Die Nebelgrat-Hütte liegt einsam am oberen Lauf des Kveldselv, einem kühlen, glasklaren Gebirgsbach, der sich tief ins Felsgestein des südlichen Sturminselgebirges gegraben hat. Auf 755 m Höhe, direkt an einem vorspringenden Felsabsatz, klammert sich die Hütte mit ihrer verwitterten Holzverkleidung an den Rand des Gratkamms. Von hier fällt der Blick nach Westen in das zerfurchte Tal des Kveldselv, das an klaren Tagen bis hinab nach Laguna und den drei kleinen Inseln Söderö, Kveldö und Smallö im Westmeer reicht. Die Lage ist windanfällig, und im Frühjahr liegen oft noch Schneereste unter den knorrigen Schwarzkiefern, die sich am Hang festhalten.

Erbaut wurde die Hütte im Jahr 1896 von drei Brüdern aus Pilza, die im Gebiet oberhalb des Kveldselv auf Wildziegenjagd gingen. Damals bestand das Gebäude nur aus einem fensterlosen Raum mit Feuerstelle, einem steinbeschwerten Schindeldach und einer groben Tür aus Treibholzbohlen. Im Laufe der Jahrzehnte wurde sie mehrfach erweitert – zunächst mit einem kleinen Vorraum zum Lagern von Holz, später mit einem Notlager für zwei weitere Schlafplätze unter dem Dachfirst. Noch heute trägt ein geschnitzter Balken über dem Kamin die Initialen der Erbauer: „A.B.G. 1896“. In Darso wird die Hütte bis heute meist einfach „die Grat“ genannt.

Die Hütte steht im Eigentum der Gemeinde Darso, wird jedoch informell durch eine Bergfreundschaft gepflegt, die sich aus Bewohnern von Fungus, Darso und gelegentlich auch aus Ruhdorf zusammensetzt. Wer sie nutzen möchte, trägt sich auf einer Liste ein, die im Gemeindeamt in Darso ausliegt, oder ruft bei Sverre Lindholm an, der als inoffizieller Hüttenwart gilt. In der Hütte gibt es keine Elektrizität, kein fließendes Wasser und keine Heizung außer einem kleinen Eisenofen, der mit mitgebrachtem oder in der Umgebung gesammeltem Holz befeuert wird. Eine alte Feldbettmatratze, ein Beil, zwei Töpfe und eine Laterne gehören zur Standardausstattung. Die Tür ist nicht verschlossen; wer sie nutzt, wird gebeten, etwas Holz dazulassen und den Ofenrost auszuleeren.

Der Zustieg erfolgt von der Straße aus, die von Ruhdorf nach Laguna führt, über einen nicht gut ausgeschilderten, aber oft begangenen Pfad, der sich am Felsen auf der rechten Talseite entlang alter Lawinenrinnen nach Westen zieht. Ab dem sogenannten „Zangenstein“ – einem auffälligen Felsklotz mit zwei Spalten – beginnt der eigentliche Aufstieg zur Hütte. Für erfahrene Wanderer ist der Weg in einer halben Stunde zu schaffen; bei Schnee oder Nebel jedoch verlängert sich der Aufstieg erheblich. Alternativ kann die Hütte auch von Westen her über einen Abzweig vom Gratweg, der zur Wetterstation führt, erreicht werden, allerdings ist diese Route deutlich anspruchsvoller und mit mehr Kletterei verbunden.

Die Nebelgrat-Hütte ist nicht bewirtschaftet, doch wird sie besonders im Spätsommer häufig von Bergsteigern und Geologen genutzt, die von hier aus Touren ins Hochland unternehmen – etwa zum Nördlichen Moorspalt oder zur Wetterwarte auf dem Hohen Zahn. In einem alten Gästebuch, das in einer Blechkiste unter der Bank aufbewahrt wird, haben sich Dutzende Besucher mit kleinen Skizzen, Gedichten oder einfachen Notizen verewigt. Der Eintrag von „Leiv & Hannelore (Sommer 2002)“ erwähnt, dass sie hier ihre Verlobung feierten und fast von einem Marder bestohlen wurden, der sich mit ihrem Brot davongemacht habe.

Auch wenn die Hütte keine offizielle Schutzfunktion besitzt, wird sie gelegentlich von der Bergrettung als Zwischenstation genutzt. So erinnert ein eingeritzter Schriftzug an der Innenseite der Tür an eine Suchaktion im Herbst 2017, als ein junger Mann aus Winoma zwei Nächte im Nebelgrat verbrachte, bevor er durch Nebelhornsignale gefunden wurde. Seither liegt ein kleiner Notvorrat mit getrockneten Beeren und Kerzen im Dachfach.

Die Nebelgrat-Hütte ist keine komfortable Herberge, sondern ein stiller, wettergezeichneter Rückzugsort für Menschen, die die Wildheit des Gebirges nicht nur sehen, sondern spüren wollen. Ihre Einfachheit, die klare Luft, das Tosen des Kveldselv tief unten – all das macht sie zu einem Ort, der nicht durch Service, sondern durch Beständigkeit beeindruckt.