
(Pop.: 147 – 59m NN)
Wippenow ist mit nur 147 Einwohnern eines der kleinsten Dörfer im Landkreis Ruppin, liegt jedoch auf eindrucksvolle Weise an einer historischen Schnittstelle zwischen dem Bierland und dem benachbarten Buthanien. Auf 59 Metern über dem Meeresspiegel, in einer sanften Erhebung in der westlichen Zentoebene, thront der Ort über Feldern, die im Spätsommer vom Gerstengelb flimmern. Obwohl abgelegen, ist Wippenow nicht vergessen – im Gegenteil: Wer den „Bierweg West“ geht, kommt zwangsläufig hier vorbei und verweilt oft länger als geplant, nicht zuletzt wegen des ungewöhnlichen Mühlenensembles und des sagenumwobenen „Wippenower Fassflimmer“. Die Dorfstruktur ist locker, fast unregelmäßig – kein klassisches Straßendorf, sondern eine Ansammlung von Höfen, Gärten und Gebäuden, die sich um einen leicht erhöhten zentralen Platz gruppieren, auf dem sich drei historische Bauwerke wie zufällig versammelt haben: die alte Dreifach-Mühle mit Windrad, das Brauhaus von Wippenow und die winzige Kapelle St. Schanklin. Umgeben sind sie von Streuobstwiesen, Holzstapeln, einer Ziegenweide und einem schmalen Bachlauf, der sich bei Regen zum flachen Teich ausweitet.

Das Mühlenensemble von Wippenow ist das eigentliche Wahrzeichen des Ortes. Drei miteinander verbundene Gebäude aus Backstein, Holz und Lehmputz, errichtet zwischen 1813 und 1847, wurden ursprünglich von drei eigenständigen Brauern gemeinsam genutzt, die sich Windkraft, Wasserkühlung und Mälzschrotwerk teilten. Noch heute sind die alten Treibriemen zu sehen, ebenso wie die mechanische Steuerung, mit der das große Windrad – ein stattliches, hölzernes Kreuz mit 16 Lamellen – einst in Windrichtung gebracht wurde. Der Mühlenflügel wurde in den letzten Jahren restauriert und dreht sich an manchen Tagen noch, wenn die Brise aus Buthanien durch die Felder streicht. Früher mahlten hier drei Brauhöfe ihr Getreide, trockneten es im gemeinschaftlichen Darrboden und tauschten sich in der sogenannten Abstimmstube über Rezepturen, Hopfenanteile und Kundschaft aus.

Heute ist nur noch ein kleiner Teil des Ensembles in Betrieb – dort wird in streng handwerklicher Weise das „Wippenower Fassflimmer“ gebraut, ein Starkbier, das in vielerlei Hinsicht aus dem Rahmen fällt. Die Farbe ist tiefbraun, fast rötlich, der Alkoholgehalt hoch, der Abgang lang und beinahe süßlich. Gebraut wird es nur in vier Sudläufen pro Jahr, jeweils um die Sonnenwenden herum, gelagert in kleinen Holzfässern, die in einer Art Gärkeller unter der alten Abstimmstube gestapelt werden. Das Fassflimmer wird nicht verkauft, sondern kann nur direkt vor Ort getrunken oder bei vorheriger Anmeldung im Dorfkrug ausgeschenkt werden. Wer eine Flasche erwerben will, muss sich auf eine Warteliste setzen lassen – und darauf hoffen, dass eines der überzähligen Probefläschchen frei wird.

