Die Kirche St. Erlentraud im Dorf Wasdow ist ein Bauwerk, das sowohl architektonisch als auch kulturell eine besondere Stellung im Landkreis Ruppin einnimmt. Sie steht leicht erhöht am nordöstlichen Rand des Dorfes, wo sich das Straßennetz verengt und in einen alten Hohlweg übergeht. Bereits ihre Form unterscheidet sie von den meisten anderen Sakralbauten der Region: Es handelt sich um einen seltenen Rundbau aus rötlichem Backstein, erbaut zwischen 1819 und 1822 auf den Fundamenten einer hölzernen Vorgängerkirche, die einem Dorfbrand zum Opfer fiel.
Die äußere Erscheinung ist klar gegliedert: Ein zylindrischer Zentralbau mit umlaufendem Sockelgesims, kleinen Rundbogenfenstern und einem flachen Kegeldach, das von einer schlicht gefassten Laterne bekrönt wird. Der freistehende Glockenturm, niedriger als bei anderen Kirchen, steht leicht versetzt auf der Westseite und wurde nachträglich 1838 ergänzt – eine Maßnahme, die laut Gemeindebuch notwendig wurde, da der ursprüngliche Dachreiter durch einen Sturm beschädigt worden war. Die Glocke trägt die Inschrift “Erlentraud, hilf bei Flammen und Fässern“ – ein Hinweis auf den doppelten Schutzauftrag der Kirche: gegen Brände und für das örtliche Brauwesen.

Das Innere der Kirche ist ebenso ungewöhnlich wie ihr Grundriss. Statt eines klassischen Langhauses mit Altarraum und Schiff öffnet sich hier ein runder, lichtdurchfluteter Raum mit Holzbänken. Der Boden besteht aus handgebrannten Tonplatten mit eingelegten Feldsteinen in Form von Hopfendolden – ein dekoratives Motiv, das sich auch an den Türen und Fensterbögen wiederfindet.
Der Altar selbst ist schlicht, aus hellem Sandstein gefertigt, doch über ihm befindet sich das eigentliche Herzstück der Kirche: ein großformatiges Wandbild, das die Heilige Erlentraud beim Brauen zeigt. Sie steht (vermutlich) barfuß an einem tönernen Sudkessel, die Ärmel etwas hochgekrempelt, den Blick konzentriert nach unten gerichtet, während sie mit einem Holzlöffel in der brodelnden Flüssigkeit rührt. Aus dem Dampf steigen stilisierte Hopfenranken und Getreideähren (nur aus der Nähe erkennbar) empor. Es handelt sich dabei um ein Werk des Zentravianischen Malers Lustan Krell, entstanden 1847, kurz nach dem Abschluss der Turmrenovierung. Der Künstler hatte eigens mehrere Wochen in Wasdow verbracht, um das örtliche Brauhandwerk zu studieren – sein Tagebuch enthält Zeichnungen von Hopfengerüsten und Braugeräten, die heute im Gemeindearchiv aufbewahrt werden.
Die Heilige Erlentraud selbst ist eine Figur aus dem lokalen Glaubenskreis des Bierlandes, deren Kult jedoch nie überregionale Bedeutung erlangte. Laut Überlieferung soll sie im 11. Jahrhundert als Einsiedlerin in einem Fasskeller nahe des heutigen Langhaus gelebt haben, wo sie Kräuter mischte, Wasser sammelte und „aus Wärme und Warten“ das erste trinkbare Kräuterbier gebraut habe. In Wasdow wird sie nicht nur als Schutzpatronin der Brauer verehrt, sondern auch der Kräutersammlerinnen – was ihrer Darstellung mit getrocknetem Beifuß und einem Holzkrug zusätzliches Gewicht verleiht.
Die Kirche dient heute nicht nur dem sonntäglichen Gottesdienst, sondern auch als Ort für Lesungen, Vorträge und kleine Konzerte. Besonders zur Sommersonnenwende findet hier eine stimmungsvolle Feier statt: Unter dem Altar wird ein Kranz aus frischen Kräutern abgelegt, das „Bitteropfer“, das anschließend in einem alten Sudkessel auf dem Kirchhof abgebrannt wird. Dabei erklingen alte Liedverse in Form von Wechselgesängen, begleitet von Flöten und Zupfinstrumenten.
Touristisch ist St. Erlentraud eine stille, aber eindrückliche Entdeckung. Viele Besucher kommen über den Bierweg West und machen die Kirche zum letzten spirituellen Halt, bevor sie sich auf den Rückweg machen. Führungen werden von der „Kräutergruppe Erlentraud“ organisiert, die zugleich den Kirchenschmuck aus getrocknetem Hopfen, Wermut und Minze saisonal erneuert. Auch die Kirchenfenster sind bemerkenswert: Ihre Glasmalereien zeigen keine klassischen Heiligenmotive, sondern stilisierte Brausymbole – Hopfenspiralen, Gärkessel, Maßkrüge, aber auch Abbildungen von Minzblättern und Mälzereihaken.
Ein Gästebuch liegt am Eingang aus; besonders häufig findet man darin Danksagungen von Brauern, Pilgern und Wanderern. Der wohl bekannteste Eintrag stammt von der Schauspielerin Mira Detven, die bei den Dreharbeiten zu „Kraut statt Gier“ mehrere Tage in Wasdow verbrachte und schrieb: „Ich habe hier nicht nur einen Ort gefunden – sondern eine Haltung.“