenen Wissens. Die Fotografin spielt hier mit archaischen Symbolen, mit Dampf, Feuer, Schatten – das Bier erscheint nicht als Getränk, sondern als alchemistisches Produkt ritueller Kunst.
Kontrastreich und kühl zeigt sich das Bild „Cold Ferment“. Eine Frau steht aufrecht inmitten eines modernen Fermentationslabors. Edelstahlbehälter, Neonlicht, steril glänzende Wände – der Raum wirkt abweisend, technisch, fast feindlich. Die Nacktheit der Frau ist keine Einladung, sondern ein Kontrast. Sie ist präsent, aber nicht berührbar. Neben ihr steht eine einzelne Flasche Craftbier auf einem Metalltisch, ungeöffnet. Das Bild wirkt wie ein modernes Stillleben über Kontrolle, Isolation und die Frage, wo das Menschliche in der Industrie bleibt.

Das Werk „Glass Between Us“ ist vielleicht das subtilste der Ausstellung. Ein Mann sitzt nackt hinter einer Glaswand, auf der sich Kondenswasser gesammelt hat. Die Silhouette ist kaum zu erkennen, nur Bruchstücke, Umrisse. Auf dem Fenstersims steht ein Glas Bier, halb leer, golden leuchtend. Der Betrachter sieht – aber erkennt nicht. Der Körper ist da, aber nicht greifbar. Das Bild wirkt wie ein Nachdenken über Nähe, Distanz und das, was dazwischen liegt. Es ist ruhig, traurig und wunderschön.
Den Abschluss bildet „Winter Lager“ – ein beinahe stilles Bild. Eine Frau liegt nackt in embryonaler Haltung auf dem Steinboden eines alten Bierkellers. Die Haut ist bleich, fast durchsichtig, über ihr liegt ein Hauch von Schnee. Neben ihr ein zerbrochener Holzkasten mit gefrorenen Flaschen. Das Licht fällt spärlich durch ein kleines Fenster, blau, kalt, zurückhaltend. Das Bild ist kein Schockmoment, sondern ein tiefes Einfrieren von Zeit, Erwartung, Schlaf. Es steht am Ende der Ausstellung wie ein Seufzer: Brauen ist nicht nur Gärung – es ist auch Warten.

Die Ausstellung „Beer and Nude“ läuft noch bis zum Ende der Herbstsaison im Alten Schulhaus Wansow. Besucherinnen und Besucher können auf Anfrage auch an geführten Gesprächen mit der Kuratorin teilnehmen. Der Eintritt ist frei, Spenden zugunsten des Dorfbibliotheksfonds sind willkommen. In einem kleinen Nebenraum werden begleitend historische Fotografien der „Hellen Werkstatt“ aus den 1920er Jahren gezeigt – gewissermaßen das Gegengewicht zum Körperlichen: Dampf, Ziegel, Hände, Krüge. So entsteht ein Spannungsfeld zwischen Körper, Raum und Brauhandwerk, das in dieser Form im Bierland einzigartig sein dürfte.