Kleintolkau

Kleintolkau (Landkreis Kreuzberg – Bierland)

(Pop.: 1.524 – 24m NN)

Kleintolkau liegt in der südlichen Zento-Ebene, rund 13 Kilometer östlich von Bierona, direkt an der Bundesstraße 4. Die Region ist landwirtschaftlich geprägt, mit weitläufigen Obstplantagen, Gemüsebeeten, Roggen- und Gerstenfeldern sowie Rinder- und Schafweiden. Der Ort ist flächenmäßig größer, als man es bei knapp 1.500 Einwohnern erwarten würde – was daran liegt, dass viele Höfe außerhalb des historischen Kerns verstreut liegen. In der Dorfmitte aber konzentriert sich das Leben: am Platz „An der Linde“, wo sich Kirche, Werkstatt, Gaststätte, Bäcker, Bushaltestelle und der kleine Computerladen befinden – ein Arrangement aus Alt und Neu, das für Kleintolkau typisch ist.

Die Kirche St. Zephaniel, benannt nach einem eher unbekannten Wetterheiligen, steht auf einem leicht erhöhten Platz, umgeben von einer niedrigen Feldsteinmauer. Der Turm stammt aus dem 17. Jahrhundert, das Kirchenschiff wurde mehrfach umgebaut, zuletzt in den 1950er Jahren. Besonders eindrucksvoll ist das Wandgemälde über dem Altar: Es zeigt die „Gleichnis-Ernte“, in der Jesus einem Bauern beim Kartoffelverlesen hilft – ein Werk der Künstlerin Melita Krug aus dem Jahr 1954.

Lesen Sie hier die Predigt vom 3. August 2025 zu diesem Gemälde
Liebe Gemeinde,
vor dem Altar von St. Zephaniel sehen wir ein ungewöhnliches Bild: Jesus beim Kartoffelverlesen. Kein goldenes Licht, keine Engel – sondern ein Feld, Erde an den Händen, und ein einfacher Bauer an seiner Seite. Die Künstlerin Melita Krug hat 1954 mit der „Gleichnis-Ernte“ ein Werk geschaffen, das tief in unseren Alltag greift. Es erinnert uns an das Wort Jesu in Lukas 10,2: „Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter.“
Jesus spricht nicht von goldgelben Ähren allein. Die Ernte meint das, was Gott in dieser Welt wachsen lässt: Hoffnung, Güte, Versöhnung. Und sie liegt oft nicht auf dem Tisch, sondern noch im Dreck – wie Kartoffeln unter der Erde. Sie muss herausgeholt, gelesen, geprüft werden. Das ist mühsam, manchmal schmutzig, oft unscheinbar. Aber es ist Gottes Werk. Jesus selbst bückt sich mit dem Bauern. Er scheut sich nicht vor dem Irdischen, dem Einfachen, dem Körperlichen. Wer mit Jesus erntet, schaut nicht auf den Lohn, sondern auf den Auftrag: zu helfen, zu sammeln, was zählt.
So ist dieses Bild mehr als Dekoration. Es ist ein Aufruf: Werde ein Erntehelfer Gottes. Nicht nur im großen Stil – sondern da, wo du gerade bist. Beim Zuhören, Vergeben, Trösten. Denn die Ernte ist groß. Und Gott braucht dich.
Amen.

Gottesdienste finden regelmäßig statt, oft begleitet von Chorgesang oder dem „Tolkauer Tastenklub“, einer Gruppe von Laienorganisten. Die Kirche ist auch Veranstaltungsort für Lesungen, Vorträge und Filmabende, etwa beim „Kirchenkino“, bei dem im Kirchenschiff Leinwand und Bierbänke aufgebaut werden.

Ein Stück die Hauptstraße entlang liegt die Autowerkstatt „Walz & Söhne“, ein Familienbetrieb in vierter Generation. Gegründet 1912 ursprünglich als Schmiede, ist der Übergang zur Motorentechnik bereits früh erfolgt. Heute werden hier neben Kleintraktoren, Transportern und Familienkutschen auch vereinzelt Oldtimer betreut – darunter ein Bierland-Typ-3 Lieferwagen mit Holzverkleidung, der regelmäßig auf dem Dorfplatz zu sehen ist. Die Werkstatt ist nicht nur für ihre Zuverlässigkeit bekannt, sondern auch für das sogenannte „Walz-Brett“, eine große schwarze Tafel an der Wand, auf der Kunden handschriftlich Grüße, Hinweise, Witze oder Rezeptideen hinterlassen können. Besonders beliebt war der Eintrag: „Wenn’s Auto nicht will, frag die Kupplung – oder Frau Walz.“ Ein Kontrast dazu ist der kleine Computerladen „Byte & Beete“, geführt von Johano Rehbein, einem Rückkehrer aus Zentro, der dort früher in einem Softwarehaus arbeitete. Der Laden liegt direkt neben dem Raiffeisenmarkt und ist winzig – zwei Räume, ein Fensterbrett mit reparierten Tablets, eine Kaffeetasse auf dem Servergehäuse. Doch Johano hat sich in der Region einen Namen gemacht. Er berät Landwirte bei Agrarsoftware, repariert alte Rechner für Schüler, bietet Einführungskurse an und betreut die Webseite der Freiwilligen Feuerwehr. Sein Slogan lautet: „Kleintolkau online – ohne Großstadtgetue.“

