
(Pop.: 201 – 2m NN)
Strandwieck ist ein kleiner, abgeschiedener Küstenflecken mit 201 Einwohnern an der Küste des Mare Internum, verwaltungstechnisch Teil des Dorfes Waldbeerenbach im Landkreis Kreuzberg. Das Siedlungsbild wird geprägt durch eine lockere Anordnung einfacher, zum Teil historischer Gebäude entlang eines flachen, mit Strandhafer bewachsenen Landstreifens, der an die Uferlinie grenzt. Markant sind die fünf erhaltenen Fischerhütten mit Reetdach und gestampftem Lehmboden, von denen drei noch bewohnt sind – eine von der 87-jährigen Elsbeth Könecke, die als letzte im Ort noch Netze von Hand flickt. Zwei Hütten stehen leer, verriegelt, mit verwitterten Türen, durch die gelegentlich noch der Geruch von getrocknetem Tang dringt.

Zwischen den Hütten verlaufen schmale Sandpfade, die sich durch eine Mischung aus Krüppelkiefern, Fliederbüschen und windschiefen Lattenzäunen winden. Am nördlichen Rand des Fleckens steht ein kleiner Fischerschuppen, in dem noch eine hölzerne Salzbütte, ein Ruderbock und ein wettergegerbter Arbeitskittel hängen – Erinnerungsstücke an die Küstenfischerei, die hier bis in die 1980er Jahre betrieben wurde. Der Schuppen wird heute von Jugendlichen als Treffpunkt genutzt, gelegentlich auch für Filmabende oder kleine Konzerte, organisiert vom Kulturverein Waldbeerenbach. Am Wasser gibt es keinen befestigten Kai, sondern lediglich zwei kurze Holzstege, halb vom Schilf überwachsen, die ins flache Mare Internum hineinragen. Boote liegen hier keine mehr; der letzte Ruderer, Horst Lübbe, verkaufte sein Boot 2012 nach Entenbad. Die Küstenlinie ist sanft geschwungen, von Sandbänken durchsetzt, und bei Niedrigwasser treten dunkle Lehmbuckel hervor, auf denen Silberreiher und Austernfischer nach Nahrung suchen.

In der Mitte von Strandwieck erhebt sich ein eingeschossiges, schlichtes Gebäude mit verbretterter Fassade – das sogenannte Küstenhaus. Es beherbergt die Poststelle (dreimal wöchentlich geöffnet), einen kleinen Laden mit Grundversorgung und ein Café mit sieben Tischen, betrieben von Milena Warg, deren Apfel-Rosmarin-Kuchen unter den Einheimischen als verlässlichste Nachspeise gilt. Ihre Tochter serviert Tee, Bier von der Waldkante und in der Hauptsaison auch Fischsuppe, falls der Fang ausreicht. Die Bevölkerung von Strandwieck setzt sich aus ehemaligen Fischern, jungen Familien mit ökologischer Ausrichtung und einigen Rentnern aus Bierona zusammen, die sich bewusst für die Abgeschiedenheit entschieden haben. Einmal im Jahr findet das sogenannte Buhnenfest statt – eine improvisierte Veranstaltung mit Lagerfeuer, Gitarrenmusik und selbstgebrautem Holunderwein, organisiert von einer losen Nachbarschaftsgruppe.
Die Kapelle von Strandwieck, schlicht und gedrungen, steht auf einer windumspielten Anhöhe südlich des Dorfes, nur wenige Schritte vom Uferweg entfernt. Errichtet wurde sie im Jahr 1883 von überlebenden Familien nach dem sogenannten Augusthochwasser, als mehrere Häuser der Siedlung durch eine Sturmflut zerstört worden waren. Die Feldsteine für den Bau wurden aus den Überresten eingestürzter Mauern zusammengetragen. Der Innenraum ist klein, mit hölzernen Bänken, einem einfachen Altarblock und einem schmalen Fenster, das bei Sonnenaufgang ein schmales Lichtband über die Rückwand wirft. Die Glocke, aufgehängt in einem hölzernen Dachreiter, stammt aus einer aufgegebenen Zollstation und trägt keine Inschrift. Die Strandwiecker bezeichnen sie dennoch als „Küstenglocke“. Neben den sonntäglichen Andachten – häufig geleitet von Ehrenamtlichen – ist die Kapelle ein zentraler Ort des Gedenkens. Namen verstorbener Fischer werden auf Holzplaketten in der Eingangsnische vermerkt, und nach Bestattungen werfen Angehörige traditionell eine Handvoll Sand vom Buhnenstrand auf die Schwelle. Taufen finden meist im kleinen Kreis statt, bei geöffnetem Türflügel und dem Klang der See im Hintergrund.

Östlich des Orts beginnt ein geschützter Dünenstreifen, der nicht betreten werden darf. Dort brüten seit Jahren Sandregenpfeifer und Austernfischer. Ein hölzerner Aussichtssteg erlaubt einen respektvollen Blick über das Gebiet. Für Besucher gibt es keinerlei touristische Infrastruktur außer zwei Ferienwohnungen, die von den Familien Wolnick und Garbrecht vermietet werden – jeweils zwei Zimmer mit Blick auf die Bucht, einfacher Standard, aber sehr gefragt.
Der alte Weg nach Waldbeerenbach führt über einen zwei Kilometer langen Waldpfad, den sogenannte „Alten Frachtweg“, früher genutzt von Fischern, die ihre Ware zur nächsten Kühlstelle brachten. Heute wird er von Schulkindern, Lastenrädern und Spaziergängern genutzt. Eine Handvoll Bewohner pendelt regelmäßig zum Bahnhof im Süden, meist per Fahrrad oder Moped.
Strandwieck ist kein Ort, der sich dem Blick aufdrängt. Vielmehr scheint es, als habe sich der Flecken langsam aus dem Wind geformt – ein bisschen verweht, ein bisschen versunken, aber mit klar erkennbarer Struktur. Wer sich auf diesen Ort einlässt, spürt, wie das Meer, der Wind, die salzige Luft und die Erinnerung an harte Arbeit in Netz und Kessel das tägliche Leben noch immer bestimmen. Selten verirren sich Fremde nach Strandwieck. Wer kommt, bleibt meist länger als geplant – nicht weil es hier viel zu sehen gäbe, sondern weil hier viel zu spüren ist.
Bahn: BZF113 stündlich 6:16 bis 21:16 nach Bierona, 6:54 bis 19:54 nach Nova, 20:54 nach Bad Novamünde, 21:54 nach Kreuzberg
Ch.: BL7 (W: Sonnenblick, N: Waldbeerenbach Bahnhof)