
(Pop.: 5.478 – 95m NN)
Unterstrand, die Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises im Seeland, liegt am Südufer des Kleinen Teichs, auf einer niedrigen, sandigen Terrasse, die in den See hineinragt und früher regelmäßig von Frühjahrshochwässern heimgesucht wurde. Die Lage zwischen Wasser, Gräben und den alten Teichdämmen hat die Gestalt des Ortes geprägt: Straßen folgen alten Wasserläufen, Hinterhöfe öffnen sich zu Stegen, und in fast jedem Haus findet sich ein Geräteraum für Boote oder Netze. Die 5.478 Einwohner leben in einem Geflecht aus Altstadt, Hafenviertel, neuen Wohnsiedlungen im Süden und einem kleinen Industriegebiet entlang der Schleusenstraße. Unterstrand ist zugleich Verwaltungssitz, Marktplatz, Schulstandort und Sammelpunkt der Teichregion.

Das Rathaus, ein klar gegliederter Bau aus gelbem Ziegel, steht Am Markt 1, einem gepflasterten Platz, dessen Mitte der Brunnen „Fisch und Pflug“ markiert. Zwei Bronzeplatten am Sockel zeigen Symbole des Teichfangs und der Landwirtschaft, die den Ort bis heute tragen. An Markttagen, Dienstag und Freitag ab sechs Uhr, füllt sich der Platz mit Ständen, Karren und Körben. Fische aus den Teichen, Gurken, Flachsöl, Schafkäse und Wurzelgemüse werden gehandelt. Im Sommer spielt die Musikschule auf dem kleinen Pavillon die Mittagsmusik, deren Trompetenklänge sich über die Dächer legen und am Teichufer widerhallen. Hinter dem Markt öffnet sich der Teichplatz, der sich mit breiter Ufermauer und Pollern an das Wasser legt.
Die Promenade „Am Südkai“ zieht sich über mehr als achthundert Meter entlang des Teichs, gesäumt von Bootshäusern, Kontoren und Restaurants. Hier legen Ruderboote und die kleinen Ausflugsschiffe an, die im Sommer nach über Seestadt nach Südteich oder nach Nordufer fahren. Am westlichen Ende der Promenade erhebt sich die Fischmarkthalle Unterstrand, ein Bau von 1912 mit Stahlbinderdach und großen Oberlichtern. Morgens herrscht dort hektische Betriebsamkeit: Holzboote legen an, Karren mit Karpfen, Hecht und Zander rollen in die Halle, das Wasser rinnt durch Rinnen im Steinboden ab. Gegen Nachmittag kehrt Ruhe ein; dann werden an langen Tischen geräucherte Aale, Teichkrebse in Dilllake und Hering in Leinöl verkauft.
Gegenüber, an der Schleusenstraße 8, steht das alte Pumpenhaus. Es gehörte zur Teichregulierung des 19. Jahrhunderts, als die Wasserstände erstmals technisch gesteuert wurden. Heute beherbergt es eine kleine Ausstellung zur Geschichte der Entwässerung. Besucher steigen über eine eiserne Treppe hinab zu den schweren Schwungrädern der Dieselmaschinen und hören das Brummen der Elektropumpen hinter Klinkermauern. Eine der alten Handpumpen ist noch betriebsfähig und wird bei Führungen in Gang gesetzt; das rhythmische Zischen der Kolben erinnert an die Zeit, als der Wasserstand noch von Hand geregelt wurde.
Die Altstadt Unterstrands wächst um zwei Hauptachsen: die Marktgasse und die Uferstraße. Die Marktgasse ist eng und leicht gekrümmt, gesäumt von niedrigen Häusern mit Fachwerkobergeschossen. Hier sitzen Bäcker, Metzger und der Laden für Teichgeräte dicht an dicht. Das Geschäft „Teich & Lehm“ in der Querstraße 9, geführt von der Familie Sarnow, verkauft Pfähle, Reusen, Netze und Werkzeuge für Teicharbeiter. Daneben hat sich eine kleine Werkstatt für Holzkämme niedergelassen, die traditionell zum Reinigen der Netze verwendet werden.
An der Uferstraße ragen die alten Kontore mit Holzbohlenböden tief in die Grundstücke hinein. Ein Gebäude davon, Uferstraße 22, beherbergt heute das Teich- und Auenmuseum. In der oberen Etage hängen historische Netze, Reusen und Werkzeuge von der Decke, und eine große Holztafel verzeichnet die Fangrechte der Gilden seit 1683. Eine kleine Abteilung widmet sich der Archäologie der Wikingerzeit und zeigt Funde vom Schanzgraben und aus den alten Pfahlfeldern.
Am südlichen Rand der Altstadt verläuft der Schanzgraben, ein grasiger Hohlweg, der an den alten Verteidigungswall erinnert. Hier liegt die Schankstube „Zur Aalfrau“ (Am Schanzgraben 2). In ihrem hinteren Zimmer steht ein Kanonenrohr aus der Zeit der Teichkriege, schwarz vom Pulverdampf. Abends treffen sich dort Handwerker, Fischer, Beamte und Schüler der Musikschule. Auf einem Brett über dem Tresen steht „Jeder Aal zieht seinen Strich“ – ein Sprichwort, das hier niemand zu erklären braucht.
Zwischen Altstadt und Bahnhof verläuft der Teichkammweg, eine schnurgerade Allee aus Linden mit einem schmalen Radstreifen. Sie führt zum Stationsgebäude (Bahnhofstraße 1), einem flachen, langgestreckten Bau aus den 1930er Jahren. Der Bahnanschluss hat dem Ort den Zugang zu größeren Märkten gesichert, und viele Arbeiter pendeln zu den Betrieben der Umgebung.
Unterstrand hat eine klare wirtschaftliche Struktur. Handwerk und kleine Industrie prägen den Alltag. Besonders sichtbar ist die Werkstatt „Unterstrander Bootsleisten“ (Am Südkai 19), in der drei Gesellen Kimmleisten aus Eschenholz für offene Teichjollen fertigen. Das Holz wird aus den Hainen um Südteich bezogen, wo Eschen mit geradem Wuchs speziell für den Bootsbau kultiviert werden. Die Späne werden durch ein Rohr in die Heizzentrale des städtischen Schwimmbads geleitet – eine einfache, aber wirkungsvolle Wärmenutzung. Das Freibad selbst steht auf Pfählen über dem Teichufer, gespeist durch einen Kanal, dessen Schleuse das Wasser ständig erneuert. Wenn im Frühjahr die Fugen mit Teer ausgebessert werden, liegt über dem Areal der schwere Geruch nach Holz und Schilf.

