Strähnbach

Strähnbach (Landkreis Mähnendorf – Bierland)

(Pop.: 471 – 24m NN)

Strähnbach ist ein Dorf in der südlichen Zentoebene, im Landkreis Mähnendorf gelegen, mit 471 Einwohnern und einer Höhenlage von 24 Metern über dem Meeresspiegel. Es liegt eingebettet zwischen Niederodewitz im Norden und Mähnendorf im Süden, verbunden durch die Landesstraße BL1. Das Dorf verdankt seinen Namen dem Strähnbach, einem flachen, klaren Bachlauf, der aus dem Odwald entspringt und mitten durch den Ort fließt. Sein steiniges Bett und das niedrige Gefälle machen ihn in den Sommermonaten zu einem beliebten Spiel- und Aufenthaltsort. Besonders die Kinder des Dorfes nutzen den Bach: Jedes Frühjahr bauen sie mit Steinen, Brettern und Sandsäcken ein kleines Becken auf, das sich innerhalb weniger Tage füllt und über Wochen als improvisiertes Freibad dient. Aus alten Traktorreifen entstehen Schwimminseln, und am Ufer stehen klapprige Gartenstühle, die jedes Jahr neu herangeschafft werden. Das Wasser bleibt zwar kalt, aber in der Zentoebene gilt ein Bad im Strähnbach als willkommene Abkühlung – und als inoffizielles Zeichen dafür, dass der Sommer begonnen hat.

Das Dorf selbst besteht aus zwei locker bebauten Straßenzügen, die sich entlang der BL1 und des Bachlaufes ziehen. Die Häuser sind teils noch aus dem 18. Jahrhundert, mit Wirtschaftsgebäuden aus Bruchstein, einige in Mischbauweise aus Holz und Lehmziegeln. Auf der kleinen Anhöhe am östlichen Dorfrand steht die evangelische Kirche St. Fridebert, ein schlichter Saalbau mit niedrigem Glockenturm und flacher Decke. Sie stammt vermutlich aus dem frühen 18. Jahrhundert. Der Altar ist eine nachgebaute Feldsteinplatte mit geschnitztem Holzkreuz, und im Inneren finden sich einfache Bänke sowie ein Harmonium, das gelegentlich vom Lehrer der Grundschule bespielt wird. Die Gemeinde ist klein, aber lebendig: Besonders zu den Taufen und dem Erntedankgottesdienst ist die Kirche gut besucht. Auf dem angrenzenden Friedhof fällt ein einzelnes Grab auf, das mit Hopfenranken bepflanzt ist – es gehört dem Braumeister Franz Noll, dem ersten Spender des Dorfmuseums.

Ein besonderes Element in Strähnbach ist der sogenannte Steinplatz – ein Ensemble von fünf großen, kantigen Felsblöcken, die auf einer Wiese südlich des Dorfkerns stehen. Die Blöcke sind bis zu zwei Meter hoch und bestehen aus dunklem Gneis, der in dieser Region sonst nicht vorkommt. Man vermutet, dass sie vor Jahrhunderten aus dem Zentralmassiv herbeigeschafft wurden. Der genaue Ursprung und Zweck der Anordnung ist unklar, doch der Heimatverein hat hier eine Informations- und Deutungstafel aufgestellt, die von verschiedenen Theorien berichtet: von einer prähistorischen Kalenderanlage über einen Kultplatz bis hin zu einem Zeremonienort für sogenannte Hopfenpriester. Letztere sollen, glaubt man den Überlieferungen, in vorchristlicher Zeit bei Sonnenuntergang Rituale vollzogen haben, bei denen Hopfenkränze und Gerstenhalme verbrannt wurden. Tatsächlich werfen die fünf Steine bei Sonnenuntergang an bestimmten Tagen des Jahres – besonders zur Sommersonnenwende – exakt überlappende Schatten. Zu diesen Gelegenheiten versammelt sich oft eine kleine Gruppe Neugieriger, teils auch mit Fernglas oder Fotostativ, während Mitglieder des Heimatvereins Hopfenlimonade und belegte Treberbrote reichen. Der Platz ist nicht eingezäunt und wird auch gern als Rastpunkt für Spaziergänger und Radfahrer genutzt. Einmal im Jahr organisiert der Verein hier das „Schattenfest“, bei dem Musik, Lichterketten und ein improvisiertes Theaterstück aufgeführt werden – zuletzt die Posse „Der Braukessel des Mönchs Gauderich“.

Einen besonders wichtigen Ort für Strähnbach stellt das Museum für bäuerliche Brautechnik dar, das im ehemaligen Stallgebäude der Familie Noll eingerichtet wurde. Es wurde 2009 eröffnet und zeigt eine umfangreiche Sammlung an Geräten, die in der ländlichen Bierherstellung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts verwendet wurden. Zu sehen sind hölzerne Gärbottiche, Hand-Schrotmühlen, Malzschaufeln, alte Kühlwannen mit verzinktem Boden, Eimer mit Maßangaben und zahlreiche Spezialwerkzeuge: etwa Hopfenzupfer, Läuterbleche und Stampfpaddel. Im Eingangsbereich hängt ein Kalender aus dem Jahr 1937, der das Sprichwort trägt: „Ein Tag ohne Schaum ist ein verlorener Tag.“ Die Führungen durch das Museum übernimmt Karl-Robert Glein, ein ehemaliger Braumeister aus Mähnendorf, der mit leicht heiserer Stimme jeden Besucher mit der Frage begrüßt: „Na, wissen Sie den Unterschied zwischen obergärig und untergärig?“ – eine Frage, die er selbst gern in einem zehnminütigen Exkurs beantwortet, begleitet von Gesten, kleinen Anekdoten und dem unvermeidlichen Hinweis auf die richtige Temperaturführung.

Das Leben in Strähnbach ist ruhig, aber nicht eintönig. Neben Landwirtschaft und dem Museum prägen kleinere Handwerksbetriebe den Ort: ein Schmied, ein Zimmermann, eine Imkerei mit Verkaufsstand. Es gibt eine Dorfbäckerei, die dreimal pro Woche öffnet, ein kleines Feuerwehrhaus und eine offene Werkhalle, in der der örtliche Tüftler Friedrich Sandholz regelmäßig an alten Traktoren schraubt – oft beobachtet von neugierigen Kindern, die auf dem Bordstein sitzen. Im Gemeindehaus am Kirchweg finden Lesekreise, Tanzabende und Sitzungen des Hopfenvereins statt, dessen Vorsitzender gleichzeitig der Bürgermeister ist. Die Dorfgemeinschaft organisiert gemeinschaftliche Arbeiten, etwa das Reinigen des Bachbetts oder das Ausbessern der Wege zum Steinplatz.

Strähnbach ist ein Ort mit vielen Schichten: sichtbar in den Steinen, hörbar im Museum, lebendig im Bachlauf. Wer hier unterwegs ist, erlebt nicht nur Landschaft, sondern ein feines Geflecht aus Geschichte, Alltag, Handwerk und Symbolik. Im Schatten der Felsblöcke, im Klang der Gärbottiche und im Ruf des Braumeisters zeigt sich ein Dorf, das seine Eigenheiten bewahrt – und sie gerne teilt.

Ch.: BL1 (N: Niederodewitz, S: Mähnendorf), BL2 (W: Großschirma, O: Pechtal)