Klara Wolff wurde 1973 in Western geboren und wuchs in einer Familie auf, in der Heilpflanzen nicht nur genutzt, sondern verehrt wurden. Ihre Großmutter führte eine kleine, inoffizielle Heilstube am Westerwald, in der Tees, Tinkturen und Umschläge gegen allerlei Beschwerden verabreicht wurden. Diese Kindheit prägte Klara tief. Nach dem Schulabschluss studierte sie Pharmazie in Butha, bevor sie mehrere Jahre in der städtischen Forschung tätig war – doch das Leben in Laboren blieb ihr fremd. 2003 zog sie nach Noreck, einem Dorf, das sie bei einer Wanderung ins Sturmgebirge entdeckt hatte. Dort übernahm sie die örtliche Apotheke, die zuvor fast zwei Jahre leer stand.

Ihre Apotheke liegt an der westlichen Gabelung der Sturmbahnstraße, kaum hundert Schritte vom „Buch & Rast“ entfernt. Der Laden ist schlicht eingerichtet, doch die Regale verströmen eine stille Autorität: zwischen standardisierten Medikamenten stehen Gläser mit getrocknetem Huflattich, Birkenrinde, Lavendel oder einem seltsam schimmernden Pulver aus den Hängen des Sturmgebirges, das Klara nur „Glimmerblüte“ nennt. Sie hat aus der Apotheke einen Ort gemacht, an dem man nicht nur etwas gegen Husten bekommt, sondern auch gegen das Gefühl, aus dem Gleichgewicht geraten zu sein.

Viele Dorfbewohner besuchen Klara nicht nur als Kunden, sondern als Ratsuchende. Sie hört geduldig zu, fragt nach Träumen, Schmerzen, alten Geschichten – und kombiniert ihre Diagnosen oft mit einem Aufguss und einem Spaziergang durch den Wald. Besonders bei Wetterumschwüngen, wenn der Hekselv zu rauschen beginnt, sagt sie manchmal: „Heute riecht’s nach Beinwell. Der Tag wird schwer in den Knien.“

Neben ihrer Arbeit schreibt Klara regelmäßig Notizen und Beobachtungen in handgebundene Hefte. Manche davon gibt sie an Gertrud Stein weiter, die sie dann bei Diskussionsabenden im Buchladen aufgreift. Zwischen den beiden Frauen besteht ein tiefes, wortloses Verständnis. Auch mit Nora Öhrn, der Uhrmacherin von „Zeitgeflüster“, verbindet sie eine leise Freundschaft. Die eine arbeitet gegen die Zeit, die andere mit ihr – beide kennen ihre Wirkung.
Klara lebt allein in einem Haus am Waldrand südlich des Dorfes, mit Blick auf die Randlinie der Kristallhöhlen. Ihre Küche ist erfüllt vom Duft getrockneter Wurzeln, und der Tisch stets bedeckt mit Teetassen, Büchern und einem hölzernen Mörser. Sie hat keinen Fernseher. Stattdessen lauscht sie abends dem Rufen der Eulen und notiert ihre Träume. Auf dem Dach ihres Hauses wächst eine unscheinbare, blaugrüne Moosart, die bisher noch kein Botaniker klassifizieren konnte – Klara nennt sie einfach „Sturmflechte“ und sagt, sie wachse nur auf Dächern, unter denen das Herz ruhig schlägt.