
(Pop.: 874 – 64m NN)
Wansow, ein Dorf mit 874 Einwohnern im Westen des Landkreises Ruppin, liegt ruhig inmitten der Zentoebene nördlich des Odwaldes, eingebettet in ein weites, flaches Feldland. Die Böden sind sandig, durchsetzt mit kiesigem Untergrund, was die Region seit jeher besonders für den Anbau von Sommerweizen und Braugerste prädestiniert hat. Aus allen Richtungen führen schmale Landwege ins Dorf; von Süden her schlängelt sich der „Kelterweg“ durch ein kleines Feuchtbiotop, das im Frühjahr von Fröschen bevölkert ist, von Osten kommend der „Brauerschlag“, ein leicht erhöhter Pfad zwischen Hopfenhecken und alten Schlehenbüschen.

Wansow ist bekannt für seine enge Verbindung zur handwerklichen Bierkultur. Im Ortskern liegt die „Wansower Helle Werkstatt“, eine Brauerei mit langer Geschichte, die ursprünglich aus einer Schmiede hervorging. Der Legende nach wurde der erste Sud im Jahr 1724 in einem umfunktionierten Hufkessel gebraut – ein Vorgang, der im damaligen Zunftrecht heftig umstritten war, da das Feuerrecht dem Schmied, nicht dem Brauer gehörte. Doch das Bier war gut, und der Schmied, ein gewisser Ternhuf, wurde zum ersten „Hellen Werkmeister“ ernannt. Noch heute arbeiten die Brauer in der Werkstatt über offenen Feuerkesseln. Die offenen Flammen erzeugen nicht nur ein besonderes Röstaroma, sondern verleihen der Halle einen archaischen, fast sakralen Charakter. Kupferne Gerätschaften hängen über den gemauerten Feuerschächten, der Boden ist mit altem Lehmziegel ausgelegt, und aus der Decke hängen schwere Trockenkränze aus Hopfen und Lorbeer.
Das hier gebraute Bier, einfach „Wansower Helles“ genannt, ist hellgolden, unfiltriert und leicht hefig mit einer kernigen Getreidenote. Es wird fast ausschließlich in Tonkrügen ausgeschenkt, die in einer kleinen Werkstatt am nördlichen Ortsrand gefertigt werden. Die „Helle Werkstatt“ betreibt keinen Vertrieb im eigentlichen Sinne – wer das Bier trinken will, muss nach Wansow kommen oder auf das „Bierliche Wochenende“ warten, das von März bis Oktober jeweils am ersten Wochenende des Monats stattfindet. Dann versammeln sich Brauer und Brauerinnen aus dem ganzen Umland auf dem großen Wansower Dorfplatz rund um die Freiluft-Bierhalle. Diese Halle, ursprünglich 1912 aus einem überdachten Marktzelt entstanden, ist das Zentrum des dörflichen Gemeinschaftslebens. Sie besteht aus einer hölzernen Rahmenkonstruktion mit offener Längsseite, einem gestampften Lehmboden und einem erhöhten Tanzboden am Westende, auf dem zur Abendzeit Volksmusik, Hopfenlieder und manchmal auch improvisierte Bierkantaten gespielt werden.

Das wichtigste Fest in Wansow ist das „Wansower Kelterfest“, das jährlich Ende August begangen wird. Dabei werden große Bündel sogenannter Weizenstangen – halbreif geerntete Halme – in die Halle getragen und dort zeremoniell zertrampelt. Der Braumeister des Ortes spricht dazu eine traditionelle Formel, bei der der Weizen dem Kessel, das Wasser der Hitze und das Dorf dem Trunk geweiht wird. Anschließend wird in einem großen Bottich aus Holz und Zinn der Festtrunk des Jahres ausgeschöpft – ein besonderes Helles, das nur an diesem Tag ausgeschenkt wird. Alteingesessene behaupten, es habe eine leicht blumige Note, andere sagen: „Es schmeckt nach allem, was du gehofft hast.“ Während des Festes tragen viele Dorfbewohner Leinenhemden mit gesticktem Weizenmuster; Kinder verkaufen Brot aus Trebermehl, und die Ältesten des Dorfes erzählen Anekdoten aus dem Brauleben der Vorfahren.