Die kirchliche Mitte der Stadt ist St. Gertrud am Teich (Kirchhof 2). Der Bau von 1524 zeigt klare Formen: ein Saal mit gekehlten Ziegelbändern, ein niedriger Westturm, dessen Glocke aus einer alten Schweinetopflegierung gegossen wurde. Im Inneren hängt ein Votivschiff aus Holz, gestiftet 1780 von der „Fischergemeinschaft Gertrud“. In den Planken stecken eiserne Nägel, jeder symbolisiert einen Bootsanteil der Gilde. Der Pfarrgarten reicht bis zum Schanzgraben. Am ersten Sonntag im Oktober breitet die Gemeinde ein graues Wolltuch aus, das aus der Wolle seeländischer Schafe gewebt wurde. Darauf werden Brotlaibe gelegt, die nach dem Gottesdienst an Bedürftige verteilt werden – ein Brauch, der bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht.

Hinter der Kirche führt ein Weg zur „Schanzpforte“, einem gemauerten Durchlass über den Entwässerungsgraben. Hier beginnt der Rundweg zum „Teichkastell“, einem historischen Ort aus der Wikingerzeit. Unter einer Glasschiene ist ein Stück der alten Palisadenrinne sichtbar, die den Wachposten schützte. Eine Rekonstruktionszeichnung zeigt zwei kleine Hütten auf einem Steg, von wo aus der Teich überwacht wurde. Archäologen fanden dort Reste von Speerspitzen und Keramik, die eine Nutzung bis ins frühe 10. Jahrhundert belegen.