Die Dorfgaststätte „Zur Kupplung“ ist ein langgestreckter Fachwerkbau mit Anbau aus den 1970er Jahren. Betrieben wird sie von Gesa und Kuno Vettmer, die aus ihrer Bierkarte eine kleine Wissenschaft gemacht haben: Neben Standardbieren aus der Region wird hier das „Kleintolkauer Weiße“ ausgeschenkt – ein unfiltriertes Weizenbier mit Wacholderzusatz, das in zwei alten Wehrbrunnenanlagen am Nordrand des Dorfs gebraut wird. Diese Brunnen stammen aus der Zeit um 1800 und wurden ursprünglich als isolierte Wasserquellen angelegt, um bei Tierseuchen autarke Versorgung sicherzustellen. Heute dienen sie als Brauwasserquelle und namensgebendes Symbol für das Bier. Das Etikett zeigt eine stilisierte Wehrbrunnenkuppel mit drei Hopfenzweigen. Der Brauvorgang selbst erfolgt in einem Anbau neben dem südlichen Wehrbrunnen, betrieben vom Kleintolkauer Braukreis, einer losen Gruppe von zwölf Frauen und Männern, die sich regelmäßig zur Arbeit und Verkostung treffen. Die wichtigste Regel: Es wird nur gemeinsam entschieden. Daher variiert das „Weiße“ von Jahr zu Jahr leicht – je nachdem, welche Wacholdersorte, welche Gärdauer und welche Malzchargen verwendet werden. Verkauft wird es nur vor Ort, in der Gaststätte oder beim wöchentlichen Markt. Jeden Freitag von 7 bis 11 Uhr wird auf dem Platz an der Linde ein Wochenmarkt veranstaltet, auf dem lokale Anbieter Obst, Gemüse, Honig, Käse, Brot und Wurst verkaufen. Dabei begegnet man auch Händlerinnen mit tragbaren Kühlboxen, die auf Fahrrädern ihre Produkte von den Außenhöfen in den Ortskern bringen. Die Gaststätte öffnet an Markttagen schon um zehn und serviert dann kleine Brotzeiten.

Ein besonderes Element der Dorfstruktur ist der Radweg „Apfelkuppe–Sonnenblick“, der auf rund 15 Kilometern vom Ort bis zur Küste beim Dorf Sonnenblick führt. Er beginnt nahe der Kirche und führt vorbei an Apfelplantagen, an alten Ziehbrunnen und Bienenständen, dann durch ein kurzes Waldstück und schließlich weiter bis ans Mare Internum. Unterwegs finden sich sieben Stationen mit Holzschildern, die Zitate von Dichtern und Volksweisheiten zum Thema Landschaft, Arbeit und Bier tragen. Besonders beliebt ist der Spruch an Station vier: „Wer ernten will, muss säen – und manchmal auch gießen.“

Kleintolkau besitzt außerdem ein kleines Archiv zur Dorfgeschichte, untergebracht im Obergeschoss des alten Spritzenhauses. Es wird von der ehemaligen Lehrerin Elsbeth Korn verwaltet, die regelmäßig Ausstellungen zu alten Handwerksberufen, Schulklassenfotos oder Landwirtschaftsgeschichte organisiert. Im Dorfmuseum ist auch ein Modell der ursprünglichen Wehrbrunnenanlage zu sehen – mit beweglichen Holzdeckeln und kleinen Gießkannen aus Zinn.

Im August wird das „Fest der Felder“ gefeiert, eine Art Erntedank, der sich über mehrere Tage zieht. Höhepunkt ist das „Weißbierlesen“, bei dem Texte aus der Geschichte des Dorfes vorgelesen werden – unter anderem alte Protokolle der Feldgemeinschaft, Rezepte, Tagebuchnotizen und humorvolle Texte aus der Dorfzeitung „Kleintolkauer Kurier“. Währenddessen wird das neue Jahrgangs-Bier ausgeschenkt, begleitet von Laugenstangen mit Wacholderbutter und gebratenem Kürbis.

Obwohl Kleintolkau in gewisser Weise ein typisches Agrardorf ist, verbinden sich hier auf besondere Weise Tradition und Gegenwart. Vom Obsthof mit Website bis zum Altmetallhändler, der per WhatsApp Bestellungen entgegennimmt, ist hier vieles in Bewegung, ohne die Wurzeln zu vergessen.

Ch.: B4 (W: Bierona 14km, O: Großtolkau 3,5km); BL15 (N: Greno); Radwege nach Sonnenblick, Waldweerenbach