(Pop.: 748 – 251m NN)

Tabakfelsen, mit 748 Einwohnern eines der größeren Dörfer am Rand der Bierländer Schweiz, ist ein Ort, der auf den ersten Blick unscheinbar wirkt, bei genauerem Hinsehen aber eine Fülle an Geschichten und Eigenheiten birgt. Das Dorf liegt 251 Meter über dem Meeresspiegel am nördlichen Saum des bewaldeten Höhenzuges, wo die dichten Wälder der Bierländer Schweiz in die offeneren Landschaften des Drosener Rückens übergehen. Von hier aus blickt man weit über die Felder, die sich in Richtung der Blumenthal-Ebene ziehen, und der Wechsel zwischen dichtem Wald und weitem Ackerland verleiht der Gegend eine besondere Spannung. Die Lage macht Tabakfelsen zu einem idealen Ausgangspunkt für Wanderungen: Nur 7,5 Kilometer sind es von hier bis zum Schwanenberg, dem mit 689 Metern höchsten Punkt des Landkreises Kreuzberg. Der Weg führt erst über eine bewaldete Kuppe ins Tal des Kreuzbaches, dann hinauf zum Kamm, bevor sich der Blick am Gipfel weit über das Mare Internum öffnet. Viele Gäste des Ortes nutzen diese Route, die als eine der schönsten Wanderungen der Region gilt, und kombinieren sie mit einem Aufenthalt in einer der beiden kleinen Gasthöfe, die der Ort für Besucher bereithält.

Das Dorf selbst ist ein klassisches Haufendorf, gewachsen entlang kleiner Gassen, die von niedrigen Häusern aus Bruchstein und Ziegel gesäumt werden. Im Ortskern steht die Kirche St. Bonifatius, ein Bau aus dem 17. Jahrhundert mit quadratischem Turm, der in schlichter, fast bäuerlicher Manier errichtet wurde. Im Inneren überrascht sie mit einer bunt bemalten Holzdecke, auf der Szenen aus dem bäuerlichen Jahreskreis dargestellt sind – Aussaat, Heuernte, Schlachtung. Jeden Sonntag versammelt sich hier die Gemeinde, und auch Besucher sind willkommen, die offene Atmosphäre zu erleben. Die Kirche ist nicht nur ein geistlicher Ort, sondern dient auch als kulturelles Zentrum: Konzerte kleiner Chöre, Lesungen und Dorffeste beginnen oder enden oft hier.

Eines der spannendsten historischen Zeugnisse in Tabakfelsen liegt etwas außerhalb im Wald verborgen: der sogenannte Kammstein. Dieser glatt polierte, 3,60 Meter hohe Felsblock trägt eingeritzte Zeichen, die in Form eines Kalenders interpretiert werden. Fachleute sind sich über die Herkunft uneins; manche vermuten, er diente als astronomisches Ritualobjekt, andere sehen in ihm ein frühes bäuerliches Hilfsmittel zur Ernteplanung. Sicher ist nur, dass der Kammstein seit Jahrhunderten Ziel von Wanderungen und Legenden ist. Eine Geschichte erzählt von einem Schäfer, der bei Vollmond Schattenlinien auf dem Stein beobachtet und daraus die Wetterlage für seine Herden abgeleitet haben soll.

Der Heimatverein hat sich der Bewahrung dieses Kulturerbes verschrieben. In einem alten Schuppen im Dorf zeigt er eine kleine Sammlung: Tabakspfeifen, Steinwerkzeuge und Erntesicheln, die in der Umgebung gefunden wurden. Die Pfeifen gaben dem Ort auch seinen Namen, denn angeblich brachten Soldaten im 18. Jahrhundert den Tabak in diese Gegend, und die Bauern fertigten eigene Tonpfeifen, deren Formen heute im Museum nachzusehen sind.

Das Dorfleben ist eng mit Landwirtschaft verknüpft. Rund um Tabakfelsen werden vor allem Getreide und Kartoffeln angebaut, daneben einige Hopfenfelder, die in Kooperation mit der Braugenossenschaft „Tabakquell“ verarbeitet werden. Diese kleine Brauerei im Ort produziert ein bernsteinfarbenes Landbier mit würzigem Charakter, das in den Gasthöfen ausgeschenkt und an Markttagen bis nach Kreuzberg geliefert wird. Im Herbst findet in Tabakfelsen das Erntefest statt, bei dem das Bier eine zentrale Rolle spielt: Auf dem Dorfplatz werden lange Holztische aufgestellt, es gibt Blasmusik, und abends versammelt sich Jung und Alt zum Tanz. Besucher, die zufällig während dieser Zeit in Tabakfelsen verweilen, berichten oft, wie leicht man mit Einheimischen ins Gespräch kommt und Teil der Gemeinschaft wird.

Neben dem Brauwesen lebt Tabakfelsen auch von seinen Handwerken. Ein Schreinermeister betreibt eine Werkstatt am östlichen Dorfrand, wo er alte Möbelstücke aus der Region restauriert. Seine Werkstatt ist frei zugänglich, und besonders Wanderer, die vom Schwanenberg zurückkehren, schauen gerne herein, um die kunstvollen Holzarbeiten zu betrachten. Daneben gibt es eine Bäckerei, die das traditionelle „Kammsteinbrot“ anbietet – ein dunkles, kräftiges Brot, das mit Wacholder und Kümmel gebacken wird und durch seine Haltbarkeit lange Wanderungen begleiten kann.

Die Landschaft rund um Tabakfelsen ist geprägt von Kontrasten: im Süden die Wälder der Bierländer Schweiz, dunkel und dicht, mit ihren Buchen und Eichen, im Norden und Osten die weiten Felder des Drosener Rückens und der Blumenthal-Ebene. Viele Besucher kombinieren ihren Aufenthalt mit Wanderungen oder Radtouren, die vom Dorf aus in alle Richtungen möglich sind. Besonders beliebt ist der Weg entlang des Kreuzbaches, wo alte Wassermühlenruinen noch an die Zeit erinnern, als hier Getreide gemahlen wurde.

Auch kulturell bietet Tabakfelsen mehr, als seine Größe vermuten lässt. Regelmäßig organisiert der Heimatverein Vortragsabende im Gemeindehaus, bei denen archäologische Funde vorgestellt oder Sagen aus der Region erzählt werden. Kinder und Jugendliche spielen im Sommer auf der kleinen Freilichtbühne am Dorfrand Theaterstücke, die meist auf lokalen Legenden beruhen. So wurde etwa die Geschichte vom Schäfer am Kammstein als Kindertheater aufgeführt – ein Ereignis, das viele Besucher aus den Nachbardörfern anlockte.

Tabakfelsen ist also ein Dorf, das Tradition und Gegenwart verbindet. Die enge Bindung an die Natur, die gepflegten Rituale und die Offenheit gegenüber Gästen machen es zu einem lohnenden Ziel für Reisende, die das Bierland abseits der großen Städte erleben wollen. Wer hier verweilt, erlebt die Stille der Felder, das Rauschen der Wälder, den Geschmack kräftigen Landbiers und die Geschichten, die in Stein und Holz überliefert sind.

Ch.: BL11 (N: Folstorf, S: Schwanenwald); BL14 (W: Kreuzberg, O: Klausheim); Wanderweg zum Schwanenberg, Feldweg nach Entenbad