Der „Dorfkrug Wippenow“, ein kleines, dunkel gebeiztes Holzhaus am Ortsrand, öffnet nur am Wochenende. Dort schenkt Hofbrauer Rulven Trebb das Fassflimmer in dickwandige Tonhumpen aus, die er selbst töpfert. An den Wänden hängen alte Bieretiketten, Mühlzeichnungen und eine überlieferte Warnung: „Ein Krug bringt Wärme, zwei bringen Lachen, drei bringen Licht – dann setz dich lieber nicht aufs Rad.“ Wer den Krug dennoch leert, darf einen silbernen Stempel auf seiner Humpenkarte setzen – die Wippenower Station des „Bierwegs West“.
Dieser Wanderpfad führt quer durch den Westen des Landkreises, von Langhaus über Oberodewitz, Wippenow und Wansow nach Wasdow. In Wippenow ist er nur schwer zu übersehen: Ein hölzernes Schild mit aufgemaltem Fass weist den Weg zur Mühle, und direkt daneben hängt ein geschnitzter Zeiger in Form eines Hopfenzapfens, der sich je nach Wind dreht. Viele Wanderer kommen mit schweren Stiefeln und leerem Krug an – und verlassen das Dorf erst, wenn sie im Schatten der Windflügel das Fassflimmer probiert, den Stempel erhalten und ein paar Treberkekse im Rucksack verstaut haben. Einmal im Jahr, zur Frühjahrsöffnung der Windflügel, veranstaltet das Dorf eine kleine Humpenschau, bei der die schönsten und skurrilsten Bierkrüge prämiert werden – der Preis ist stets ein mit Hopfenranken bekränztes Fläschchen Flimmer.

Ein weiterer bemerkenswerter Ort in Wippenow ist die Kapelle St. Schanklin, benannt nach einem nahezu vergessenen Pilgerheiligen, der der Legende nach einst mit einem Fass Bier auf dem Rücken bis nach Bierona marschierte, um es als Zeichen des Friedens in einem Kloster zu übergeben. Die Kapelle ist ein Fachwerkbau mit kleinen Bleiglasfenstern, erbaut vermutlich im 17. Jahrhundert, einst genutzt als Station für Fußpilger und Bierträger auf dem alten Buthanischen Pfad. Sie bietet Platz für etwa zwölf Personen und verfügt über einen hölzernen Glockenstuhl, in dem eine kleine Bronzeglocke hängt, deren Klang eher wie ein Krugklingen klingt als wie eine liturgische Mahnung. Heute wird die Kapelle gelegentlich für Andachten, Heiratssegen oder stille Lesungen genutzt, in denen örtliche Geschichten vorgetragen werden – darunter auch die „Geschichte vom Brauer mit der leeren Stirn“, eine Morallegende über Maßhalten und Sudfehler.
Wippenow lebt von seiner Kleinheit, von den Menschen, die sich mit den Eigenheiten des Orts identifizieren und ihn nicht modernisieren wollen. Es gibt keine durchgehende Straße, keine Tankstelle, keinen Supermarkt. Der kleine Laden „Gerstengut“ in einem ehemaligen Schweinestall verkauft saisonal Gemüse, Brot und selbstgemachte Gerstenriegel. Die Kinder fahren mit dem Rad zur Schule nach Oberodewitz, der Bus hält nur morgens und am Nachmittag. Und dennoch fehlt es den Dorfbewohnern an wenig – im Gegenteil: Viele sagen, es fehle ihnen erst, wenn sie einmal wegmüssen.
Die Gemeinschaft ist eng. Der Dorfbackofen wird alle vier Wochen angeheizt, nicht für den Tourismus, sondern weil sich das eingespielt hat. Dann bringt jeder seinen Teig, erzählt ein paar Geschichten und geht mit Brot und Neuigkeiten nach Hause. Auch der Mühlenverein ist aktiv: Er kümmert sich um die Wartung des Windrades, betreut Besucher, organisiert Führungen und schreibt an einer kleinen Dorfchronik mit dem Titel Wippenow – Wo der Wind den Sud treibt.
Wer Wippenow besucht, kommt meist zufällig – als Wanderer, Radfahrer oder durch eine Empfehlung. Doch kaum jemand geht, ohne sich zumindest kurz auf die Holzbank unter der Mühle gesetzt, den Wind gehört und den Duft von Malz, Holz und Sommer eingeatmet zu haben. In einem Dorf, das mehr Biergeschichte atmet als es Fläche misst, reicht das oft schon aus, um wiederzukommen. Oder um einen Stempel zu setzen – nicht nur auf der Karte, sondern auch im Kopf. Wippenow bleibt. Im Glas. Und im Gedächtnis.
Ch.: BL4 (W: Zielitz); BL13 (S: Oberodewitz, NO: Wansow), Feldwege nach Langhaus und Zentodorf, Bierweg West nach Oberodewitz und Wansow