Thalheim

(Pop.: 925 – 125m NN)

Thalheim liegt mit seinen 925 Einwohnern weit im Norden des Landkreises Kreuzberg und zählt zu den entlegensten Orten des Bierlandes. Die Zento-Ebene, hier von weiten Feldern, Viehweiden und drei ausgedehnten Streuobstwiesen geprägt, umschließt das Dorf fast wie eine Insel aus Land. Der Abstand zu den nächsten größeren Ortschaften ist beträchtlich: 13 Kilometer westlich liegt Klodorf im Landkreis Ruppin, 12 Kilometer nördlich erreicht man über einen alten Handelsweg das zentravische Clausdorf, 16 Kilometer östlich, hinter dem dicht bewachsenen Thalwald, findet sich Worda, und nach Süden sind es sogar 21 Kilometer bis Straßendorf. Diese räumliche Isolation hat in Thalheim eine starke Eigenständigkeit und einen ausgeprägten Gemeinsinn gefördert.

Das Ortsbild ist überschaubar und klar gegliedert. Rund um den zentralen Dorfplatz, der von einer Reihe alter Linden gesäumt ist, liegen die wichtigsten Einrichtungen: die Schankwirtschaft „Zum Wildhopfen“, die Bäckerei Breusing, das kleine Gemeindehaus und die Grundschule. Hier beginnen und enden die meisten Wege des Dorfes, denn auch der Dorfbach, der in einem sanften Bogen um den Platz läuft, spielt im täglichen Leben eine Rolle. Gespeist von einer Quelle am Rand des Thalwalds, fließt er weiter durch den südlichen Ortsrand und treibt ein denkmalgeschütztes Waschhaus an, das 1894 erbaut wurde. In diesem Waschhaus wird einmal im Monat gemeinsames Wäschebleichen veranstaltet – eine Tradition, die gleichermaßen praktische wie gesellige Funktion hat. Familien kommen mit Leinentüchern, Decken oder Tischwäsche, und bei Kaffee und Kuchen wird getratscht, während die Wäsche im Sonnenlicht liegt.

Historisch bedeutsam ist die Benediktinerzelle, die im Spätmittelalter am Nordrand des Dorfes bestand. Die Mönche betrieben Viehzucht, Gemüseanbau und einen kleinen Bierkeller. Ihre Anwesenheit endete im frühen 16. Jahrhundert, doch beim Bau eines neuen Brunnens 1978 stieß man auf Mauerreste, Fundamentlinien und drei kunstvoll behauene Grabplatten. Diese sind heute auf dem Dorfplatz unter einer schlichten Glaskonstruktion ausgestellt, die von einer einheimischen Schlosserfamilie gefertigt wurde. Mehrmals im Jahr wird hier eine kleine Führung angeboten, die sowohl die kirchliche als auch die landwirtschaftliche Vergangenheit Thalheims beleuchtet.

Das wohl markanteste Bauwerk des Dorfes ist die Kirche St. Wunibald, benannt nach dem seeländischen Missionar, der laut Überlieferung im frühen 9. Jahrhundert durch diese Gegend gereist sein soll. Der heutige Bau entstand 1764 aus grobem Bruchstein, mit einem kurzen Turm, der ein kupfergedecktes Zeltdach trägt. Das Innere überrascht mit einer Empore in L-Form, einer Kanzel aus hell gebeizter Eiche und einem schlichten Altar, hinter dem ein ungewöhnliches Fresko zu sehen ist: „Die Segnung der Saat“, eine Darstellung, bei der der Heilige Wunibald einen Sack Gerste ausstreut, während im Hintergrund ein Mönch an einem Braukessel steht. Die Kirche ist nicht nur ein Ort des Gottesdienstes, sondern auch Bühne für Dorfversammlungen und Konzerte kleinerer Musikgruppen.