Die Verbindung zwischen Bier und Gemeinschaft ist in Wansow greifbar. Auch das „Bierliche Wochenende“ ist mehr als ein Markt: Es ist eine Wanderraststation, ein Ideenforum und Treffpunkt für lokale Musikgruppen, darunter die bekannte „Hopfenbrecher Kapelle“, die mit Horn, Quetsche und Fassflöte auftritt. Besonders beliebt sind die gemischten Fassverkostungen, bei denen Biere aus Langhaus, Ruppin, Wippenow und sogar Klodorf in kleinen Mengen angeboten werden. Immer wieder finden spontane Wettbewerbe statt: Wer kann den stimmigsten Trinkspruch dichten, den schwersten Humpen heben oder die Brauerprobe bestehen – eine Blindverkostung mit bitterem Ernst und süßem Ausgang.
Wansow ist zugleich eine wichtige Etappe auf dem „Bierweg West“, einem ausgeschilderten Wanderpfad, der von Langhaus über Oberodewitz, Wippenow und Wansow bis Wasdow führt. Viele Wanderer führen eine sogenannte Humpenkarte mit sich – ein Stempelheft mit acht Stationen. Wer alle Stempel gesammelt hat, erhält im Gasthaus „Zum Trank“ in Langhaus ein Jahr lang den ersten Krug gratis. In Wansow gibt es gleich zwei Stempelstellen: eine am Dorfeingang bei der alten Waage, wo ein Brauschüler täglich Wache hält, und eine in der Hellen Werkstatt selbst. Die Route durch das Dorf führt vorbei an der alten Mälzereiruine „Trübbrück“, deren halb eingestürzte Ziegelbögen ein beliebtes Fotomotiv abgeben.
Das Ortsbild ist geprägt von breiten, von Weiden gesäumten Straßen, vereinzelten Fachwerkhöfen mit flachen Satteldächern und niedrigen Braugärten, die häufig mit alten Hopfenranken bepflanzt sind. Am südlichen Rand steht das kleine Backhaus von Familie Retznitz, wo während der Bierwochenenden Treberkuchen mit Rübensirup verkauft werden. Auch eine kleine Bibliothek mit Schwerpunkt Braukultur ist im alten Schulhaus untergebracht. Dort kann man Folianten über alte Maischverfahren, Notizen über Gärkellerpflege und Gedichtbände mit Hopfenlyrik einsehen – ein Schatz für Interessierte, der von Freiwilligen gepflegt wird.
Einmal im Jahr findet in der Dorfkirche, einer schlichten Feldsteinkirche mit Holzturmaufsatz, ein Gottesdienst unter dem Motto „Dank für den Trunk“ statt. Der Pfarrer, selbst aus einer Brauerfamilie stammend, spricht dann über das Maßhalten (im doppelten Sinne), Gemeinschaft und die Notwendigkeit der Geduld – sowohl im Glauben wie im Gären.
Wer nach Wansow kommt, entdeckt keinen touristischen Hochglanz, sondern ein Dorf, das seine eigene Geschichte lebt und erzählt. Es gibt keine Hotels, nur private Gästezimmer mit geteiltem Badezimmer, aber viel Herzlichkeit. Im Haus „Hopfenblick“ am Ostrand des Dorfs bietet Familie Golt regelmäßig Rundgänge durch ihre private Sammlung alter Humpen und Etiketten an. Am Ende gibt es stets ein kleines Glas Wansower Helles – „nicht zum Durststillen, sondern zum Erinnern“.
Bahn: BZF106 stündlich 6:16 – 21:16 nach Bierona, 6:35 – 21:35 nach Südeck
Ch.: B42 (S: Langhaus 20km, N: Südeck 12km), BL 13 (SW: Wippenow, O: Wasdow), Feldweg nach Priestewitz