
(Pop.: 207 – 18m NN)
Mule ist ein kleines, unauffälliges, aber nicht unbedeutendes Dorf im Landkreis Kreuzberg, etwa zwei Kilometer nördlich der Dünen und Strände von Strandmule. Am nördlichen Rand des Bieronaer Küstenwaldes gelegen, ist Mule nicht unbedingt das erste Stück Zivilisation, auf das man trifft, wenn man per Bahn von Norden oder Osten in die Küstenregion reist. Der Ort bildet aber das „Tor zum Strand“ für jene, die den direkten Zugang zum Mare Internum suchen, aber nicht mit dem Auto unterwegs sind – denn Mule besitzt einen Haltepunkt der regionalen Bahnlinie, die an der Küstenlinie von Bierona nach Nova verläuft.

Die Bahnstation von Mule ist klein, aber funktional. Ein niedriger Bahnsteig, ein wettergegerbtes Holzhäuschen und ein Fahrradverleih, der saisonal betrieben wird, reichen aus, um die Bedürfnisse der Urlauber und Einheimischen zu decken. Wer in Mule aussteigt, begegnet häufig dem handgemalten Hinweisschild am Bahnhäuschen: „FKK bitte erst am Strand – Mule ist ein Dorf!“ Dieser freundlich-ironische Hinweis gehört mittlerweile zum Ortsbild und wurde bereits mehrfach fotografiert und sogar als Aufdruck auf Stofftaschen im nahen Strandladen von Strandmule gesichtet.
Das eigentliche Dorf Mule liegt nur wenige Schritte von der Station entfernt. Zwei parallele Straßen, gesäumt von niedrigen Häusern mit gepflegten Gärten, formen das Grundgerüst der Ortschaft. Neben Landwirtschaft und Forstarbeit leben einige der Bewohner von Ferienvermietungen oder als stille Dienstleister für Strandmule: Gepäcktransporte, Fahrradreparaturen oder die Belieferung von Pensionen mit frischen Produkten vom Hof.
Das auffälligste Bauwerk des Ortes ist die sogenannte Lärchenglocke, ein freistehender Glockenturm aus regionalem Lärchenholz, der 1792 errichtet wurde. Der Turm diente ursprünglich als Brandsignalstation: Bei Feuergefahr im Küstenwald oder in den verstreuten Dörfern entlang der Bahnlinie wurde die Glocke von Hand geläutet – der Schall soll sich bei ruhiger Wetterlage bis nach Kreuzberg getragen haben. Der Turm ist bis heute erhalten, regelmäßig instand gehalten und wird nach wie vor zu bestimmten Anlässen genutzt: zu Hochzeiten, zur Erinnerung an verstorbene Dorfbewohner – oder beim alljährlichen Dorffest, das am ersten Samstag im Juli stattfindet.

