Hartmanns-Bräu, die Dorfkneipe am Ufer des Erosflusses in Erosfähre, ist mehr als nur ein Gasthaus – sie ist das Herzstück des kleinen Ortes. Das Gebäude steht direkt an der alten Fährstelle, wo früher die Boote der Familie Hartmann anlegten. Heute erinnert die gemauerte Anlegestelle noch an jene Zeit, in der die Hartmanns Reisende und Waren über den Fluss setzten. Das Haus selbst, ein langgestreckter, zweigeschossiger Bau aus hellen Flusssteinen mit dunklen Holzbalken, wurde um 1920 erweitert und seither mehrfach umgebaut. Im Inneren führt eine niedrige Tür in die Gaststube, deren Wände mit Fotografien der alten Fähre, vergilbten Fahrkarten und handschriftlichen Einträgen aus dem Fährbuch geschmückt sind.
Der Ausschank liegt zur Flussseite hin, wo große Fenster einen Blick auf die Erosbrücke und das Wasser erlauben. Hinter dem Tresen steht meist Karl Hartmann, der aktuelle Wirt und Urenkel des letzten Fährmanns. Sein Vater, Anton Hartmann, hatte nach Stilllegung der Fähre den Betrieb in eine Schankwirtschaft umgewandelt und den Namen „Hartmanns-Bräu“ eingeführt, da er im hinteren Hof ein kleines Sudhaus einrichtete. Hier wird bis heute ein bernsteinfarbenes, unfiltriertes Bier gebraut, das leicht nach Karamell und Kräutern duftet. Das Rezept stammt aus den 1950er Jahren und enthält Hopfen aus der Region um Ackero sowie eine Spur getrockneter Flussminze, die nur entlang des Eros wächst.
Die Speisekarte ist schlicht und wechselt mit der Jahreszeit. Im Frühjahr stehen Forellen aus dem Eros und Kartoffelsalat auf der Karte, im Herbst deftige Braten und eingelegte Gurken nach altem Familienrezept. Jeden Donnerstagabend findet der sogenannte „Fährabend“ statt – ein geselliger Stammtisch, bei dem Dorfbewohner und Besucher an langen Holztischen sitzen, Bierkrüge klirren und alte Geschichten aus der Fährzeit erzählt werden. Einmal im Monat spielt dort die kleine Kapelle „Erosblech“, bestehend aus drei Musikern aus Erosdorf, die mit Trompete, Akkordeon und Tuba volkstümliche Stücke und alte Flussschifferlieder anstimmen.
Der Gastraum geht in einen überdachten Hof über, wo im Sommer Tische unter Kastanien stehen. Von hier aus sieht man das Uferlicht auf dem Wasser flimmern, und manchmal, wenn die Strömung ruhig ist, lässt Karl Hartmann eine kleine Nachbildung der alten Fähre zu Wasser – eine hölzerne Miniatur mit Windlicht, die in der Dämmerung langsam flussabwärts treibt. Diese Geste erinnert an die Zeit, als die Familie noch Menschen über den Fluss brachte.
In einem Nebenzimmer, der sogenannten „Fährstube“, hängen alte Ruder, Rettungsringe und eine Glocke, die einst das Übersetzen ankündigte. Heute wird die Glocke nur noch bei besonderen Anlässen geläutet, etwa bei der „Fährnacht“ im August, wenn das ganze Dorf den Jahrestag der ersten Brückenüberquerung feiert. Dann schenkt Karl Hartmann ein besonderes Bier aus – das „Brückenbräu“, etwas stärker eingebraut und mit Malz aus dem benachbarten Bergstedtchen.
Hartmanns-Bräu ist kein Ort, der nach großen Worten verlangt. Es ist ein Raum, in dem sich Geschichten verdichten: vom Fluss, von den Menschen, von der Veränderung. Wer dort sitzt, spürt, dass das Bier nicht nur ein Getränk, sondern ein Stück gelebte Geschichte ist – gebraut zwischen Erinnerung und Gegenwart, auf jenem Boden, wo einst das Wasser das Dorf teilte und zugleich verband.