Pulkwitz

(Pop.: 204 – 35m NN)

Pulkwitz liegt zurückgesetzt zwischen der Hauptstadt Bierona im Westen und der Kreisstadt Kreuzberg im Osten, leicht erhöht am nördlichen Rand des Bieronaer Küstenwaldes. Der Weg dorthin führt auf schmalen Landstraßen, die sich durch eine wechselhafte Landschaft aus Feldern, Knicks und kleinen Waldstücken schlängeln. Obwohl das Mare Internum nur acht Kilometer südlich entfernt liegt – Nonto ist der nächstgelegene Küstenort – ist vom Strand in Pulkwitz nichts zu spüren. Hier lebt man im Übergang: zwischen Stadt und Land, Wald und Feld, Verwaltung und Selbstverwaltung.

Das Dorf erstreckt sich in einer lockeren Reihung von Höfen, Wohnhäusern und Nebengebäuden entlang der „Pulker Straße“, die sich zentral durch das Dorf zieht. Am kleinen Dorfplatz stehen das ehemalige Schulhaus, heute Dorfgemeinschaftshaus mit Backofen, eine Kastanie mit Bänken darunter und das auffälligste Gebäude: die schlichte, langgestreckte Halle der Mikrobrauerei Pulkwitz, die nicht nur das Herz vieler Einheimischer erobert hat, sondern längst auch Gäste aus Bierona anzieht.

Die Mikrobrauerei wurde 1997 von den Brüdern Elmar und Holwin Feldbeutel gegründet, beide zuvor Lehrer, die sich dem Brauhandwerk aus Überzeugung zuwandten. Heute wird die Brauerei von Elmars Tochter Juna Feldbeutel geleitet, die aus dem Studium der Agrarökonomie direkt in die Praxis überging. Das Hauptprodukt der Brauerei ist das „Pulkwitzer Grenzhell“, ein leicht hefetrübes, untergäriges Bier mit kräftiger Getreidenote und einer feinen Bittere, gebraut mit Hopfen aus Klodorf und Wasser aus einem eigenen Brunnen nördlich des Dorfs. Es gilt als Alltagsbier für alle Lagen – weder zu mild noch zu aufdringlich.

Daneben produziert die Brauerei saisonale Spezialitäten: im Frühjahr das „Frühlingsmalz“, im Sommer das „Straßensommer“, im Herbst das dunkle „Laubdruck“ mit Kastanienmalz, und zur Winterzeit das stark eingebraute „Verwaltungsschwarz“, benannt in stiller Ironie auf das Verhältnis zum Kreisrat in Kreuzberg. Die Etiketten der Flaschen sind schlicht, oft mit handgemalten Darstellungen des Dorfs oder ironischen Kommentaren versehen.

Denn Pulkwitz ist nicht nur ein Ort mit eigener Brauerei – es ist auch ein Ort mit Meinung. Besonders deutlich wird das beim Pulkwitzer Herbstfest, das alljährlich am dritten Wochenende im Oktober gefeiert wird. Zentrum des Festes ist die offene Bühne vor dem Gemeindehaus, wo Einheimische satirische Lieder vortragen – meist zur bekannten Melodie des „Bierländer Marschs“. Die Texte kreisen oft um Anträge, Ablehnungen, verzögerte Genehmigungen oder den neuen Formularsatz „W-47b“, der im vergangenen Jahr als zentrales Motiv gleich drei Liedern diente. Der Refrain „Wer kein Häkchen setzt beim Punkt – kriegt kein Dach und keinen Grund“ wurde ein lokaler Hit. Der Kreisrat in Kreuzberg hat sich dazu nie öffentlich geäußert, aber es wird erzählt, dass ein Mitarbeiter heimlich mitsummte, als er vor Ort eine neue Bushaltestelle abnahm.

