Der Hopfensteg bei Schandau ist weit mehr als ein einfacher Bohlenweg durch ein Anbaugebiet – er ist ein begehbares Lehrstück ländlicher Kulturgeschichte, ein Ort saisonaler Rhythmen und ein selten stiller Abschnitt inmitten des meist belebten Küstenvorlands. Rund einen Kilometer nördlich des Dorfkerns beginnt der Steg an einem schmalen Feldweg, wo das Kornland abrupt endet und die Hopfenstangen sich in langen, schnurgeraden Reihen gen Himmel recken. Schon auf den ersten Metern ändert sich das Licht: Gefiltert durch das satte Grün der Rankwände liegt über dem Weg ein gleichmäßiger Schatten, durchbrochen von Sonnenflecken, Vogelrufen und dem leisen Knarren der Holzbalken unter den Füßen.

Der 260 Meter lange Weg wurde Anfang der 1990er Jahre von der Agrargenossenschaft Mähnendorf gemeinsam mit dem Landwirtschaftsverein Schandau angelegt – ursprünglich als Zugang für Schulklassen und Wandergruppen, mittlerweile aber längst zu einem beliebten Ziel für Besucher, Radfahrer und Gäste des nahegelegenen Sanatoriums geworden. Der Steg durchquert ein Teilstück der historischen Hopfenlage „Schandauer Feldmark Süd“, die bereits auf Karten aus dem 18. Jahrhundert verzeichnet ist. Hier wird noch heute die Sorte „Schandauer Goldrebe“ angebaut, eine robuste, würzige Variante mit feinem Aroma, die in vielen lokalen Brauereien Verwendung findet.

Alle 20 bis 30 Meter unterbrechen wetterfeste, schräg gestellte Informationstafeln den Weg. Sie erklären in kurzen Texten – ergänzt durch historische Abbildungen und Werkfotos – wie der Hopfen im Frühjahr getrieben, im Mai an Drähte gebunden, im Sommer gepflegt und ab Mitte August in Etappen geerntet wird. Auch die Herausforderungen kommen nicht zu kurz: Windbruch, Mehltau, Schädlinge und zu feuchte Böden. Eine Tafel widmet sich speziell der Arbeit der Hopfenbinderinnen in den 1950er Jahren; eine andere zeigt, wie aus den Dolden getrocknete Pellets entstehen, die schließlich in den Sudhäusern der Region landen.

Ein besonderer Abschnitt des Stegs ist die sogenannte „Schleifenbucht“, ein leicht nach Osten geschwungener Bogen, an dem sich der Weg für ein gutes Dutzend Meter verbreitert. Hier wurden zwei massive Holzsitzgruppen mit Rückenlehne aufgestellt, dazwischen eine kleine Kräuterinsel mit Hopfen, Kamille und Minze. Der Blick geht über die sich gleichmäßig wölbenden Reihen bis hin zum Rand des Küstenwalds, dahinter das ferne Glitzern des Mare Internum. Viele Besucher verweilen hier, führen Gespräche, schreiben ins mitgebrachte Notizbuch oder lauschen einfach dem sanften Rauschen der Blätter im Wind.

Von besonderem Interesse ist das Selbstpflückfeld, das jedes Jahr ab Mitte August freigegeben wird. An den dafür vorgesehenen Stellen sind die Stangen mit einem blauen Band markiert, und Schilder weisen freundlich, aber bestimmt darauf hin, dass die Dolden nur mit Handschuhen geerntet werden dürfen – das feine Harz der Hopfenzapfen kann bei direktem Hautkontakt allergische Reaktionen hervorrufen. Am Eingang des Stegs steht ein schlichter Kasten mit Spenderhandschuhen, Leinenbeuteln und einem Hinweis: „Ein Taler für zwei Hände – danke für den Respekt vor der Pflanze.“

Einmal im Jahr, meist am zweiten Samstag im August, findet die Ernteeröffnung statt – ein kleines Fest, das längst zum festen Bestandteil des Dorfkalenders gehört. Der Landwirt Tjark Böhm, der die Pflege der Anlage verantwortet, führt dann persönlich durch die Reihen, erklärt das Klettern der Pflanzen, die Unterschiede zwischen Bitter- und Aromahopfen und erzählt von ungewöhnlichen Jahren, in denen der Hopfen besonders früh oder besonders spät reifte. Begleitet wird der Rundgang vom Bläsertrio Schandau, das traditionelle Melodien spielt, während aus einer mobilen Backstation frische Malzfladen mit Zwiebelgrün verteilt werden. Für Kinder gibt es einen Riechparcours und kleine Tontäfelchen mit Hopfenprägung zum Mitnehmen.

Auch im Herbst und Winter ist der Hopfensteg zugänglich, dann allerdings verändert sich seine Atmosphäre grundlegend. Die Ranken sind entfernt, die Gerüste stehen leer und erinnern mit ihrer stillen, linearen Struktur an eine abwesende Ernte. Besonders bei Nebel oder leichtem Frost wirkt der Weg wie eine aufgeräumte Bühne nach einem Fest. Dennoch kommen regelmäßig Spaziergänger, Fotografen und gelegentlich auch einzelne Schulgruppen, die hier Messungen oder Naturbeobachtungen durchführen.

Im Frühling dagegen – sobald die ersten zarten Triebe den Boden durchbrechen – beginnt ein neues Kapitel. Freiwillige aus dem Dorf helfen beim Binden der Ranken, viele davon Rentnerinnen und Rentner, die den Weg nutzen, um in Bewegung zu bleiben. An einem kleinen Schild am nördlichen Ausgang des Stegs steht in geschnitzter Schrift:

„Was wächst, verlangt Geduld. Was reift, verlangt Dank. Was bleibt, wächst weiter.“

Der Hopfensteg ist ein Ort, an dem Natur und Nutzung eng ineinandergreifen, an dem Landwirtschaft nicht versteckt, sondern erklärt und geöffnet wird. Er steht exemplarisch für das Miteinander von Boden, Wissen und Gemeinschaft im südlichen Bierland – und wer ihn einmal im Spätsommer betreten hat, wenn die Hopfenreben hoch über den Kopf reichen und der Wind den Duft von Harz und Erde trägt, wird ihn so schnell nicht vergessen.