Im Zentrum von Ruppin, nur wenige Schritte vom Zento-Ufer entfernt, befindet sich das „Museum der Zento-Schiffer“, ein ungewöhnliches Haus, das die enge Verbindung von Flusshandel, Braukultur und regionaler Schifffahrt auf eindrucksvolle Weise dokumentiert. Untergebracht in den dicken Mauern der ehemaligen Garnisonsbrauerei – einem langgestreckten Backsteingebäude mit steilem Satteldach, kleinen Fenstern und einem erhaltenen Sudhaus aus dem 18. Jahrhundert – wurde das Museum 1997 eröffnet. Der Umbau erfolgte mit viel Respekt vor der ursprünglichen Nutzung: alte Kupferrohre, eingelassene Bodenrinnen und Reste der Braumalzböden blieben erhalten und wurden in das Ausstellungskonzept integriert.

Zentrales Ausstellungsstück ist der originalgetreue Nachbau des Lastkahns „Anje & Krumm“, der fast die gesamte Länge der ehemaligen Brauhalle einnimmt. Der Kahn, rund zwölf Meter lang und aus grobem Eichenholz gefertigt, wurde anhand alter Pläne aus dem Stadtarchiv rekonstruiert. Er erinnert an das gleichnamige Schifferpaar Anje Molers und Krumm Tanno, die im 19. Jahrhundert den Zento zwischen Zentravia und Bierona befuhren – aus Prinzip in entgegengesetzter Blickrichtung, um sich während langer Fahrten nicht in die Quere zu kommen. Diese kuriose Gewohnheit wurde zur Legende: Krumm stand stets am Bug, mit Blick flussaufwärts, Anje am Heck, mit Blick flussabwärts, auf der Rückfahrt wechselten sie die Plätze. Laut Museumsüberlieferung redeten sie auf dem Wasser kein Wort miteinander, verstanden sich aber blind. Der Nachbau zeigt ihre enge Kajüte, das winzige Kochfeuer und ein Mini-Bierlager mit vier Fässern, die mit einem eingebauten Schaukelmechanismus versehen sind, um die wellenbedingte Bewegung zu simulieren. Über einen hölzernen Steg können Besucher an Bord gehen, sich unter Deck ducken, die Karte „Zento – Verlauf und Untiefen“ betrachten oder die geschnitzten Initialen des Paares in der Wand entdecken.

In einem angrenzenden Raum widmet sich die Ausstellung der Geschichte der Treidelschifffahrt, also dem Ziehen von Lastkähnen mit Pferdekraft entlang der Uferpfade. Gezeigt werden Halfter, Joche, Knotenwerkzeuge und das sogenannte „Zentoseil“, ein dreilitziger Hanfstrang mit Eisenring, der zur Lenkung schwerer Boote diente. Eine Wandtafel erklärt den Wechsel von Mensch- und Tierzug bis zur Einführung motorisierter Schubkähne Anfang des 20. Jahrhunderts. Unter den Ausstellungsstücken sticht der große Flussschifferkrug hervor, aus Zinn gefertigt, mit Gravuren von Bierona, Zentodorf und Ruppin – er wurde zur Aufnahme in die „Freie Gilde der Zento-Schiffer“ überreicht und befindet sich als Dauerleihgabe im Museum.

Ein besonderes Highlight sind die sogenannten „Strömungskarten“: handgezeichnete Darstellungen des Flussverlaufs mit Angaben zu Wassertiefe, Strömungsgeschwindigkeit, Untiefen, Braustellen am Ufer und empfohlenen Trinkpausen für Mensch und Pferd. Einige dieser Karten stammen von der Familie Gronick, deren Mitglieder seit fünf Generationen den Zento befahren. Eine interaktive Station erlaubt es Besucherinnen und Besuchern, selbst eine virtuelle Flussfahrt zu unternehmen: Wer sich an das Ruder setzt, muss mit Handkurbeln und Rudertausch durch verschiedene Abschnitte des Flusses navigieren, unter anderem durch die gefürchtete „Schrägwelle von Fährstedt“ oder das „Doppelwehr von Zentro“.

Neben der ständigen Ausstellung finden regelmäßig Sonderveranstaltungen statt: Lesungen aus Schiffstagebüchern, Bierverkostungen auf dem Museumskahn, Seminare zur Flussholzbearbeitung oder Vorführungen traditioneller Knoten- und Anlegemanöver. Schulklassen erhalten eigene Führungen mit dem Titel „Wasser, Wind und Würze“, in denen sie kleine Treidelboote basteln, Seemannslieder singen und Bieretiketten gestalten dürfen – allerdings alkoholfrei.

Im oberen Stockwerk des Museums befindet sich das Archiv der Schiffergilde, in dem alte Eintragungstafeln, Lizenzurkunden, Wetterberichte und ein nachgebautes Zento-Radio aus der Zeit um 1930 besichtigt werden können. Die Bibliothek des Hauses umfasst neben nautischen Handbüchern auch eine Sammlung regionaler Brauanleitungen, die an Bord genutzt wurden, um unterwegs kleine Biersude herzustellen – ein fast vergessenes Handwerk, das unter dem Titel „Flussbier“ derzeit wieder erforscht wird.

Museumsschänke Zum Querhafen

Die Museumsschänke im Hof, „Zum Querhafen“, serviert Spezialitäten wie „Treidelbrot“, „Anjes Humpensuppe“ und das eigens für das Haus von der Brauer-Union Ruppin gebraute „Krummbier“, ein rötliches Ale mit leichtem Hopfenprofil. Die Sitzgelegenheiten bestehen aus alten Schiffsplanken, und wer Glück hat, kann dort bei gutem Wetter den ehemaligen Schiffskundler Jonal Kretz treffen, der aus dem Gedächtnis die Strömungsverhältnisse bei Zentodorf rückwärts aufsagen kann.

Das Museum der Zento-Schiffer ist weit mehr als eine kulturhistorische Einrichtung – es ist ein lebendiges Zeugnis jener Region, in der Wasserstraße, Bierkultur und handwerkliche Praxis untrennbar miteinander verwoben sind.