Der Nationalpark Skyggeskog erstreckt sich über weite Teile des nördlichen Landkreises Sturminsel West und nimmt beinahe die Hälfte des ohnehin dünn besiedelten Gebietes ein. Er gehört zum Gebiet der Gemeinde Darso, auf der westlichen Hälfte der Sturminsel, eingerahmt von den rauen Steilküsten im Westen, der Schlucht von Skumringbekk im Süden und dem Gebirgskamm des Sturminselgebirges im Osten. Die gesamte Region ist geprägt von steilen Hängen, undurchdringlichem Schwarzbirkenwald, weiten Nebelbrüchen, versteckten Kalkhängen, Schluchten und moorigen Höhenzügen – ein Gelände, das ohne Ortskenntnis kaum durchquert werden kann. Mit seiner Nord-Süd-Ausdehnung von über 35 Kilometern, einer Breite von bis zu zehn Kilometern und Höhenlagen zwischen 300 und 1.300 m ist der Skyggeskog eine der wildesten Regionen ganz Sturmlands.

Sein Name bedeutet übersetzt etwa „Schattiger Wald“ – ein treffender Begriff für diese dunklen, geheimnisvollen Forste, in denen das Licht selbst an klaren Tagen gedämpft wirkt. Nebelbänke verharren in Senken, Wurzeln überwuchern alte Tierpfade, und immer wieder stößt man auf Baumruinen, vermooste Blockhalden oder feuchte Lichtungen, auf denen seltene Farne und Pilze gedeihen. Wanderwege gibt es nicht. Wer den Skyggeskog betritt, tut das mit Karte, Kompass und Erfahrung – und meist in Begleitung.

Zugang zum Nationalpark erhält man nur kontrolliert und ausschließlich im Rahmen geführter Expeditionen, die von der Nationalparkverwaltung im Ort Darso aus organisiert werden. In einem flachen Holzbau am westlichen Dorfrand arbeiten sieben festangestellte Rangerinnen und Ranger, unterstützt von ausgebildeten Wildnisführerinnen, Freiwilligen und gelegentlichen Forschergruppen. Von hier aus werden Touren koordiniert, Schutzmaßnahmen abgestimmt und Projekte betreut – etwa zur Kartierung der Schlammfalterpopulation im Hochmoorgebiet bei Fungus oder zur Zählung der seltenen Eulenkrähen, die tief im Skyggeskog brüten.

Jede Expedition in den Park wird sorgfältig vorbereitet. Die Gruppen sind klein – meist nicht mehr als vier Personen pro Führer –, die Ausrüstung streng geregelt. Zelte, Kocher, Seile, Kompasse, Wasserfilter, Karten – all das gehört zur Standardausstattung. Die Touren dauern mehrere Tage, oft bis zu einer Woche, und führen tief ins unzugängliche Herz des Waldes. Teilnehmer lernen, wie man Wasser aus Bachläufen gewinnt, Spuren liest, Pflanzen bestimmt und ohne Spuren zu hinterlassen im Gelände übernachtet. Die Regel „Lass nichts zurück, nimm nichts mit“ wird strikt überwacht. Verstöße können zum Ausschluss von weiteren Touren führen.

Tief im Inneren des Skyggeskog liegen Orte, die selbst vielen Bewohnern des Landkreises nur aus Erzählungen bekannt sind. Einer davon ist der Wasserfall von Skogsdjupa, verborgen in einer engen, nebelverhangenen Schlucht, in die sich der gleichnamige Bach über eine steile Felskante mehr als 60 Meter hinabstürzt. Die Wände sind mit uraltem Moos bedeckt, das selbst bei Trockenheit feucht bleibt. Der Zugang erfolgt über einen kaum markierten, rutschigen Hangweg, der nur mit Sicherung betreten werden sollte. Legenden berichten von geisterhaften Gestalten, die im Nebel des Wasserfalls erscheinen – eine Geschichte, die von Führerinnen wie Merle Sova mit einem Lächeln erzählt wird, ehe sie zum nächsten Aufstieg ansetzt.

Ein anderer, nicht minder rätselhafter Ort ist der Steinkreis von Kvernstrøm, eine einsam gelegene Kultstätte aus zwölf massiven Steinblöcken, die auf einer von Bäumen freigehaltenen Lichtung im zentralen Skyggeskog stehen. Ihre Anordnung wirkt mathematisch – doch keine bekannte Struktur lässt sich darauf anwenden. Alte Chroniken aus Antlas erwähnen Kvernstrøm als Versammlungsort „zwischen Nebel und Wurzelzeit“, ohne konkreter zu werden. In den 1980er Jahren fanden hier heimlich durchgeführte Rituale statt, weshalb die Stelle heute nicht mehr öffentlich beworben wird. Führerinnen entscheiden individuell, ob sie vertrauenswürdige Gruppen dorthin führen – und oft schweigen sie über den genauen Ort.

Die Nationalparkverwaltung in Darso ist auch Anlaufstelle für Fragen und Anliegen der Bevölkerung. Einmal pro Woche findet dort eine Sprechstunde statt, in der Berichte über Tiersichtungen, beschädigte Wegweiser oder Interessenskonflikte – etwa mit Ziegenherden am Randgebiet – aufgenommen werden. Ein Höhepunkt im Jahreslauf ist die sogenannte Lichtnacht, ein sternkundlich begleiteter Nachtspaziergang durch die Heide am westlichen Rand des Skyggeskog. Hier, wo keine Lichtverschmutzung stört, sind Sternbilder, Planeten und der Verlauf der Milchstraße mit bloßem Auge zu erkennen. Ranger zeigen dabei, wie man sich anhand der Sterne im Gelände orientieren kann – eine Fähigkeit, die tief im Skyggeskog an Bedeutung gewinnt.

Der Skyggeskog ist kein Ort für Gelegenheitswanderer oder touristisches Vorbeischauen. Wer ihn betreten will, braucht Zeit, Vorbereitung und Respekt – vor der Natur, vor dem Gelände, vor den Kräften, die hier wirken. Doch wer zurückkehrt, trägt Eindrücke mit sich, die sich kaum beschreiben lassen: der Geruch von feuchtem Holz, das Rascheln von Bäumen ohne Wind, der Blick in eine Schlucht, aus der der Nebel aufsteigt wie eine Erinnerung. Manche berichten von Tiersichtungen – Schatten von Hirschen mit ungewöhnlichem Geweih, lautlosen Vögeln, die wie Flecken im Licht verschwinden. Andere erzählen von Momenten, in denen der Wald vollkommen still war.

Und so bleibt der Skyggeskog, was er ist: eine der letzten großen Wildnisse in Landauri – schwer zugänglich, selten betreten, tief verwurzelt in Geschichte und Legende.