Das Teichkastell von Unterstrand liegt am südlichen Rand der Altstadt, dort, wo der Schanzgraben in den Entwässerungskanal mündet. Heute ist es eine unscheinbare, grasbewachsene Fläche zwischen Pfad und Wasserlauf, doch archäologisch zählt sie zu den bedeutendsten Fundplätzen der frühen Seeländer Geschichte. Unter einer Glasschiene, die von einer niedrigen Holzeinfassung umgeben ist, ist ein Abschnitt der alten Palisadenrinne freigelegt. Dunkle Holzreste zeichnen die Linie des ehemaligen Walles nach, und eine kleine Infotafel erklärt, dass hier einst der östlichste Wachposten des sogenannten Teichgürtels stand – eines Verteidigungssystems, das die südlichen Teichufer im 9. Jahrhundert schützte.

Das Kastell war kein großes Bauwerk im Sinne späterer Burgen. Es bestand aus einem hölzernen Wehrsteg mit zwei kleinen Hütten, einer vorgelagerten Pfahlreihe und einem Wall aus Erde, Sand und Lehm. Seine Lage war strategisch gewählt: Der Schanzgraben bildete einen natürlichen Graben, der damals noch in den Teichfluss mündete, und bot einen Zugang zu den offenen Wasserflächen. Von hier aus konnten Boten mit Booten über den Seitenkanal in Richtung Zajinbach oder weiter zu den Teichsiedlungen aufbrechen. Das Kastell diente der Beobachtung und vermutlich der Frühwarnung – es war Teil einer Kette von Warten, die über Licht- und Rauchsignale miteinander in Verbindung standen.

Archäologische Funde belegen, dass das Teichkastell während der sogenannten Wikingerzüge Ende des 9. Jahrhunderts eine Rolle spielte. Unter den Holzbalken fanden sich verkohlte Lehmklumpen, Pfeilspitzen, ein Eisenmesser mit gebrochenem Griff und Reste eines Helmrings. Eine Radiokarbonanalyse datierte die Holzkohleschicht auf etwa 890 bis 910 n. Chr. – genau in jene Zeit, als das alte Seeland von Überfällen und Bränden heimgesucht wurde. Die Forscher gehen davon aus, dass das Kastell beim Angriff auf Kohla und die umliegenden Dörfer zerstört und später nie wieder in vollem Umfang aufgebaut wurde.

Die Wiederentdeckung des Ortes begann 1924, als bei Bauarbeiten für den Entwässerungsgraben Holzpfähle im Boden auftauchten. Zunächst hielt man sie für Reste eines alten Steges, doch der Lehrer und Heimatforscher Erik Darnhoff vermutete früh, dass es sich um militärische Anlagen handelte. Seine Notizen, die im Stadtarchiv aufbewahrt werden, enthalten Skizzen und erste Vermessungen. Darnhoff war es auch, der den Namen „Teichkastell“ prägte – ein Begriff, der damals als populäre Bezeichnung für jeden hölzernen Wehrbau diente, aber in Unterstrand bald zur festen Ortsbezeichnung wurde.

Zwischen 1968 und 1972 führte das Seeländische Institut für Vor- und Frühgeschichte (Teicha) systematische Grabungen durch. Unter der Leitung von Professorin Mirella Haak wurden Schichten von Holzkohlen, Keramikfragmenten und Fischgräten dokumentiert. Die Keramikformen entsprachen Typen aus dem 9. Jahrhundert, die man auch in Kohla gefunden hatte. Besonders aufschlussreich war die Entdeckung eines Stücks bearbeiteten Hirschhorns mit Bohrung – vermutlich ein Teil eines Gürtelverschlusses oder Werkzeugs. In der südlichen Grabungsspitze stießen die Archäologen auf einen Rest des hölzernen Wehrstegs: Eichenbohlen, die quer zu den Pfahlreihen lagen und Spuren von Seilen aufwiesen.

Heute ist das Areal des Teichkastells in den Spazierweg am Schanzgraben integriert. Besucher betreten die kleine Holzplattform über eine Rampe. Unter der transparenten Abdeckung erkennt man die dunklen Linien der Pfähle, die sich im Boden abzeichnen. Ein schematisches Modell zeigt die rekonstruierte Anlage: eine hölzerne Umwehrung mit Beobachtungsplattform, Feuerstelle und zwei kleinen Hütten mit Reetdächern. Das Original stand auf etwa 25 × 30 Metern Grundfläche, was einer einfachen Wachtstation entspricht.