Der Ortsname selbst gibt Anlass zu Spekulationen. Eine alte Anekdote besagt, dass Pulkwitz ursprünglich „Pulkweits“ hieß, nach einem wandernden Brauknecht namens Gero Pulkweit, der einst hier eine Hütte errichtet haben soll. Als ihm das Bier aus dem Fass überlief, soll er gerufen haben: „Hier pulkt’s raus!“ – worauf sich der Name verfestigt habe. Wahrscheinlicher ist, dass „Pulk“ sich auf eine kleine Siedlungsgruppe bezieht, aber die Geschichte wird am Dorffest gerne neu erzählt – jedes Mal mit anderen Details.

Auch jenseits des Festes ist Pulkwitz ein Ort mit lebendiger Dorfgemeinschaft. Das Gemeindehaus ist Veranstaltungszentrum, Wahllokal und Veranstaltungsort für Bastel- und Reparaturtreffen. Einmal im Monat findet dort das „Flaschenthekenkino“ statt – ein improvisiertes Filmprogramm mit alten Projektoren, Bierverkauf und Popcorn aus dem Schmorofen. Am Rand des Dorfes betreibt Familie Grunert einen kleinen Obsthof mit Apfel-, Pflaumen- und Birnbäumen, deren Ernte zur Herstellung von Obstsäften und Likören dient. Ein Teil der Früchte wird direkt in der Brauerei für das „Sommerleicht“ verwendet – ein schwaches, leicht fruchtiges Bier, beliebt bei Spaziergängern.

Pulkwitz besitzt keine Kirche. Stattdessen steht auf dem Dorfanger ein hölzerner Glockenstuhl, dessen Glocke bei besonderen Anlässen geläutet wird – Hochzeiten, Trauerfeiern, Dorffest. Im Winter wird darunter ein großer Tannenbaum errichtet, die Kinder des Dorfs singen Lieder, und der alte Lehrer Feldbeutel liest eine Geschichte aus dem vergriffenen Werk „Legenden aus der Waldkante“. Der Glockenstuhl wurde 1921 aus Holz des nahen Waldrands gebaut und trägt heute noch eine eingeschnitzte Tafel mit der Inschrift: „Für das, was war – und das, was bleibt.“

Die Umgebung von Pulkwitz ist geprägt von weiten Wiesen, kleineren Viehweiden und den ersten Erhebungen, die in Richtung Drosener Rücken führen. Ein alter Hohlweg namens „Bürgerstieg“ führt nordöstlich aus dem Dorf hinaus zu einer kleinen Kuppe, von der aus man bei klarem Wetter den Schwanenberg am Horizont sehen kann. Dieser Weg wurde in den letzten Jahren zu einem informellen Meditationspfad umgestaltet, mit Sitzbänken, geschnitzten Wegmarken und einem „Schweigekreis“ aus Steinen und Holzstämmen.

Der Weg zur Küste führt durch den Küstenwald, etwa acht Kilometer südlich nach Nonto. Wer ihn zu Fuß geht, kann unterwegs einen Abstecher zur „Alten Tonne“ machen – einem verrosteten Braufass aus den 1930er Jahren, das im Dickicht liegt und inzwischen von Moos überwachsen ist. Angeblich wurde es von einem enttäuschten Brauer dort deponiert, nachdem ihm in Kreuzberg die Konzession verweigert wurde. Das Fass ist heute Teil einer kleinen Legende und Ziel von Schulklassen, die dort ihren alljährlichen Waldwandertag mit Geschichten beenden.

Trotz seiner Größe hat Pulkwitz keinen Bahnhof. Der nächste Haltepunkt liegt in Straßendorf, etwa zwei Kilometer nördlich. Es gibt jedoch einen privaten Busdienst, den „Pulkwagen“, der zweimal täglich fährt – einmal morgens, einmal am späten Nachmittag – und neben Passagieren auch gelegentlich Kisten Bier, Milchkannen oder Fahrräder transportiert. Der Fahrer, Jakob „Jakl“ Dross, ist bekannt für seinen trockenen Humor und dafür, dass er auf Wunsch auch mal abseits der Route hält, „wenn’s nicht regnet“.

Ch.: BL9 (S: Nonto, N: Straßendorf); BL10 (O: Mule); Feldwege nach Großtolkau, Waldbeerenbach, Strandmule)