
(Pop.: 158 – 403m NN)
Hirsedorf ist ein kleines Dorf im Landkreis Nassfeld, gelegen auf 403 Metern Höhe im Skarefoss-Tal des Sturmgebirges. Mit seinen 158 Einwohnern liegt es zwischen Schauburg im Westen und Vintau im Osten, an einer Stelle, wo sich das enge Tal des Flusses verbreitert und Raum für Felder, Höfe und Handwerk bietet. Der Skarefoss ist hier weniger wild als weiter oberhalb, dennoch bleibt sein Rauschen ständiger Begleiter, und bei Hochwasser dringt die Gischt weit ins Dorf hinein. Das Leben der Bewohner ist seit Jahrhunderten mit Fluss, Wald und Stein verbunden, und doch hat Hirsedorf eine eigene Prägung entwickelt: Neben Käse und Holz steht hier der Bau von Musikinstrumenten im Mittelpunkt.

Herzstück dieser Tradition ist die Klangwerkstatt Skarefoss an der Adresse Mühlsteig 4, ein Betrieb, der weit über den Landkreis hinaus bekannt ist. Lia und Tomo Berens führen die Werkstatt, in der sogenannte Skare-Fiedeln gebaut werden – kleine gekehlte Streichinstrumente mit vier Saiten. Ihr Ton ist hell, durchdringend und wird oft als schneidend klar beschrieben, passend zur rauen Akustik des Gebirgstals. Für die Decken verwenden die Berens luftgetrocknete Lärche aus den Wäldern oberhalb von Schauburg, für die Böden Esche aus den Niederungen des Skarebogs. Die Wirbel fertigen sie aus Birnbaumholz, dessen feine Maserung für Stabilität und Schönheit sorgt. Einmal wöchentlich, freitags um 15 Uhr, öffnen sie die Werkstatt für Besucher. Die Führung endet stets mit einem Moment, in dem Gäste selbst eine Saite anstreichen dürfen – der Raum füllt sich dann mit dem vibrierenden Ton, der zwischen den Balken widerhallt und vielen noch lange in Erinnerung bleibt.
Neben der Werkstatt steht ein kleiner Ladenraum offen, in dem Musterinstrumente, Saiten, aber auch begleitende Dinge wie Saatguttütchen oder kleine Notenhefte verkauft werden. Hier zeigt sich die Eigenart Hirsedorfs: Landwirtschaft, Handwerk und Musik fließen ineinander, und wer in die Glasvitrine blickt, findet neben einer Fiedel auch Käseproben oder Rezepthefte aus der Nachbarschaft.

Die Käseproduktion ist der zweite prägende Wirtschaftszweig des Ortes. Gleich zwei Käsereien existieren in Hirsedorf, die besonders für ihren Hartkäse und den Milbenkäse bekannt sind. Der Hartkäse reift in kühlen Kellern, seine Laibe tragen eine dicke Rinde und werden regelmäßig mit Salz abgerieben. Der Milbenkäse dagegen gilt als lokale Spezialität: Kleine Milben arbeiten sich durch die Käsemasse und verleihen ihr einen würzigen, pikanten Geschmack. Besucher können beide Sorten in den Läden der Käsereien probieren; besonders im Sommer ist der Käse ein beliebtes Mitbringsel für Wanderer, die auf dem Weg durch das Tal Halt machen.

Am östlichen Dorfrand steht die kleine Bachkapelle, ein schlichter Bau mit Schindeldach. Sie ist dem heiligen Nikolaus geweiht, Patron der Reisenden, und liegt nah am Ufer, sodass ihr Geläut vom Rauschen des Skarefoss begleitet wird. Von hier führt ein schmaler Pfad zu den in den Fels gehauenen Kerben, die früher als Leitschienen für die Holztrift dienten. In früheren Jahrhunderten wurden Baumstämme den Fluss hinuntergetrieben, und die Kerben halfen, sie in der Strömung zu halten. Heute sind sie ein stilles Denkmal der Arbeit mit dem Wasser, von Moos überwachsen und von den Dorfbewohnern bewahrt.
Das Ortsbild Hirsedorfs ist geprägt von steinernen Häusern mit dunklen Schindeldächern. Viele Höfe liegen nahe am Fluss, mit kleinen Brücken und Stegen, die die Grundstücke verbinden. Die Menschen leben hier von einer Mischung aus Landwirtschaft, Handwerk und Tourismus. Ziegen- und Schafhaltung ist verbreitet, ergänzt durch Felder mit Roggen und Bohnen. Gleichzeitig profitieren die Bewohner vom Interesse an ihrer Musiktradition: Musiker, Studenten und Handwerker aus Seestadt oder Nassfeld reisen nach Hirsedorf, um die Werkstatt zu besuchen oder sich ein Instrument anfertigen zu lassen.

Der soziale Mittelpunkt ist das Gasthaus „Zur Fiedelklause“, ein Name, der den besonderen Bezug des Ortes zur Musik betont. Hier sitzen abends die Bewohner bei Käse, Brot und Bier zusammen, und nicht selten wird musiziert. Skare-Fiedeln, Ziehharmonikas und Flöten klingen, während Geschichten über alte Zeiten die Runde machen. So pflegt das Dorf eine lebendige Musikkultur, die weit über den Werkstattbetrieb hinausgeht.
Einmal im Jahr findet das „Fiedelfest“ statt, das Besucher aus dem ganzen Tal anzieht. Es beginnt mit einem Umzug durch das Dorf, bei dem Kinder kleine Instrumente tragen, gefolgt von Werkstattvorführungen und Konzerten auf dem Platz vor der Kapelle. Am Abend erklingen zahlreiche Fiedeln gleichzeitig, ihre Töne verweben sich mit dem Rauschen des Skarefoss. Dazu gibt es Käse, Brot und Wein, und der Platz ist erfüllt von Stimmen, Klang und Gerüchen.
Auch landschaftlich bietet Hirsedorf einiges. Der Skarefoss bildet hier Stromschnellen, an deren Rändern Gischt aufsteigt. Wanderwege führen von Hirsedorf nach Norden zur Burgruine Schauburg oder nach Süden hinunter nach Vintau. Viele Besucher nutzen den Ort als Zwischenstation, um sich auszuruhen, Käse zu kaufen oder den Klang einer Skare-Fiedel zu erleben.
Hirsedorf ist damit mehr als ein kleines Gebirgsdorf. Es ist ein Ort, an dem sich Natur, Geschichte und Musik auf besondere Weise verbinden. Wer durch das Tal wandert, erlebt das Brausen des Flusses, sieht die Kerben der Holztrift, probiert Käse mit ungewöhnlichem Aroma und hört den durchdringenden Klang einer Fiedel. So wird Hirsedorf zu einem Dorf, das sowohl im Ohr als auch im Gedächtnis bleibt.
Ch.: SEE20 (W: Schauburg, O: Vintau), Waldstraße nach Nassfeld