Grillabend des Gemeindekirchenrates in Winklo

Am heutigen Abend versammelt sich der Gemeindekirchenrat der Stadtkirche St. Andreas im Winkel in Winklo zu einer ungewöhnlichen Sitzung – nicht im kühlen Gemeindesaal oder zwischen den Kirchenbänken, sondern unter freiem Himmel, im Pfarrgarten hinter dem Südflügel der alten Sakristei. Anlass ist eine außerordentliche Sommersitzung, die schon im Vorfeld weniger durch ihre Tagesordnung als durch das geplante anschließende Grillen für Gesprächsstoff sorgte.

Die Einladung stammte von Pfarrerin Johanna Stream selbst, die seit ihrem Amtsantritt vor drei Jahren in Winklo nicht nur als theologisch versiert, sondern auch als pragmatisch und ausgesprochen gemeinschaftsorientiert gilt. Dass sie heute nicht nur eine Kladde mit Diskussionspunkten, sondern auch zwei große Schüsseln selbstgewürzter Bratwürste, mehrere Flaschen Apfelschorle und ein Lächeln für jeden dabei hat, passt zu ihr. Der Grill ist schon am Vormittag vom Küster Paul Harnisch aufgestellt worden, mit Sichtschutz aus alten Gemeindebänken und einem Blecheimer für die Glutreste.

Die Mitglieder des GKR trudeln nach und nach ein. Marco Geyer, bekannt für seine Mischung aus Redefreude und Perfektionismus, baut mit gewohnter Genauigkeit eine Station für Paprika-Hühnerspieße auf – jede Komponente in einer eigenen Edelstahlschale, der Grillplatz daneben akribisch mit Papier ausgelegt. Man könne die Spieße „nach Laune“ selbst zusammenstellen, erklärt er, und reicht Tamara Chem eine Grillzange, als sei das der offizielle Beginn der Sitzung.

Tamara, stets ein wenig im Hintergrund, hat zwei große Schüsseln Nudelsalat mitgebracht. Sie lässt sich nicht lange bitten, sondern stellt sie auf den alten Biertisch unter der Birke, neben Ivana Xanthers drei Dosen Grillkäse, die diese in einer zerbeulten Kühltasche transportiert hat. Ivana trägt wie immer knalligen Lippenstift und ein Kopftuch mit religiösem Motiv – eine Mischung, die im Kirchenrat längst nicht mehr auffällt. Sie ist es, die neben dem Käse auch eine riesige Platte Tomate-Mozzarella aufgebaut hat, „damit’s nicht nur zischt, sondern auch schmatzt“, wie sie lachend meint.

Bertram Nolens, in Winklo eher bekannt als Pedant und Liturgieverantwortlicher, kommt mit einem Tuchpaket unterm Arm und verkündet: „Knüppelbrot für alle! Aber bitte korrekt gerollt, sonst fällt’s ins Feuer.“ Mancher erinnert sich an das legendäre Osterfeuer 2022, als drei Teigstücke in der Glut landeten – ein Trauma, das Bertram nicht noch einmal erleben möchte. Er stellt sein mitgebrachtes Teigholz akkurat neben den Lavendelbusch. Dass er damit heute Kinderträume erfüllen wird, ist ihm selbst nicht bewusst.

Dorothea, von allen einfach nur „Doro“ genannt, bringt den Pragmatismus mit, der in jeder Gruppe überlebensnotwendig ist: Rohlost, Senf, Ketchup – alles in mehrfacher Ausführung. Sie war es auch, die in der letzten Sitzung das Fehlen eines Flaschenöffners monierte und gleich fünf in den GKR-Fundus aufnehmen ließ. Heute aber hat sie nichts zu meckern – ihr Rohlost ist kalt, die Sonne scheint, und irgendjemand hat für Musik gesorgt.

Dass diese Musik ausgerechnet von Jana Nonna kommt, überrascht nur auf den ersten Blick. Jana, meist zurückhaltend und unentschlossen – auch heute weiß sie „noch nicht genau, was sie beitragen wird“ –, hat eine Bluetooth-Box unter dem Arm und lässt leise einen Choral aus dem neuen Beiheft laufen. Später wechselt sie auf eine Jazzversion von „Vertraut den neuen Wegen“, was Ivana kommentarlos hinnimmt, aber Bertram kurz zusammenzucken lässt.

Ein Thema des Abends ist – natürlich – das Bier. Genauer gesagt: das Bierfass der Kantorei, das im Kühlschrank des Gemeindebüros lagert und bei Proben selten ganz leer wird. Die Frage, ob man dieses Fass heute anstechen dürfe, wurde bereits in mehreren E-Mails diskutiert. „Wenn wir’s wieder auffüllen“, hatte Johanna entschieden, „sehe ich kein theologisches Problem.“ Dennoch kommt die Sache erneut auf, als Marco den Zapfhahn anschließt. „Das ist das B-Kantaten-Bier, oder?“ fragt jemand. „Nee, das ist vom Adventsoratorium“, antwortet Jana. „Hat ein bisschen Orgelstaub drin, aber geht.“

Nach einer halben Stunde ist der Grill heiß, die Diskussionen über den Gemeindebrief vertagt, und aus dem ehemaligen Kompostbereich ist ein buntes Buffet geworden. Teller, Besteck und Becher stehen auf dem alten Taufpult, das heute als Sideboard dient. Auf dem Tisch liegt ein kariertes Tischtuch, das laut Tamara schon bei ihrer Konfirmation verwendet wurde.

Während die Spieße brutzeln und Bertram erklärt, wie man das Brot am besten dreht, beginnt Johanna, Anekdoten aus der Gemeinde zu erzählen – von der Beerdigung mit Akkordeonbegleitung, von der Konfistunde, in der ein Schüler das „Vater unser“ mit den Worten „Geheiligt werde dein Grill“ beendete, und von einer älteren Dame, die jede Predigt mit „War zu lang, aber schön“ kommentierte.

Man lacht, isst, prostet sich zu. Jana bringt schließlich einen Teller mit kleinen Blätterteigpäckchen, gefüllt mit Spinat und Schafskäse. „Hab doch noch was gemacht“, murmelt sie, und Ivana ruft: „Und wie das duftet!“

Als die Sonne langsam hinter dem Westgiebel der Stadtkirche versinkt, fällt der Blick auf die beiden Türme, die golden im Abendlicht leuchten. Johanna steht auf, hebt ihr Glas und sagt: „Lasst uns öfter so tagen. Wo der Geist weht – da darf es auch nach Knoblauch riechen.“ Bertram murmelt etwas über liturgische Grenzen, aber auch er lächelt dabei.

So klingt der Abend im Pfarrgarten von Winklo aus: mit warmem Brot, kühlem Bier, schmelzendem Käse und dem Wissen, dass Kirche manchmal genau da ist, wo Menschen sich ehrlich begegnen – zwischen Grillzange und Gebet.