(Pop.: 352 – 1m NN)

Stadtbad – Kurort am Meer und an der Grube

Stadtbad ist mit seinen 352 Einwohnern der kleinste der drei Küstenorte im Landkreis Mähnendorf, doch in mancher Hinsicht ist es auch der eigenwilligste. Direkt an der Bucht des Mare Internum gelegen und nur sieben Kilometer westlich des Bieronaer Stadtteils Southend entfernt, verbindet das Dorf den traditionellen Charme eines Kurorts mit Elementen des Badestrandlebens, die beinahe mediterran anmuten. Das Ortszentrum besteht aus einer einzigen Straße – der Dünenstraße –, die sich parallel zum Strand zieht und in der alle wichtigen Einrichtungen des Ortes konzentriert sind: Hotels, Kirche, Kurhaus, Gaststätten und die kleine Nachtbar „Nachtblick“.

Hinter der Dünenstraße beginnt der Küstenwald, davor breitet sich der breite Sandstrand aus, an dessen südlichem Ende sich der FKK-Bereich anschließt. Der Strand fällt flach ins Wasser ab und wird von einem kombinierten Schwimm- und Bootssteg durchzogen, der zugleich Anleger für das traditionsreiche Ausflugsschiff Bries ist. Die Bries, seit 1932 im Dienst, verbindet Stadtbad täglich mit Schandau, Straßenstrand und Bierona Strand. Wer morgens an den Anleger tritt, begegnet nicht selten einer kleinen, festen Gruppe: Pendler mit Jackenklipp – ein Monatsabzeichen aus Metall –, darunter Installateure, Physiotherapeutinnen und Saisonpersonal, das in Bierona lebt. Viele tragen ein belegtes Brötchen in der Hand und steigen ein, ohne aufzublicken. Für sie ist die Überfahrt Arbeitsweg – mit Meeresblick.

Strand in Stadtbad

Das Naturfreibad: Salz trifft Süß

Einzigartig im gesamten Landkreis ist das Naturfreibad von Stadtbad. Es liegt nur fünfzig Meter vom Meer entfernt, auf einem sandig-torfigen Gelände, das früher eine Tongrube war. 1951 wurde sie stillgelegt, später als „Baggersee“ bezeichnet und ab 1963 zum offiziellen Freibad erklärt. Heute ist das Gelände umzäunt, mit zwei kleinen Stegen, einem Sprungbrett, drei Umkleidekabinen und einem Kiosk versehen. Dieser Kiosk, mit dem eigenwilligen Namen Zum letzten Rettungsring, wird seit über vierzig Jahren von Waltraud Fromme geführt. Frau Fromme, mittlerweile 83, ist eine Institution in Stadtbad. Ihre scharfe Stimme, mit der sie bei aufziehenden Gewittern alle Gäste vom Gelände jagt („Wer nicht rausgeht, wird rausgeschwemmt!“), ist legendär – und jedes Jahr finden sich neue Pressefotos, auf denen sie mit erhobenem Regenschirm über die Wiese stapft.

Der Kontrast zwischen Meer- und Süßwasser ist für viele Kurgäste der besondere Reiz. Manche beginnen mit einem kurzen Bad in der Tongrube, um dann zum „Salzwasserfinale“ ins Mare Internum zu gehen. Besonders morgens, wenn das Licht schräg über die Gräser fällt, liegt über dem Grubenwasser ein feiner Dunst.

Hotels, Kurhaus, Kirche

Entlang der Dünenstraße reihen sich die wenigen Unterkünfte des Ortes wie auf einer Perlenschnur: Das Hotel Haus Seeseite, ein zweistöckiger Putzbau mit blauen Fensterläden, bietet klassische Kurzimmer mit Balkon. Im Innenhof befindet sich ein Kneippbecken, das jedoch nur nach Anmeldung genutzt werden kann. Direkt daneben liegt das kleinere, privat geführte Hotel Dünenruhe, das für seine geräucherten Makrelenbrötchen zum Frühstück bekannt ist. Beide Hotels arbeiten eng mit dem Kurhaus Stadtbad zusammen, einer Einrichtung mit Massageräumen, Inhalationsstation und einem kleinen Glaspavillon, in dem regelmäßig Teeseminare und Wassergymnastikkurse stattfinden.

Zwischen den beiden Hotels steht die kleine Kirche St. Idda, ein schlichter Bau mit Holzschindeldach und einem frei stehenden Glockenstuhl. Die Gemeinde besteht aus kaum mehr als zwei Dutzend aktiven Mitgliedern, doch im Sommer wird der Kirchraum auch für Konzerte genutzt – etwa vom Mähnendorfer Blockflötenquartett, das hier traditionell sein Augustprogramm spielt.

