(Pop.: 195 – 15m NN)

Waldbeerenbach ist kein Ort, den man zufällig entdeckt. Wer von Bierona aus hierher möchte, muss bewusst einen Umweg nehmen – über einen der schmalen Waldwege, die sich vom Küstenstreifen ins dichte Grün des Bieronaer Küstenwaldes ziehen. Der Ort liegt etwa vier Kilometer nördlich der Bahnlinie und hat keine asphaltierte Durchgangsstraße. Dafür aber einen Namen, der im ganzen Landkreis Kreuzberg für handwerkliche Fertigung, stille Walderfahrung und Gemeinschaftssinn steht. Mit seinen 195 Einwohnern zählt Waldbeerenbach zu den kleinsten, aber auch eigensinnigsten Dörfern im Kreis Kreuzberg. Umgeben von dichten Kiefern- und Mischwäldern ist es ein Ort mit klaren Rändern, geprägt von Holz, Pilzen und langsamen Wegen.

Die Dorfstruktur ist locker. Einzelhöfe, Werkstätten und Wohnhäuser verteilen sich entlang eines sanft geschwungenen Weges, der sich an einem kleinen Bachlauf orientiert – dem namensgebenden Beerenbach, dessen Quellen im nördlich gelegenen Forstgebiet liegen. Zahlreiche Holzschuppen, Trockengestelle und geschnitzte Gartenzäune geben dem Ort ein lebendiges Bild. Der Alltag in Waldbeerenbach ist geprägt von kleinteiligem Handwerk: Tischler, Drechsler, Korbmacher und Schindelhersteller arbeiten in teils winzigen Werkstätten, die oft noch mit holzbefeuerten Öfen beheizt werden. Einige der Werkstätten stammen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und wurden von ehemaligen Waldarbeitern gegründet, die nach der Aufgabe der großen Forstkompanien hier sesshaft wurden. Inzwischen ist eine neue Generation nachgewachsen, die alte Techniken mit neuen Ideen verbindet. Die Holzwerkstatt der örtlichen Schule – schlicht „Schule Waldbeerenbach“ genannt – hat wiederholt landesweite Wettbewerbe gewonnen, unter anderem mit ihren Bänken und Pavillons aus heimischer Lärche, die mittlerweile in mehreren Gemeinden des Landkreises zu finden sind.

Ein kleines Zentrum bildet der Platz vor dem Gemeinschaftshaus, das neben Schulräumen auch die Dorfbibliothek und einen Veranstaltungsraum beherbergt. Hier finden regelmäßig Kurse und Vorträge statt, besonders aus dem Bereich der Mykologie. Waldbeerenbach ist bekannt für seine Pilzsammler, von denen einige überregionale Bekanntheit genießen. Der „Pilzkalender“, eine jährliche Broschüre mit Beobachtungen, Rezepten und Fundorten, wird inzwischen auch in den Buchhandlungen von Bierona verkauft. Einige der Pilzfachleute leben ganzjährig im Ort, andere kommen zu bestimmten Jahreszeiten für mehrere Wochen in gemietete Quartiere.

Zentraler Treffpunkt ist die Brauereischänke der Mikrobrauerei „Waldkante“. Das Bier wird direkt im Ort gebraut – meist helle, leicht herbe Sorten mit waldiger Note, oft mit Kräutern wie Waldmeister, Tannenspitzen oder Wacholder verfeinert. Serviert wird es in einfachen Gläsern im Schankraum oder im Sommer unter einer mit Schindeln gedeckten Laube hinter dem Haus. Von dort sieht man auf einen alten Felsbrocken, der einst der Grenzstein zwischen zwei Waldabteilungen war und heute als Spielort für die Kinder dient. Die Brauerei liefert ihr Bier auch über den Waldweg nach Sonnenblick – mit einem eigens gebauten Lastenfahrrad, das regelmäßig zwischen den Orten pendelt. Die Strecke gilt als anstrengend, aber landschaftlich eindrucksvoll: knorrige Bäume, lichtdurchflutete Lichtungen und der Geruch von Harz begleiten den Fahrer auf seinem Weg zur Schankwirtschaft „Sonnendeck“ an der Küste.