Eine weitere Sehenswürdigkeit ist die Schleuse IV, die 1846 errichtet und 1928 elektrifiziert wurde. Sie gehört zu den technischen Sehenswürdigkeiten Unterstrands. Besucher können an Führungen teilnehmen, bei denen ein ehemaliger Schleusenwärter das Kammrad anlaufen lässt. Wenn das Wasser tosend in die Schleusenkammer strömt und die alten Klappen knarren, spürt man die Kraft, die über Jahrhunderte den Rhythmus der Stadt bestimmte.
Im Teich- und Auenmuseum wird der „Stein von Kolla“ gezeigt – ein behauener Findling mit eingeritztem Schiff. Taucher fanden ihn 1971 vor dem Südkai. Eine Kopie steht am Ufer, und Kinder stecken Schilfhalme in die Linien, um das leise Pfeifen im Wind zu hören. Der Stein ist für viele Unterstrander ein Symbol der Verbindung von Vergangenheit und Wasser, ein stilles Denkmal, das die Herkunft des Ortes erzählt.
Neben der Altstadt hat Unterstrand neuere Viertel, die sich im Süden an die Felder anschließen. Entlang der Straße „Am Feldrain“ entstanden einfache Wohnhäuser mit Gärten. Hier wohnen Familien, die in den Betrieben oder in Seestadt arbeiten. Ein Kindergarten und eine kleine Schule liegen in der Nähe der neuen Sporthalle, deren Dach aus transluzentem Kunststoff Tageslicht einlässt.
Die sozialen Treffpunkte der Stadt sind klar verteilt. Am Teichplatz liegt das Café „Am Kai“, in dem Konditorin Hanne Grumkopp Gebäck mit Leinölglasur anbietet. In der Altstadt sorgt die Buchhandlung „Gertruds Leselade“ für Kulturveranstaltungen, Lesungen und kleine Konzerte. Im Sommer wird auf der Promenade das „Teichfest“ gefeiert: Drei Tage lang erklingen Blasmusik, Lichter spiegeln sich im Wasser, und die Boote sind mit Zweigen geschmückt. Höhepunkt ist die „Nacht der Glocke“, wenn St. Gertrud um Mitternacht einmal läutet und Fackeln auf dem Wasser treiben.
Auch die Bildungseinrichtungen prägen das Stadtleben. Neben der Musikschule gibt es eine Berufsfachschule für Gewässerwirtschaft, die eng mit dem Pumpenhaus und dem Museum zusammenarbeitet. Schüler lernen dort den Umgang mit Wasserständen, Schleusen, Vegetation und Fischbeständen – ein Fachwissen, das aus der Geschichte der Teichregion erwachsen ist. Viele Absolventen arbeiten später bei den Teichämtern der umliegenden Gemeinden.

Wirtschaftlich ist Unterstrand ein Ort kleiner Betriebe. Neben den bereits genannten Werkstätten und der Fischverarbeitung gibt es die Molkerei „Teichmilch“ am Nordrand des Ortes, die Käse und Butter aus der Region verarbeitet. Sie beliefert das Gasthaus „Zum Schanzpfahl“, das am Rand des alten Grabens liegt. Hier serviert man eine kräftige Fischsuppe mit Roggenbrot und freitags gedämpfte Rüben mit Flachssamenöl.
Der Verkehr fließt ruhig durch die Stadt. Hauptstraße ist die Marktgasse, die am Rathaus beginnt und als Schleusenstraße in Richtung Süden zur Autobahn A4 führt. Diese verläuft südlich der Stadt und macht Unterstrand zu einem gut erreichbaren Ort. Die Radwege entlang des Teichkamms und durch die Felder sind beliebt, besonders im Frühjahr, wenn die Teiche von Wasservögeln bevölkert sind.
Die Stadt hat ihre Eigenheiten: Das Leben folgt den Rhythmen des Wassers. Im Frühjahr steigen die Pegel, im Sommer trocknen die Gräben, im Herbst riecht es nach Torf, und im Winter gefrieren die Ufer. Jeder dieser Zustände bringt eigene Arbeiten mit sich: Schleusen reinigen, Boote einwintern, Netze flicken, Eis prüfen. Diese Tätigkeiten bilden die inoffiziellen Jahreszeiten Unterstrands. Die Menschen sind geprägt von Pragmatismus und Zusammenhalt. Die Fischerzunft, die noch als Verein existiert, organisiert die jährliche Netzprüfung. Der Handwerksverein pflegt das Brauchtum des „Teichleuchtens“, bei dem im Herbst Lampen auf dem Wasser treiben. Die Schüler der Musikschule spielen dazu auf einer improvisierten Bühne aus zwei verbundenen Flößen.
Am Abend, wenn der Wind vom Wasser kommt und das Läuten der Glocke von St. Gertrud über die Dächer zieht, sitzen die Menschen auf den Pollern der Promenade. Kinder füttern Fische mit Brotkrumen, die Boote liegen im Dämmerlicht, und aus der Schankstube dringt das Klirren von Gläsern. Es ist dieser Gleichklang von Arbeit, Geschichte und Gewohnheit, der Unterstrand zu dem macht, was es ist – eine Stadt, die nicht versucht, größer zu erscheinen, als sie ist, und gerade dadurch ihre Form bewahrt.
Bahn:
Eilzüge: SeeLB86 10:25, 14:25, 18:25 nach Seestadt, 9:01, 13:01, 17:01, 21:01 nach Western
Regionalbahn: SeeLB86 stündlich 6:58 – 21:58 nach Seestadt, 6:25 – 21:25 nach Western, SeeLB87 6:38 – 21:38 nach Seestadt, 6:43 – 21:43 nach Grenzburg, SeeLB88 6:18 – 21:18 nach Seestadt, 7:03 – 21:03 nach Teichstedt
Ch.: A4 (W: Polis, O: Seestadt); B36 (NW: Altenfähr 16km, O: Seestadt 6km); B512 (SO: Rosengarten); SEE16 (W: Faultierwald)