
(Pop.: 4.714 – 15m NN)
Zentodorf ist mit 4.714 Einwohnern der größte Ort im Landkreis Ruppin, obgleich er offiziell den Status eines Dorfes beibehält. Er liegt strategisch zwischen Ruppin im Norden (18 km entfernt) und der Hauptstadt Bierona (nur 6 km südlich) am westlichen Ufer des schiffbaren Flusses Zento. Diese Lage machte Zentodorf über Jahrhunderte zu einem funktionalen Umschlagplatz, Werftstandort und schließlich zu einem bedeutenden Bierdorf mit eigener Infrastruktur, wachsender Bevölkerung und reger Fährverbindung zur Hauptstadt.
Anders als das historisch gewachsene Ruppin entwickelte sich Zentodorf nicht um einen Marktplatz oder Kirchhügel, sondern entlang der Schiffswerftstraße, die den Fluss in einem weiten Bogen begleitet. Diese Straße, gesäumt von alten Bootshäusern, Werkhallen, Lagerplätzen, neuen Wohnbauten und zwei Anlegestellen, bildet die wirtschaftliche und soziale Achse des Ortes. In den südlichen Teilen gehen die Werftareale in moderne Uferpromenaden mit Cafés und Biergärten über, während im Norden die Brauerei- und Speicherlandschaften dominieren.

Am südlichen Rand des Ortes erhebt sich das neugotische Gebäude der Kirche St. Winfried, 1843 begonnen und 1847 vollendet. Auffällig ist der Turm mit seinem kupfergedeckten Helm, dessen Glocke aus eingeschmolzenen Sudkesseln einer aufgelösten Klosterbrauerei gegossen wurde. Die Legende berichtet, dass sich Winfried, ein wandernder Prediger des 10. Jahrhunderts, hier niederließ, um eine Schule für Schreiber und Kräutersammler zu gründen. Ein Fensterbild in der Apsis zeigt ihn in Mönchskutte mit einem Hopfenzweig in der Hand – eine ikonographische Seltenheit.

Unweit davon steht das „Hopfenkundliche Archiv des Südens“, ein restaurierter Speicherbau mit Backsteinfassade und hohem Krüppelwalmdach. In seinem Innern befindet sich eine Sammlung zur Geschichte und Systematik des Hopfenanbaus. Herzstück ist die Sortenkarte von Falderich von Langhaus aus dem Jahr 1813 – eine mit Tinte gezeichnete Darstellung verschiedener Hopfenarten, versehen mit Bemerkungen zur Aromatik, Gehzeit im Sud, Schaumbildung und Lagerverhalten. Diese Karte gilt als früher Versuch wissenschaftlicher Brauklassifikation und zieht regelmäßig Studierende, Forscher und Braumeister aus ganz Bierland an.
Eine dieser Gruppen ist regelmäßig mit der Zentodorfer Brauschule verbunden, die sich seit 1989 im ehemaligen Amtsgebäude am Alten Kai befindet. Hier werden dreimonatige Grundkurse sowie einjährige Fortbildungen angeboten – von Sudtechnik und Hefekunde bis hin zu Sensorik und Bierrecht. Dozenten kommen aus dem ganzen Land; besonders beliebt sind die Wochenendseminare zu „offener Gärung in niedrig temperierten Umfeldern“. Die Absolventinnen und Absolventen erhalten ein handgeprägtes Brauzertifikat, das in der Szene als Qualitätssiegel gilt.

Die größte und bekannteste Brauerei Zentodorfs ist die „Brauerei Goldhumpen“, die an der oberen Zento-Schleife liegt. Gegründet 1879 von der Familie Klettmar, produziert sie heute mehrere Sorten, darunter das untergärige „Zento Helle“, das vor allem in Bierona aus nahezu jedem Zapfhahn fließt. Das Bier ist leicht, goldfarben, mit einer feinen Hopfennote – gebraut mit Klodorfer Hopfen, dessen besondere Würze von Kennern geschätzt wird. Die Brauerei bietet Führungen an, bei denen die kühlen Lagerräume, das Sudhaus mit Kupferhauben und der weitläufige Gärkeller besichtigt werden können. Im angeschlossenen Braustadl wird das „Zento Helle“ mit Laugengebäck und Hopfenschnaps serviert.
Zentodorf ist zugleich Ausgangspunkt für viele regionale Handels- und Flussverbindungen. Der moderne Fähranleger am südlichen Ufer bietet regelmäßige Verbindung zur Hauptstadt Bierona – beliebt bei Pendlern, Tagestouristen und Schülergruppen. Die Fähre verkehrt täglich auch nordwärts nach Ruppin, wobei die Fahrt rund zwei Stunden dauert und durch besonders schöne Flussabschnitte mit Wiesen, Weiden und alten Anlegestellen führt.

Von besonderem kulturhistorischem Interesse ist die Zentrobrücke von 1437, deren steinerner Brückenbogen noch heute als Ruine am Flussufer nördlich des Fährhafens zu sehen ist. Sie war einst Teil der Handelsstraße zwischen Zentravia und Bierona und galt als erste feste Zento-Querung. Ein Hochwasser im Jahr 1563 zerstörte große Teile der Brücke; seitdem wurde sie nie wieder aufgebaut. Stattdessen entstand etwas flussabwärts ein Fährbetrieb, der sich bis heute erhalten hat. Die Brückenreste dienen heute als Aussichtspunkt und Veranstaltungsort kleiner Lesungen zur Bier- und Handelsgeschichte.
Zentodorf verfügt zudem über eine ausgeprägte Marktkultur: Jeden Mittwoch und Samstag wird der Platz hinter der Alten Werft zur Bühne eines ausladenden Wochenmarkts. Neben frischem Obst, Gemüse, Käse und Fisch aus der Zento gibt es Kräuter, Hopfensetzlinge, handgemachte Krüge und natürlich eine Vielzahl regionaler Biere – neben dem „Zento Hellen“ auch Spezialitäten aus Ruppin, Klodorf, Langhaus und Wasdow.
Obwohl Zentodorf keinen historischen Stadtkern besitzt, hat es sich über die Jahre ein lebendiges Zentrum geschaffen – durch den Fluss, durch die Straße, durch die Menschen, die hier arbeiten, brauen, forschen oder einfach nur Bier trinken. Wer hier ankommt, merkt schnell: Zentodorf ist nicht das Dorf, das es vorgibt zu sein – sondern ein lebendiger Umschlagplatz der bierkulturellen Gegenwart des Bierlandes.
Bahn: Zentrobahn ZB11 Regionalbahnen stündlich 7:24 bis 21:24 nach Bierona, 6:29 bis 18:29 nach Kohla, 19:29 nach Teichfurt, 20:29 nach Südteich
Ch.: B62 (S: Bierona 7km, N: Ruppin 18km); BL3 (W: Langhaus, O: Greno); Feldwege nach Wippenow, Wansow, Wasdow, Kleintolkau