Der Bierweg West ist ein ausgeschilderter Wanderpfad im Landkreis Ruppin, der auf rund 60 Kilometern Länge durch fünf Dörfer im Westen des Bierlandes führt: von Langhaus über Oberodewitz, Wippenow, Wansow bis nach Wasdow. Die Strecke verläuft durch die sanft gewellte Zentoebene, vorbei an Feldern, Mälzereiruinen, historischen Braustätten und Braukellern, begleitet von Kräuterduft, Hopfenranken und dem leisen Klirren von Tonkrügen in Schankräumen am Wegesrand.

Startpunkt ist das Gasthaus „Zum Trank“ in Langhaus, einem langgezogenen Straßendorf mit über 3.400 Einwohnern. In einem Anbau dieses Gasthauses beginnt nicht nur der Bierweg, sondern hier erhält man auch die sogenannte Humpenkarte – eine kleine gefaltete Karte aus dickem Papier, auf der sich acht Stempelfelder befinden. Wer bei allen Stationen einen Stempel sammelt, bekommt im Gasthaus „Zum Trank“ ein Jahr lang den ersten Krug gratis. Viele Wanderer stecken sich die Karte außen an den Rucksack oder tragen sie wie ein Pilgerzeichen um den Hals. In Langhaus lohnt sich ein Besuch der industriellen Brauerei Langhäuser Sud, deren bekanntestes Produkt, das „Schnellzünglein“, weit über die Region hinaus vertrieben wird. In einem separaten Ausschankhäuschen mit steinernem Tresen können sich Wanderer vor dem Start ein kleines Probierglas ziehen lassen. Auch die barocke Kirche St. Kolman, deren Turm mit verdrehter Kupferhaube weithin sichtbar ist, liegt direkt an der Strecke.

Gasthaus „Zum Radlager“
Gasthaus „Zum Radlager“ in Oberodewitz

Der Weg führt weiter über Feldränder und an mehreren alten Ziehbrunnen vorbei – wer mag besucht unterwegs das alte Kesselgrab – in das knapp 15 Kilometer entfernte Dorf Oberodewitz. Die alte Handelsstraße von Buthanien nach Bierona verläuft hier noch in Resten durch das Dorf, dessen Geschichte eng mit dem Fuhrwesen verbunden ist. Zentrum des Ortes ist der „Alte Karrenhof“, ein Gasthaus mit Biergarten Zum Radlager und Remise, in dem das „Karrenmärzen“ ausgeschenkt wird – ein malziges Lager, das an die traditionelle Rast der Pferdekarren erinnert. Der Stempel der Station ist in Form eines Wagenrads gestaltet und wird im alten Kassenbuch am Tresen geführt.

Von dort aus führt der Pfad 11 Kilometer nach Norden ins kleine Grenzdorf Wippenow, das mit 147 Einwohnern das kleinste am Bierweg ist. Und doch besitzt es ein beeindruckendes Ensemble: Mühle, Werkstatt und eine handbetriebene Mini-Brauerei, die das streng limitierte „Wippenower Fassflimmer“ herstellt – ein Starkbier mit kräftiger Süße und hohem Alkoholgehalt. Wanderer können hier in der „Alten Malstube“ einen halben Krug direkt vom Fass bekommen, meist begleitet von einer kurzen Geschichte des Hauses, die ein Mitglied der Dorfgilde erzählt. Die Kapelle St. Schanklin, eine winzige Pilgerkapelle mit Glockenstuhl, liegt unweit der Mühle und ist ebenfalls einen Abstecher wert.

Weiter verläuft der Weg Richtung Osten – teilweise durch den Odwald – 20 Kilometer nach Wansow, dem zweitgrößten Ort der Strecke. Schon von weitem erkennt man den offenen Tanzboden der Freiluft-Bierhalle, wo seit 1912 das Wansower Kelterfest gefeiert wird. Die örtliche Brauerei, die „Wansower Helle Werkstatt“, entstand aus einer alten Schmiede und braut bis heute über offenen Feuerkesseln. Die Werkstatt selbst wirkt fast wie ein Museum: schwere Kupferkessel, Trockenkränze an der Decke, Lehmziegel unter den Füßen. Das „Wansower Helles“ wird ausschließlich in Tonkrügen ausgeschenkt, die in einer Werkstatt am Ortsrand gefertigt werden. Besonders beliebt bei Wanderern ist das „Bierliche Wochenende“, das hier einmal im Monat stattfindet und bei dem man auch Biere aus den benachbarten Dörfern verkosten kann. Wer seine Humpenkarte bis hierher noch vollständig hat, erhält einen Bonusstempel mit Hopfenkranz.

Der letzte Abschnitt – 12 Kilometer – führt durch eine offene Feldlandschaft mit weitem Blick bis zum Odwald und endet im ruhigen Kräuterdorf Wasdow. Hier endet der Bierweg offiziell an der „Kesselkräuter-Brauerei“, einer kleinen Anlage, die für ihr dunkles, bitteres Kräuterbier namens „Düsterguss“ bekannt ist – gebraut mit Minze, Salbei und Beifuß aus eigener Ernte. Die markante Rundkirche St. Erlentraud, nur wenige Schritte vom Brauhaus entfernt, beherbergt ein seltenes Altarbild mit einer Darstellung der Heiligen beim Umrühren eines Sudkessels. Wer Glück hat, kann in den Sommermonaten einem der spontanen Orgel-Hopfengesänge beiwohnen, bei denen Gemeindemitglieder alte Braulieder singen. Viele Wanderer verweilen hier länger – nicht nur, weil es der Zielort ist, sondern weil Wasdow als stiller Höhepunkt der Route gilt. Die kleine Ausstellung über den Film „Kraut statt Gier“, der hier entstand und den historischen Bierstreit mit Oberodewitz aus Wasdower Sicht zeigt, läuft im Dorfgemeinschaftshaus oft am Abend der Wanderung. Es ist der Moment, in dem Geschichten, Braukunst und Landschaft zu einer einzigen Erzählung verschmelzen.

Der Bierweg West ist damit mehr als ein Wanderweg. Er ist ein kulturelles Band durch den Westen des Bierlandes – eine Route der Begegnungen, der Geschichten, der stillen Höfe und offenen Kessel. Wer ihn geht, geht nicht nur durch Dörfer, sondern durch eine Landschaft aus Brauhandwerk, Geschichte und Gegenwart. Manche machen die Strecke an einem Tag, andere in Etappen. Doch fast alle kehren irgendwann zurück – ob wegen des ersten Krugs im „Zum Trank“, des geheimnisvollen Stempels aus Wippenow oder des bittersüßen Düstergusses unter Erlentrauds Blick.