Am 18. September 2025 begann der Tag für Klara Wiegand, Bewohnerin von Dreihaus und Sachbearbeiterin in der Zweigstelle der Kreisverwaltung in Polis, nicht mit Schwung, sondern mit einer gewissen Trägheit. Der Wecker hatte bereits zweimal geklingelt, zuletzt um 7:09 Uhr, doch sie blieb noch einen Moment liegen und lauschte den dumpfen Geräuschen der B35, die nah am Dorf vorbeiführte. Schließlich raffte sie sich auf, murrend darüber, dass es im Haus immer noch kein Warmwasser gab – seit sieben Wochen, wie sie jedes Mal zählte. Der alte Boiler im Nebengebäude sollte längst repariert sein, doch der Installateur aus Klamsdorf hatte sich vertröstend Woche um Woche Zeit gelassen. Also blieb ihr nur das kalte Wasser aus dem Hahn, das ihr jedes Mal einen Schauer über den Rücken jagte.

In der Küche legte sie ein kleines Frühstück zurecht: dunkles Brot, Butter, und ein Rest von Johannisbeermarmelade. Ihr Mann Friedrich schlief noch, die Tochter Marlene, inzwischen 22, war bereits wach und schnitt Kartoffeln, die sie gestern Abend aus Tsitsa mitgebracht hatte. Klara beschloss, nicht nach Polis zu fahren, sondern im Home Office zu bleiben. Ihr Fahrrad stand zwar am Schuppen bereit, doch die Aussicht auf den morgendlichen Fahrtwind ohne Dusche erschien ihr heute unzumutbar.

Der Vormittag verging mit Formularen und E-Mails, die Klara am Küchentisch bearbeitete. Ab und zu schweifte ihr Blick hinaus zum Ivy Thicket, jenem kleinen Waldstück westlich von Dreihaus, in dem Kinder gerade auf Fahrrädern zwischen den Bäumen verschwanden. Draußen dröhnten Traktoren, die über die B35 in Richtung Polis rumpelten, beladen mit Kisten, die auf die Umschlagplätze des Nachbardorfes sollten.

Gegen 12:30 Uhr rief Friedrich aus der Küche: „Das Mittagessen ist fertig!“ Es gab marinierten Hering, den er am Vorabend in einer Mischung aus Essig, Zwiebeln und Wacholderbeeren eingelegt hatte. Dazu servierte Marlene Pellkartoffeln, die sie selbst gekocht hatte – mit einer gewissen Stolzheit, als wolle sie zeigen, dass sie nicht nur studieren und diskutieren konnte, sondern auch die Kartoffeln im Griff hatte. Am Tisch wurde gelacht, weil Friedrich wieder einmal erzählte, wie er als Lehrling in den Nassfelder Möbelwerken für einen ganzen Monat nur Schubladenknäufe poliert hatte.

Um 14 Uhr trat etwas ein, womit Klara nicht gerechnet hatte: Beim Händewaschen stellte sie fest, dass warmes Wasser aus dem Hahn floss. Sie hielt die Hände länger darunter, prüfte zweimal, ob es wirklich stimmte, und ließ dann alles stehen und liegen. Sie schaltete den Laptop aus, nahm frische Handtücher und verschwand ins Bad. Die Dusche wurde zu einem Fest – heißes Wasser, das über ihre Schultern rann, so lange, dass der Spiegel beschlug und sie sich fühlte, als wäre ein Stück Alltag zurückgekehrt.

Anschließend legte sie sich für ein Mittagsschläfchen aufs Sofa im Wohnzimmer. Das Summen der Fliegen am Fenster und das entfernte Rumpeln der Straße wiegten sie in einen leichten Schlaf. Als sie wieder aufwachte, war Friedrich bereits aufgebrochen: Die Nassfelder Möbelwerke GmbH feierten ihr Sommerfest, und er wollte alte Kollegen treffen, Bier trinken und vielleicht bei der Tombola ein Schneidebrett gewinnen, wie er lachend angekündigt hatte.

Klara und Marlene blieben zu Hause. Am späten Nachmittag begann Klara in der Küche mit den Vorbereitungen für den nächsten Tag. Da Marlene deutlich zu viele Kartoffeln gekocht hatte, beschloss sie, einen großen Kartoffelsalat zuzubereiten. Sie schnitt Gurken, Zwiebeln und Eier, während die Tochter am Tisch an einer Projektarbeit schrieb. Die Schüssel wuchs zusehends, und der Duft von Essig und Senf mischte sich mit dem fernen Rauch der Kohle, die ein Nachbar im Hof anzündete.

Als der Abend anbrach, ging Klara hinaus vor das Haus. Von der B35 wehte der Geruch nach Diesel herüber, ein LKW bog ein, vermutlich auf dem Weg zur Schenke „Zur Halle“. Kinder mit Ranzen kamen lachend zurück, wahrscheinlich vom Nachmittagssport in Tsitsa. Marlene stellte ein Glas Wasser neben die Mutter und erzählte beiläufig von einer Freundin in Klamsdorf, die für ein Auslandssemester nach Tremo wolle. Klara hörte zu, aber ihre Gedanken drifteten schon in Richtung Urlaub: In zwei Tagen sollte es losgehen, weg von Formularen und Warmwasserproblemen.

Der Tag endete ruhig. Im Dorf verstummten nach und nach die Traktoren, und nur das Zirpen der Grillen am Rand des Ivy Thicket blieb. Klara räumte die Küche auf, deckte den Kartoffelsalat sorgfältig ab und stellte die Schüssel in den Kühlschrank. Sie wusste, dass morgen wieder Pflichten warteten, doch das warme Wasser hatte ihr gezeigt: Manchmal ändern sich die Dinge schneller, als man denkt. Und der Urlaub war zum Greifen nah.