Der Wecker klingelte um 7:09 Uhr zum zweiten Mal, ein schriller Ton, den Rasmus Svensson schon im Halbschlaf erwartete. Das Bett war kühl, und der Gedanke an das kalte Wasser, das ihn gleich am Waschbecken erwartete, machte das Aufstehen nicht leichter. Seit sechs Wochen war der alte Kessel kaputt, und jedes Mal, wenn er sich das Gesicht mit kaltem Wasser wusch, wünschte er sich, er hätte doch schon längst den Mechaniker aus Wansa bestellt. Aber es war wie so oft: das Geld, die Organisation, und ein bisschen auch der Gedanke, dass man das ja noch aushalten könne. Er zog die Wollsocken hoch, tastete sich durch den schmalen Flur und ging in die Küche.

Dort saß bereits seine Frau Elin, die eine Orange schälte und geduldig auf ihn wartete. Rasmus stellte die Kaffeemaschine an, der vertraute Geruch breitete sich langsam im Raum aus. Sie frühstückten gemeinsam: Brot mit Käse, ein bisschen Marmelade, Kaffee. Das Radio auf der Fensterbank knisterte leise, brachte ein paar Nachrichten aus der Kreisstadt Teichstedt, die im Grunde niemanden in Feldlager betrafen. Der Morgen verlief schweigend, wie so oft, jeder noch im Übergang zwischen Nacht und Tag.

Nach dem Frühstück verschwand Rasmus in sein Arbeitszimmer im Obergeschoss. Der Raum war klein, vollgestopft mit Büchern, einem Schreibtisch, einem alten Computer. Sein Blick fiel immer wieder nach draußen, auf die Felder, die von einer dünnen Schneeschicht überzogen waren. Dort draußen war es still, nur das ferne Krähen eines Hahns und das Knacken des Holzes im Dachgebälk drang zu ihm. Er öffnete die Mails des Medienbeobachtungs-Instituts, klickte sich durch Links, kopierte Überschriften, notierte Schlagworte. Eine gleichmäßige, fast monotone Arbeit, die er seit Jahren routiniert erledigte.

Um kurz vor zwölf schloss er den Laptop, stand auf und ging in die Küche. „Ich mach heute Nudeln“, sagte er, griff in den Schrank nach den Spaghetti, stellte einen Topf Wasser auf den Herd. Elin kam dazu, schnitt Zwiebeln und Knoblauch, während ihre Tochter Mira, die mit 22 Jahren noch zu Hause lebte, den Tisch deckte. Früher war Mira ihr Sohn gewesen, und manchmal noch, wenn ein alter Bekannter vorbeikam, musste die Familie Fragen oder gar Schweigen aushalten. Aber hier, an diesem Mittag, war es schlicht und normal. Sie lachten kurz über die spritzende Tomatensoße, aßen gemeinsam und sprachen über kleine Dinge: eine Bestellung, die nicht ankam, das Losverfahren für den Traktor, das wieder bevorstand, und den Gedanken, ob man doch einmal nach Mühlen fahren sollte, um im Dorfladen dort ein paar Spezialitäten zu holen.

Nach dem Essen zog sich Rasmus wieder in sein Arbeitszimmer zurück. Die gleiche Arbeit wie am Vormittag, dieselben Tastenklicks, dieselben Notizen. Um 15:20 Uhr klappte er den Laptop endgültig zu. Die Müdigkeit kroch in seinen Körper, und er legte sich auf das Sofa im Wohnzimmer. Ein kurzes Dösen, das Fenster beschlug ein wenig vom Atem, die Zeit floss dahin. Als er die Augen öffnete, war der Nachmittag schon fortgeschritten.

Um 16 Uhr kehrte sein ältester Sohn Jonas von der Lehre zurück. Der 24-Jährige kam müde ins Haus, legte den Rucksack in den Flur, brummte eine Begrüßung und zog sich schnell in sein Zimmer zurück. Rasmus freute sich über das kurze Lebenszeichen, auch wenn es nur ein Wort war. Es war die Art seines Sohnes: zurückhaltend, verschlossen, aber zuverlässig.

Der restliche Nachmittag verlief in Stille. Rasmus wanderte durch die Räume, sah kurz in den Hühnerhof, wo die Tiere träge im Schnee nach Futter scharrten. Er überlegte, ob er Holz nachlegen sollte, entschied sich dagegen. In der Küche summte das Radio, diesmal mit einer Volksmusiksendung, die er nur halb hörte. Es war ein Tag, der von Langeweile durchzogen war, eine Langeweile, die nicht unangenehm, aber drückend sein konnte.

Als der Abend kam, stellte sich die Frage, wie man ihn füllen könnte. In Feldlager gab es keine Gaststätte, keinen Verein, der an diesem Tag zusammenkam. Manchmal traf man sich bei Inga Östman, manchmal bei Liam Chen Krause, aber heute blieb das Haus geschlossen.

Rasmus entschied, einen Spaziergang zu machen. Er zog den dicken Mantel an, nahm Elin bei der Hand, und sie gingen gemeinsam den Feldweg Richtung Wäldchen. Der Schnee knirschte unter ihren Schuhen, und die Luft war klar. In der Ferne glühte der Himmel noch schwach vom Sonnenuntergang, über den Feldern stieg Nebel auf. Sie sprachen nicht viel, aber das Schweigen war kein Schweigen der Leere, sondern ein ruhiges Nebeneinander.

Als sie zurückkehrten, wartete Mira bereits mit einer Kanne Tee auf dem Tisch. Jonas hatte sich mit einem Buch zurückgezogen. Gemeinsam spielten sie ein Brettspiel, ein altes Exemplar von „Mühle“, das schon etwas zerfleddert war. Lachen mischte sich unter die Züge, kleine Neckereien zwischen Tochter und Vater, und das Klacken der Steine auf dem Holzbrett erfüllte die Stube.

Später, als die Kinder sich zurückzogen, blieb Rasmus noch am Küchentisch sitzen. Er schenkte sich ein Glas Bier ein, das aus Wansa stammte, und blätterte in einer alten Zeitung. Die Stille des Hauses, das gelegentliche Knacken im Gebälk und das entfernte Gackern der Hühner begleiteten ihn. Es war kein ereignisreicher Tag gewesen, aber auch keiner, der etwas vermissen ließ. Ein Tag, wie er in Feldlager eben war: schlicht, still, getragen von kleinen Handlungen, die in ihrer Wiederholung ein eigenes Gewicht bekamen.