Gaststätten und Nachtbar

An der westlichen Ecke der Dünenstraße liegt das Gasthaus Abendflut, das vor allem für seine Eintöpfe und Fischsuppen bekannt ist. Der Wirt, Jörn Leck, serviert abends oft spontan eine Auswahl offener Biere – darunter das berühmte „Dunkler Halm“ aus der Gelling-Brauerei in Möhra und im Herbst das rauchige Roggenbier der Brauerei Talstein aus Pechtal. Die Nachbarin, die Badegaststube Liekut, bietet dagegen bodenständigere Gerichte wie Bratkartoffeln mit Spiegelei, Matjes oder Gurkenquark – alles auf Holztellern und mit Ausblick auf das Watt.

Etwas versteckt, in einem umgebauten Fischerschuppen mit dunkler Holzfassade, liegt der Nachtclub Nachtblick, der – entgegen seiner Größe – einen festen Platz im Nachtleben des Küstenstreifens einnimmt. Drinnen stehen ein Billardtisch, eine kurze Bar und vier tiefe Sofas. Freitags legt ein DJ aus Bierona auf, und im Juli ist der Eintritt meist nur mit Vorreservierung möglich. Der Club öffnet um 21 Uhr, schließt aber spätestens um 1 Uhr – eine Konzession an die lärmempfindlichen Hotelgäste nebenan.

Der FKK-Strand und das Badeleben

Südlich des Hauptstrands, getrennt durch eine niedrige Dünenkuppe und eine Reihe Erlensträucher, beginnt der FKK-Strand. Er wird seit 1976 offiziell als solcher geführt und hat eine lange Tradition. Besucherinnen und Besucher schätzen die Ruhe, das flache Wasser und das familiäre Klima. Am Rand befindet sich ein Holzregal, in dem gelegentlich Bücher und Zeitschriften liegen – ein kleines, nicht organisiertes Strandaustauschregal, das bei Sonne erstaunlich gut frequentiert ist.

Das allgemeine Badeleben in Stadtbad beginnt meist gegen zehn Uhr morgens, wenn die ersten Familien mit Handtüchern, Strandzelten und aufklappbaren Stühlen einziehen. Mittags kommen die Gäste der Bries hinzu, und abends, gegen sechs, leert sich der Strand zusehends. Nur die Stammgäste des FKK-Strandes bleiben oft bis in die Dämmerung.

Zusammenleben in Stadtbad

Stadtbad hat kein Schulhaus mehr – die wenigen Kinder des Ortes besuchen eine Schule in Bierona. Das Gemeindehaus, ein flacher Holzbau hinter der Kirche, wird für Lesekreise, Yogakurse und Abstimmungsabende genutzt. Die Dorfjugend organisiert zweimal im Jahr ein Beachvolleyballturnier, das mit einem Grillabend endet.

Ein besonderes Kuriosum sind die handgeschriebenen „Brettnachrichten“ an der Infotafel vor dem Naturfreibad. Dort hängt Waltraud Fromme regelmäßig aktuelle Hinweise aus: über verlorene Sonnenbrillen, gesichtete Quallen oder gesperrte Stege. Im Sommer ist das Brett täglich aktualisiert – in kursiver Handschrift und mit rotem Filzstift.

Wirtschaftliche Verflechtungen

Stadtbad ist kein Ort mit eigener Industrie, doch seine wirtschaftlichen Beziehungen in den Landkreis sind vielfältig. Die Gelling-Brauerei in Möhra zählt Stadtbad zu ihren Hauptabnehmern, vor allem für das dunkle Exportbier „Dunkler Halm“. Im Herbst wechseln viele Lokale zum herberen Pechtaler Rauchroggen, das in Stadtbad gern zu geräuchertem Hering oder Rote-Bete-Salat gereicht wird.

Zugleich ist Stadtbad durch die Schiffsverbindung der Bries eng in die Küstenstruktur eingebunden. Dass Pendler, Touristen, Schulkinder und Bierlieferanten dieselbe Anlegestelle nutzen, ist sinnbildlich für die Gleichzeitigkeit von Alltag und Sommerbetrieb in diesem kleinen, gut abgestimmten Ort.

Ch.: B4 (W: Schandau 12,5km, O: Bierona 6km); BL5 (N: Stadtnähe)