Wie in vielen Orten des Bierlandes spielt auch in Thalheim das Brauwesen eine Rolle. Die „Thalheimer Kellerbräu“ ist eine kleine, aber traditionsreiche Brauerei, die am Südrand des Dorfes in einem ehemaligen Schafstall eingerichtet wurde. Geführt von der Familie Lürssen, wird hier ein untergäriges „Thalheimer Landbier“ produziert, bernsteinfarben mit einem Hauch von Wacholder, sowie das saisonale „Erntegold“, das ausschließlich zur Apfelerntezeit ausgeschenkt wird. Verkauft wird das Bier direkt im Brauhaus oder in der Schankwirtschaft „Zum Wildhopfen“. Eine Besonderheit ist der unterirdische Lagerkeller, der über einen schmalen Gang erreichbar ist und im Sommer angenehm kühl bleibt. Besucher können hier bei Führungen den Brauprozess kennenlernen und den Unterschied zwischen frisch gezapftem und gelagertem Bier schmecken.

Das Dorfleben ist stark von landwirtschaftlichen Rhythmen geprägt. Im Frühjahr blühen die Streuobstwiesen, im Sommer liegen Heurollen auf den Wiesen, und im Herbst finden zwei große Feste statt. Das „Apfelfass-Fest“ verbindet die Apfelernte mit Bierverkostung: Ein Fass Erntegold wird symbolisch mit frisch gepresstem Apfelsaft angestochen, bevor es zur Gärung in den Keller kommt. Das zweite Fest ist das „Feldabend-Konzert“, bei dem Musiker aus der Region auf einem improvisierten Podium am Feldrand spielen, während die Dorfbewohner auf Strohballen sitzen.

Der Thalwald östlich des Dorfes ist ein beliebtes Ziel für Spaziergänge und Pilzsammler. Ein alter, heute zugewachsener Hohlweg führt zu einer Lichtung, auf der ein riesiger, umgestürzter Baumstamm liegt. Laut einer Anekdote wurde dieser Baum in den 1930er-Jahren von einer Gruppe Jugendlicher zu einem provisorischen Tanzboden umfunktioniert, und noch heute erinnern sich ältere Dorfbewohner an die „Walzernacht unter Sternen“.

Die Bäckerei Breusing ist ein weiteres Herzstück Thalheims. Neben klassischem Roggenbrot ist das „Klosterbrot“ beliebt, ein dunkles Mischbrot mit Kräutern, das angeblich auf ein Rezept der Benediktiner zurückgeht. Viele Radwanderer, die die Zento-Ebene durchqueren, machen hier Pause, um ein Stück Brot mit Käse oder Honig zu probieren.

Neben Landwirtschaft, Brauerei und Handwerk gibt es in Thalheim auch einen kleinen, aber aktiven Kunstkreis. Mehrere Einwohner bemalen Emailletafeln mit Szenen aus dem Dorfleben, die im Sommer an Hauswänden hängen. Besucher können bei Führungen durch das Dorf solche Motive entdecken: das Waschhaus im Morgenlicht, die Kirche im Schneefall, oder ein Blick über die Felder bei Sonnenuntergang.

Verkehrstechnisch ist Thalheim vor allem auf das Auto angewiesen. Einmal täglich fährt ein Kleinbus nach Straßendorf und zurück, ansonsten organisieren die Bewohner Fahrgemeinschaften. Von dort kann dann die Bahn benutzt werden.

Wer in Thalheim übernachtet, findet privat vermietete Gästezimmer in alten Hofanlagen. Viele bieten Frühstück mit regionalen Produkten an, darunter Apfelsaft von den Dorfwiesen, Käse aus der Nachbarschaft und Brot aus der Bäckerei Breusing.

So ist Thalheim ein Ort, der von seiner Abgeschiedenheit lebt. Die klare Trennung zwischen Ortskern und offener Landschaft, die tiefe Verwurzelung in landwirtschaftlichen und handwerklichen Traditionen, und die Mischung aus kirchlicher Geschichte und gelebtem Gemeinschaftsgeist machen das Dorf zu einem besonderen Ziel im Norden des Landkreises Kreuzberg. Wer die Ruhe sucht, alte Bräuche schätzt und ein Bier mit eigenem Charakter probieren möchte, findet hier einen lohnenden Halt – fernab der üblichen Reiserouten.

Ch.: BL6 (W: Klodorf, O: Worda); BL9 (S: Straßendorf, N: Clausdorf)