(Pop.: 325 – 198m NN)

Weizenau ist ein Dorf mit 325 Einwohnern im Landkreis Nassfeld, auf 198 Metern Höhe gelegen. Es liegt auf einem sanften Rücken in der Seeland-Ebene, zwischen Klamsdorf im Norden und Nassfeld im Süden. Die erhöhte Lage lässt die Felder weithin sichtbar erscheinen und gibt dem Ort eine klare Prägung: Hier dreht sich alles um Saatgut. Während in den umliegenden Dörfern Ernten und Verarbeitung im Vordergrund stehen, ist Weizenau ein Zentrum der Pflanzenzucht und Saatgutreinigung – ein Spezialgebiet, das den Ort im gesamten Kreis bekannt gemacht hat.

An der Ackerstraße 11 befindet sich der Betrieb Seeland-Saat Weizenau, geführt von Ilse und Barnim Nowak. Zwei hohe Reinigungstürme ragen über die Dorfhäuser hinaus. Ihr blechernes Klappern ist in der Erntezeit weithin zu hören, wenn die Siebe laufen und Körner sortiert werden. Neben der Saatgutaufbereitung betreibt der Hof auch Versuchsanlagen, etwa für frostharte Karotten, die den Landwirten neue Möglichkeiten eröffnen. Schon seit den 1970er Jahren gilt Weizenau als Standort für Saatgutinnovation – hier werden Sorten geprüft, bevor sie auf den Feldern des Seelandes in größerem Maßstab angebaut werden.

Besonderes Augenmerk liegt auf den Schaugärten, die vor der Ernte geöffnet werden. Besucher gehen durch Reihen mit Getreide, Bohnen und Gemüse, zwischen denen Holztafeln die Sortennamen tragen. Eine Reihe ist alten Bohnensorten gewidmet, deren Bezeichnungen aus der Erzähltradition des Seelandes stammen. Im Herbst wird hier die Ährenparade veranstaltet: Aus den geernteten Halmen werden große Sträuße gebunden, die Unterschiede zwischen Sommer- und Winterformen sichtbar machen. Kinder laufen mit Holzlinealen zwischen den Hülsen, messen Längen und notieren Ergebnisse auf Kreidetafeln – eine Verbindung von Tradition, Bildung und praktischer Landwirtschaft.

Die Bedeutung von Seeland-Saat reicht über das Dorf hinaus. Bauern aus Klamsdorf, Vierhaus oder Tsitsa liefern ihre besten Pflanzenproben hierher, um sie prüfen zu lassen. Gleichzeitig bietet der Betrieb Schulungen für Hobbygärtner an. Besonders beliebt sind die Seminare im Frühjahr, bei denen einfache Aussaatmethoden erklärt und kleine Portionen Saatgut verkauft werden. Die Nähe zu Klamsdorf und Nassfeld macht Weizenau zudem zu einem Knotenpunkt für landwirtschaftliche Innovation. Händler aus Klamsdorf kaufen hier Saatgut für den Weiterverkauf, während die Konservenwerke in Klamsdorf Interesse an neuen Bohnensorten haben. Nassfeld wiederum bietet den Märkten Raum, auf denen Weizenauer Produkte präsentiert werden.

Im Dorf selbst prägt die Landwirtschaft den Alltag. Viele Bewohner sind direkt oder indirekt mit Seeland-Saat verbunden, sei es als Arbeiter in den Türmen, als Gärtner oder als Fahrer der Lieferfahrzeuge. Andere Familien betreiben kleinere Felder, die zum Teil der Saatgutproduktion dienen, zum Teil dem Eigenbedarf. Im Sommer riecht das Dorf nach frischem Korn, im Herbst nach trocknendem Stroh und Bohnenhülsen.

Weizenau besitzt eine kleine, aber lebendige Dorfgemeinschaft. Die Kinder gehen nach Klamsdorf oder Nassfeld zur Schule, doch das Dorfleben spielt sich stark rund um den Betrieb ab. Auf dem Platz vor den Türmen finden Dorffeste statt, bei denen die Maschinenhallen zur Bühne werden. Beim jährlichen Saatfest zeigen die Mitarbeiter von Seeland-Saat ihre neuesten Züchtungen, während Dorfbewohner Essenstände mit Brot, Käse und eingelegtem Gemüse betreiben. Ein Höhepunkt ist das „Samenwerfen“, bei dem getrocknete Hülsen geöffnet und die Samen symbolisch in die Menge geworfen werden – ein Ritual, das die Verbundenheit des Dorfes mit seinem Schwerpunkt sichtbar macht.

Kulturell ist der Ort ebenfalls mit der Saatguttradition verknüpft. In der Dorfkirche, einem kleinen schlichten Bau, liegen alte Messlatten und Saatgefäße als Erinnerungsstücke. Die Predigten greifen oft das Bild des Samens als Gleichnis für Arbeit, Hoffnung und Geduld auf. Auch in den Geschichten der älteren Dorfbewohner spielt Saatgut eine zentrale Rolle: Man erzählt, dass während einer Hungerzeit im 19. Jahrhundert die Familien von Weizenau Saatkörner für die Aussaat zurückhielten, auch wenn sie selbst wenig zu essen hatten – ein Opfer, das das Überleben der Gemeinschaft sicherte.

Ein wichtiger sozialer Treffpunkt ist die Dorfwirtschaft „Zur Ähre“. Sie liegt an der Hauptstraße und trägt ihr Symbol im Schild: eine stilisierte goldene Ähre. Hier sitzen abends die Arbeiter der Türme, trinken Bier, diskutieren über Wetter und Erträge und tauschen Erfahrungen aus. Oft bringen sie kleine Samentütchen mit, die auf den Tischen weitergereicht werden. Die Wirtsleute veranstalten im Winter Vortragsabende, bei denen Barnim Nowak selbst über neue Versuchsreihen berichtet oder alte Bohnensorten präsentiert.

Weizenau hat trotz seiner geringen Größe eine überregionale Bedeutung. Es ist ein Dorf, das die Seeland-Ebene repräsentiert: Felder, Körner, Versuchsgärten und eine Gemeinschaft, die auf Geduld und Wiederkehr vertraut. Hier wird deutlich, dass Landwirtschaft nicht nur Ernte bedeutet, sondern auch Vorausschau, Planung und die Pflege des kleinen Samens, aus dem große Dinge wachsen können.

Bahn: Seelandbahn (Linie 85) stündlich 6:54 bis 21:54 nach Nassfeld, 7:06 bis 22:06 nach Langsalza

Ch.: SEE3 (N: Klamsdorf, S: Nassfeld); SEE18 (W als ST601: Meisa, O: Polis)