
Pilza ist der nördlichste bewohnte Ort im Landkreis Sturminsel West und gehört zur Gemeinde Darso. Die kleine Siedlung liegt auf 368 m Höhe auf einer offenen, windgeprägten Hochebene, die sich nach Süden in sanften, flechtenbedeckten Hügeln verliert, nach Norden jedoch unvermittelt in die steile Schlucht des Skumringbekk abbricht. Hinter dieser Schlucht beginnt der Nationalpark Skyggeskog, dessen ausgedehnte Nebelwälder von Pilza aus zwar sichtbar, aber nicht erreichbar sind – weder Wege noch Brücken führen hinüber. Die Schlucht selbst gilt als unpassierbar; nur Wildziegen und gelegentlich ein Falke scheinen den Wechsel zwischen den beiden Welten zu meistern.
Mit 22 ständigen Bewohnern ist Pilza die kleinste dauerhaft besiedelte Ortschaft im gesamten Landkreis. Wie im nahegelegenen Fungus lebt man hier vom kontrollierten Anbau verschiedener Pilzarten sowie vom Fang und der Verarbeitung halbwilder Bergziegen. Die Pilzanlagen sind in Erdkuhlen, Grotten und selbstgebauten Tonhäusern untergebracht, oft windgeschützt hinter niedrigen Natursteinmauern. Typisch für Pilza ist der „Kappenstein“, eine dickfleischige Sorte mit gestreifter Haut, die besonders lange haltbar ist. Viele Erntevorgänge erfolgen nachts oder in den kühlen Stunden vor Sonnenaufgang, um die empfindlichen Sporenschichten nicht zu schädigen.
Der Ort besteht aus neun Häusern, deren Fassaden aus Lärchenholz mit dunklem Öl behandelt sind. Alle stehen locker verteilt entlang eines gestampften Weges, der durch flache Senken und über kleine Felsterrassen führt. In der Mitte des Ortes befindet sich eine einfache Trocknungshütte, in der auf luftigen Regalen Pilze, Ziegenfleischstreifen und Kräuter konserviert werden. Die Hütte ist frei zugänglich; ein Holzschild mit der Aufschrift „Kein Feuer – kein Besuch bei Wind“ erinnert an ein Unglück aus dem Jahr 1973, bei dem ein unachtsamer Wanderer ein ganzes Trockenjahr zerstörte.
Zwar gibt es in Pilza keine offiziellen Läden oder Gaststätten, doch Besucher, die den Weg hierher gefunden haben – meist aus Fungus kommend –, können auf einfache Unterkunft hoffen: Ein separates kleines Haus am Südrand, betrieben von der Familie Nordkaas, bietet eine Schlafpritsche, Ziege zum Melken und einen Kanister Wasser gegen eine Gabe Pilze oder Jagdleder. Bezahlt wird selten mit Geld – eher mit Brauchbarem oder Geschichten. Die Nordkaas’ halten ein Gästebuch bereit, in dem zwischen Anleitungen zur Flechttechnik auch Erzählungen von nächtlichen Geräuschen am Schluchtrand auftauchen. Manche deuten sie als Echo, andere als Tier, wieder andere als Mahnung.
Die Jagd auf Bergziegen erfolgt wie in Fungus zu Fuß, meist in Zweiergruppen. Der Zugang zu den felsigen Jagdgebieten nördlich und nordöstlich von Pilza ist schwierig und verlangt Geländekenntnis. Die Tiere, zäh, sprunggewandt und misstrauisch, werden nicht gehetzt, sondern über Tage hinweg beobachtet. Respekt vor dem Tier spielt in der Dorfgemeinschaft eine wichtige Rolle. Das Fleisch wird in Pilza fast ausschließlich getrocknet oder geräuchert, mit Kräutern versetzt und in geschnitzten Holzkästen gelagert.
Das Leben in Pilza ist geprägt von Ruhe, Selbstversorgung und dem Rhythmus der Jahreszeiten. Kein Mobilfunk, keine asphaltierte Zufahrtsstraße – lediglich der Verbindungsweg von Fungus aus, über zwei Hochebenen hinweg, führt zum Ort. Wer den Weg im Nebel verpasst, kommt leicht ins Geröll oder in einen der seitlichen Risse der Skumringkante. Der letzte Briefkasten wurde 2016 entfernt, seither wird Post mitgegeben, wenn jemand nach Fungus oder Darso hinuntersteigt.
Pilza bewahrt sich selbst – mit seinen dichten Pilzfeldern, den scharfkantigen Ziegenpfaden und dem Abgrund, der den Blick freigibt, aber keinen Weg. Ein stiller Ort, abgeschlossen, aber nicht vergessen, hoch gelegen am Rand des Sichtbaren.