Das Dorffest in Mule ist klein, aber bekannt für seine satirischen Einlagen. In einem hölzernen Pavillon vor der Dorfwiese treten Einheimische auf, singen eigene Texte zur Melodie des „Bierländer Marschs“ – häufig mit spitzer Zunge gegen die Bürokratie in der Kreisstadt Kreuzberg. Die Refrains sind eingängig, die Wortspiele treffsicher, und es gehört zum guten Ton, dass mindestens ein Lied am Abend die Farbe der Kreisverwaltung kommentiert. Die Verantwortlichen in Kreuzberg nehmen das – soweit bekannt – mit Gleichmut.
Auch sonst gibt sich Mule traditionsbewusst, aber pragmatisch. Es gibt keine Kirche im Ort, aber ein kleines Gemeindehaus, das für Feiern, Abstimmungen und als Wahllokal dient. Daneben steht das Backsteingebäude der alten Schmiede, heute nicht mehr in Betrieb, aber liebevoll als Heimatstube hergerichtet. Im Inneren finden sich Werkzeuge, Modelle von Feldwagen, ein historischer Dorfplan und ein halbverrosteter „Gabelstapler für Bierkisten“, der angeblich in den 1950er Jahren von einem findigen Muler Dorfschmied gebaut wurde.
Das gesellschaftliche Leben in Mule dreht sich vor allem um den kleinen Gemeinschaftsladen „Ebbe & Flut“, betrieben von der Familie Hahlgrün. Der Laden versorgt das Dorf mit Grundnahrungsmitteln, Batterien, Tageszeitungen und, nicht zuletzt, mit lokalem Bier. Im Hinterraum werden jeden Mittwochabend Skatturniere veranstaltet, und samstags treffen sich hier die „Schwätzrunde“ der Älteren. Der Raum dient auch als inoffizielles Schwarzes Brett für Strandgäste, Suchanzeigen, Radverleih und Hinweise auf gefundene Handtücher.
Am nördlichen Dorfrand betreibt die Familie Nebel einen kleinen Hof mit Gänsen, Hühnern und drei Milchziegen. Besonders zur Osterzeit pilgern Kinder aus den umliegenden Orten nach Mule, denn die Nebels bemalen ihre Eier nicht nur kunstvoll, sondern verstecken sie auch auf der Dorfwiese – mitsamt kleinen Ziegenkäseproben. Im Herbst veranstaltet der Hof einen kleinen „Kürbisabend“, bei dem Suppen ausgeschenkt und Geschichten vorgelesen werden, meist aus alten Bierländer Sammlungen.
Die Nähe zu Strandmule macht Mule auch zu einem logistischen Umschlagplatz. Viele der Gäste, die in Strandmule ihre Hütten oder Hotels beziehen, lassen ihr Gepäck direkt vom Bahnhof Mule abholen. Dafür gibt es einen kleinen Transportdienst mit E-Karren, betrieben von Jugendlichen aus dem Dorf. Auch die Lieferungen von Frischwaren und Getränken für die Gastronomie in Strandmule werden häufig über Mule abgewickelt. Es gibt sogar einen „Strand-Express“ – einen kleinen Karren mit Kühlbox, der zweimal täglich zwischen den Orten pendelt.

Trotz seiner geringen Größe hat Mule auch eine gewisse ökologische Bedeutung. Mehrere Naturpfade beginnen oder enden hier, darunter ein Abschnitt des „Pfad der Kiefern“, der den Übergang zwischen Waldrand, Feuchtwiese und offener Feldflur beschreibt. Auf Infotafeln wird erklärt, wie sich der Boden in den letzten Jahrzehnten durch touristische Nutzung und Klimaveränderung verändert hat. Ein besonders beliebter Beobachtungspunkt für Hobbyornithologen liegt nur wenige Gehminuten nördlich des Dorfes – eine erhöhte Holzplattform mit Blick auf ein kleines Feuchtgebiet, in dem sich Reiher, Teichhühner und gelegentlich auch Kraniche zeigen.
Die Wintermonate in Mule sind ruhig. Die Gäste bleiben aus, der Wald zieht Nebel an, und in den Gärten sieht man vor allem Holzstapel und gefrorene Regentonnen. Dann kommt das Leben im Dorf fast zum Stillstand, nur unterbrochen von der Bahn, die zweimal täglich kurz hält. Doch gerade diese Ruhe wird von den Bewohnern geschätzt. Man kennt sich, hilft sich, teilt Feuerholz, Werkzeuge und Geschichten.
Wer Mule besucht, tut das meist nicht der Sehenswürdigkeiten wegen – es gibt keinen Leuchtturm, kein Museum, keinen Strand in Reichweite. Doch der Ort hat eine Funktion, eine Atmosphäre und einen inneren Zusammenhalt, der sich nicht aufdrängt, aber spürbar ist. Mule ist ein Durchgangsort – und für manche ein Ziel. Wer länger bleibt, begreift das Besondere: die Mischung aus stiller Waldnähe, praktischer Bahnanbindung und einem Dorf, das sich nicht wichtig macht – aber vieles möglich macht.
Bahn: BZF113 stündlich 6:00 bis 21:00 nach Bierona, 7:10 bis 20:10 nach Nova, 21:10 nach Bad Novamünde, 22:10 nach Kreuzberg
Ch.: BL10 (S: Strandmule, NW: Pulkwitz); BL12 (NO: Corpus), Waldwege nach Kreuzberg und Nonto. Feldweg nach Clausdorf (Zentravia)