Die Dichte an ehrenamtlichen Projekten ist in Waldbeerenbach ungewöhnlich hoch. Viele Bewohner engagieren sich im kleinen Kulturverein „Borke & Beere“, der nicht nur Konzerte organisiert, sondern auch eine lose Sammlung an Erzählungen, Fotos und Objekten aus der Geschichte des Dorfes betreut. Diese Sammlung ist im Gemeinschaftshaus zugänglich. Der Verein arbeitet derzeit an einem Tonarchiv mit Interviews von älteren Bewohnern. Es sind Gespräche über das Leben mit dem Wald, über alte Handwerksweisen und über Begegnungen mit Wildtieren – Geschichten, die nirgendwo anders aufgeschrieben sind.

Der Bahnhof von Waldbeerenbach liegt vier Kilometer südlich des Dorfes, eingebettet in eine Lichtung im Küstenwald. Der kleine Haltepunkt besteht aus einem niedrigen Bahnsteig, einem hölzernen Wartehäuschen und einem alten Fahrplankasten. Viermal täglich hält hier der Zug nach Bierona oder ins östliche Hinterland. Direkt daneben liegt eine lose Siedlung mit sieben Häusern und 21 Einwohnern – darunter ein Försterehepaar, ein ehemaliger Lokführer und eine pensionierte Botanikerin. Ein alter Schuppen dient als öffentlicher Tauschpunkt, und der monatliche „Zugabend“ bringt die Bewohner zusammen. Die Station ist unscheinbar, aber lebendig – ein ruhiger Verbindungspunkt zwischen Wald, Dorf und Küste.

Zu Waldbeerenbach gehört offiziell auch Strandwieck, ein Flecken an der Küste mit 201 Einwohnern. Hier, direkt am Ufer des Mare Internum, zieht sich ein flacher Dünenstreifen entlang der Küstenlinie. Zwischen den Gräsern stehen noch fünf der ursprünglichen Fischerhütten – gedrungene Bauten mit Reetdach, Lehmboden und hölzernem Rahmen. Drei der Hütten werden bewohnt, die anderen beiden stehen leer, aber unter Denkmalschutz. Es gibt Überlegungen, eine der leerstehenden Hütten als kleines Museum zur Küstenfischerei einzurichten. Strandwieck ist kein klassischer Badeort; die meisten Bewohner leben von Fischfang, Gartenbau oder arbeiten als Handwerker in Waldbeerenbach. Dennoch kommen im Sommer einige Besucher – angelockt von der Weite des Strandes und der Ruhe der Gegend. Eine Besonderheit ist die kleine, schlicht gehaltene Kapelle von Strandwieck, errichtet 1883 von Küstenbewohnern nach einem Sturmhochwasser. Der Bau aus grobem Feldstein steht auf einer leichten Anhöhe am Dorfrand. Jeden Sonntag wird hier ein kurzer Gottesdienst gehalten – wechselnd von Pfarrern aus Kreuzberg oder Ehrenamtlichen. Die Kapelle dient auch als Ort für Abschiedsrituale von verstorbenen Fischern und wird für Taufen genutzt. Die Verbindung zwischen Waldbeerenbach und Strandwieck besteht aus einem breiten Waldweg, der an mehreren Stellen von kleinen Holzbrücken überquert wird. Diese Brücken führen über alte Entwässerungsgräben, die einst angelegt wurden, um das Gelände rund um Waldbeerenbach nutzbar zu machen. Heute dienen sie als Rückzugsorte für Amphibien und Vögel. Entlang dieses Weges liegt auch ein naturkundlicher Lehrpfad, der von der Schule Waldbeerenbach gepflegt wird. Kleine Tafeln erklären Baumarten, Pilzsymbiosen und Vogelstimmen. Einmal im Jahr veranstaltet die Schule einen „Waldtag“, bei dem Kinder aus den umliegenden Orten hierher kommen, um Holz zu bearbeiten, Pflanzen zu bestimmen und Waldspiele zu machen.

Bahn: BZF113 stündlich 6:16 bis 21:16 nach Bierona, 6:54 bis 19:54 nach Nova, 20:54 nach Bad Novamünde, 21:54 nach Kreuzberg

Ch.: BL7 (N: Großtolkau, S: Strandwieck), BL8 (O: Nonto); Waldwege nach Kleintolkau, Bierona, Sonnenblick