Ein besonderes Element der Anlage ist das rekonstruierte Signalfeuer, das an hohen Feiertagen oder bei Stadtführungen entzündet wird. Dabei wird ein kleines Metallbecken mit getrocknetem Schilf und Flachs befüllt – Materialien, die damals tatsächlich verwendet wurden, um rasch Rauchzeichen zu erzeugen. Die Flamme lodert nur kurz, aber der Rauch zieht weithin sichtbar über den Teich, so wie es einst als Warnsignal gedacht war.

Die Bedeutung des Teichkastells reicht jedoch über die militärische Funktion hinaus. Es gilt als frühes Beispiel für die Zusammenarbeit der damaligen Teichsiedlungen im Schutzsystem des Seelandes. Historiker nehmen an, dass solche Wehranlagen von Fischergilden und lokalen Bauern getragen wurden, die sich in Notzeiten zusammenschlossen. Schriftliche Zeugnisse fehlen, doch in der Chronik des späteren Klosters Arnsheim findet sich eine Notiz aus dem 12. Jahrhundert, die von einem „turmis ligneis ad aquas inferas“ spricht – hölzernen Türmen an den unteren Gewässern –, womit vermutlich das Kastell von Unterstrand gemeint war.

Die Legendenbildung um das Teichkastell begann schon früh. Eine Erzählung, die im 17. Jahrhundert in Unterstrand kursierte, berichtet vom „Feuerwächter Leckmar“, der das Signalfeuer zu spät entzündet haben soll, als die Schiffe der Nordmänner bereits im Teich lagen. Zur Strafe, so heißt es, habe er schwören müssen, jedes Jahr ein Fass Salzfisch an die Armen zu spenden. Noch im 19. Jahrhundert stand bei der Schleuse ein Steinkrug, den man „Leckmars Fass“ nannte – vermutlich eine spätere Erfindung, aber fest in der Volksüberlieferung verankert.

Das Teichkastell spielt bis heute eine Rolle im städtischen Leben. Die Grundschule führt hier jährlich ein „Wächterfest“ durch, bei dem Kinder in einfache Kostüme schlüpfen und die Arbeit der alten Wachtposten nachstellen. Sie entzünden kleine Rauchpfannen, schlagen Trommeln und rufen über den Graben hinweg Botschaften, die sich in der Luft verlieren. Auch für Touristen ist der Ort ein beliebtes Ziel: Führungen des Teich- und Auenmuseums erklären die Geschichte, und an Wochenenden im Sommer finden Vorführungen alter Handwerke statt – Holzbearbeitung, Seilflechten, Flachsverarbeitung.

Eine Besonderheit der Anlage ist ihre Einbindung in die heutige Landschaftspflege. Der Schanzgraben führt hier sauberes Teichwasser, und rund um die Ausgrabung wurde ein kleiner Lehrpfad angelegt. Schilder informieren über Pflanzen, die im feuchten Boden gedeihen: Sumpfschwertlilie, Rohrkolben, Weidenröschen. Die Böschungen werden regelmäßig von einer Gruppe Freiwilliger gemäht, die sich „Kastellfreunde Unterstrand“ nennt. Ihr Werkzeuglager befindet sich in einem alten Pumpenhäuschen unweit des Grabens.

Das Teichkastell ist kein Ort des großen Spektakels, sondern einer stillen, konzentrierten Geschichte. Wer an einem frühen Morgen dort steht, wenn Nebel über dem Wasser liegt, erkennt in der Landschaft noch immer die Logik, die einst zur Errichtung des Wehrbaus führte: freie Sicht über das Wasser, kurze Wege zum Teich, Deckung durch den Wall. Der Ort erzählt von einer Zeit, in der das Leben im Seeland von Unsicherheit und Verteidigung geprägt war, aber auch von Organisation und Gemeinschaft.

In musealer Hinsicht dient das Teichkastell heute als Anschauungsobjekt für frühe Wasserbaukunst. Die Archäologen betonen, dass die Anlage ein Beispiel für die Anpassung menschlicher Siedlungen an wasserreiche Landschaften sei – ein Thema, das im Seeland seit Jahrhunderten wiederkehrt. Die hölzernen Pfähle, die einst Verteidigung boten, stehen sinnbildlich für den Übergang von spontaner Wehrhaftigkeit zu geplanter Wassertechnik, wie sie später in Schleusen und Dämmen umgesetzt wurde.

Der kulturelle Wert des Ortes spiegelt sich auch in Kunst und Literatur wider. Der Unterstrander Bildhauer Hajo Blenk schuf 1999 die Skulptur „Pfahlreihe“, eine Reihe aus neun Bronzeelementen, die in der Nähe des Kastells aufgestellt ist. Die Stücke erinnern an im Boden steckende Pfähle, tragen aber auf der Oberseite Gravuren in Form von Wellen und Flammen – eine Anspielung auf Wasser und Feuer, die beiden Elemente, die das Schicksal des Kastells bestimmten.