Hans Walther begann den 17. September 2025 wie jeden Werktag mit dem Klingeln seines Weckers um Punkt 7:00 Uhr. Er wartete nicht auf das zweite Signal um 7:09 Uhr, sondern stand sofort auf. Seine Frau, die Lehrerin Karin Walther, hatte bereits den Tisch gedeckt: zwei Scheiben Roggenbrot mit Käse, ein weich gekochtes Ei und eine Kanne Kaffee. Sie sprachen über den heutigen Schultag und lachten kurz darüber, dass Karins Kollegin gestern im Lehrerzimmer von einem verschwundenen Klassensatz Atlanten erzählt hatte. Ihr Sohn Tobias, 24 Jahre alt, schlief zu dieser Zeit noch – sein Schichtplan im Schafauer Hafen erlaubte es ihm, erst später zu beginnen.

Um kurz nach acht schwang sich Hans auf sein Rad. Der Weg durch Schafau war vertraut: vorbei am Bahnhof mit den stündlich verkehrenden Zügen nach Butha und Bierona, dann entlang der B4, wo der morgendliche Lieferverkehr aus den Küstenwäldern Richtung Stadt rollte. Ziel war die Produktions- und Verwaltungsstätte von Mare Internum Delikatessen. Hans arbeitet in der PR-Abteilung des Unternehmens, die sich seit Jahren bewusst gegen die großen, internationalen Anbieter von Medienanalysen entschieden hat. „Man will es lieber selbst im Griff haben“, sagte sein Chef gern, wenn neue Praktikanten – meist von der örtlichen Schule – fragten, warum man nicht externe Agenturen nutze. Hans’ Aufgabe bestand an diesem Morgen darin, die Berichterstattung der letzten Tage über Fischpreise, Nachhaltigkeitslabels und regionale Gastronomie auszuwerten. Er las sich durch Online-Portale, übertrug die Ergebnisse in eine interne Tabelle und markierte alles, was Einfluss auf die Marke haben könnte.

Mittwochs gilt in der PR-Abteilung ein ungeschriebenes Gesetz: mittags in die „Gaststätte Zum goldenen Hahn“. Der Wirt, Herbert Klein, hatte den Schnitzeltag vor vielen Jahren eingeführt, und inzwischen kommen nicht nur die Angestellten von Mare Internum, sondern auch Mitarbeiter der Schafauer Holzmanufaktur und ein paar Beamte vom Rathaus. Gegen zwölf Uhr schob Hans seinen Laptop beiseite und radelte mit seinen Kolleginnen und Kollegen hinüber. Das Schnitzel kam, wie immer, mit Bratkartoffeln und einem Krautsalat, dazu bestellte er eine Apfelschorle. Gesprächsthema am Tisch waren diesmal die Vorbereitungen für das Schafauer Hafenfest, das Mare Internum sponsert. Man überlegte, ob man die Bühne stärker in den Windschutz des Küstenwaldes rücken sollte, weil im letzten Jahr die Musik vom Meer her zerweht wurde. Hans notierte sich, darüber später noch einen kurzen Vorschlag für die interne Runde zu schreiben.

Um 16 Uhr machte er sich wieder auf den Heimweg. Der Wind hatte aufgefrischt, und das Radfahren entlang der Strandpromenade erforderte etwas mehr Kraft als am Morgen. Zuhause angekommen, stellte er das Rad in den Schuppen und ging direkt ins Badezimmer. Seit sieben Wochen hatten die Walthers kein warmes Wasser – die Heizungsanlage im Mietshaus war defekt, Ersatzteile ließen auf sich warten. Also duschte Hans kalt, schnell und mit einem stoischen Gesichtsausdruck. „Man gewöhnt sich daran“, sagte er später zu Karin, die ihm ein Handtuch reichte.

Danach ging er noch zum Supermarkt an der B35. Dort kaufte er frischen Hering, Zwiebeln, Öl und Gewürze. Der Plan: das Mittagessen für morgen vorzubereiten. Zuhause legte er die Heringe in eine Mischung aus Essig, Öl, Zwiebelringen und Lorbeer, stellte alles in den Kühlschrank und war zufrieden, damit eine Sache weniger am nächsten Tag erledigen zu müssen.

Zum Abendbrot traf sich die Familie am Esstisch: Karin stellte eine Schüssel mit Kartoffeln und Spinat auf, Tobias kam gerade rechtzeitig von seiner Spätschicht im Hafen dazu. Sie sprachen über den Bau neuer Lagerhallen für Kühlware, über einen Artikel, den Hans über ein Nachhaltigkeitssiegel gefunden hatte, und über Karins Schüler, die angeblich die Atlanten absichtlich versteckt hatten, um den Unterricht spannender zu machen. Es war eine ruhige, alltägliche Runde.

Später am Abend setzte sich Hans an seinen Computer, um den Mailverteiler der Schafauer Kantorei zu pflegen. Er gehört seit Jahren dem Chor an und kümmert sich um organisatorische Belange. Neue Probenpläne mussten verschickt, zwei Adressen korrigiert und eine Geburtstagsmail vorbereitet werden. Die Kantorei plant ein Konzert im Herbst mit Werken von Mendelssohn, und Hans wusste, wie wichtig eine funktionierende Kommunikation war, damit alle rechtzeitig informiert sind.

Als die Uhr auf halb zehn stand, klappte er den Laptop zu. Feierabend. Er setzte sich noch für eine halbe Stunde mit Karin auf das Sofa, während Tobias in seinem Zimmer Musik hörte. Ein einfacher Tag ging zu Ende, gefüllt mit Arbeit, Routinen und kleinen Gesprächen, die das Leben in Schafau tragen.