(Pop.: 782 – 115m NN)

Faultierwald liegt in der westlichen Seeland-Ebene, zwischen Achthaus im Norden und Ulmdorf im Süden, etwa 14 Kilometer von Unterstrand entfernt. Das Dorf zieht sich als langes Straßendorf entlang der Landstraße SEE16, die Seestadt und Western verbindet. Wer von Osten her kommt, sieht Faultierwald schon von Weitem: eine schmale Straße, gesäumt von Linden, deren Schatten auf die alten Ziegelhäuser fällt, dahinter Felder mit Flachs, Roggen und Rüben. In der Dorfmitte geht der Grünstreifen, der als breiter Rasenweg zwischen den Häusern verläuft, in den kleinen Waldsaum über, dem der Ort seinen Namen verdankt. Der „Faultierwald“ war früher eine große Waldfläche, heute ist es eher eine dichte Baumgruppe aus Eichen, Erlen und Eschen, durchzogen von kleinen Senken, in denen Wasser stehen bleibt. Die Höhenlage von 115 Metern über dem Meeresspiegel macht das Gelände leicht geneigt; das Wasser fließt nach Osten in Richtung Unterstrand ab. Zwischen den Feldern verlaufen Entwässerungsgräben, die über Schleusentore mit dem Bachsystem der Seeland-Ebene verbunden sind. In der feuchten Jahreszeit schimmern die Gräben wie silberne Linien, im Sommer sind sie trocken und von Schilf gesäumt. Faultierwald ist ein Ort, in dem sich das Zusammenspiel von Landwirtschaft und Textilhandwerk auf engstem Raum zeigt.

Die Struktur des Dorfes ist einfach: entlang der Hauptstraße stehen etwa vierzig Wohn- und Wirtschaftsgebäude, dazwischen Werkstätten, ein Laden, eine kleine Schule und der Bahnhof. Am westlichen Ortsrand liegt das Leinenwerk „Faultierwald Faden & Band“, das der Gemeinde ihren industriellen Charakter verleiht. Die Werkhalle ist ein Ziegelbau von 1903, ursprünglich mit Dampfkessel und Transmission, heute elektrisch betrieben. Hier wird der Flachs aus der Umgebung verarbeitet – zu Garn, Seil und Gewebe. Im Eingangsbereich hängen zwei alte Webstühle mit hölzernen Ladearmen; einer davon wird an Markttagen in Bewegung gesetzt, damit Besucher das rhythmische Schlagen der Lade erleben. Das Gewebe, das hier entsteht, dient der Landwirtschaft als Sackstoff und dem Unterstrander Bootsbau als robustes Leinwandmaterial für Abdeckungen und Segel.

Das Werk beschäftigt rund siebzig Personen, viele aus Faultierwald selbst, andere aus Ulmdorf und Achthaus. In den Sommermonaten trocknen unter den niedrigen Anlehndächern der Betriebswohnungen die Flachsbündel in der Sonne. Wenn der Wind weht, rascheln sie leise und verströmen einen harzigen, süßlichen Geruch. Der Takt der Weberei prägt das Dorfleben: Morgens um sechs beginnt die Frühschicht, mittags läutet die Sirene für die Pause, und abends gegen vier verstummt das gleichmäßige Rattern. Dann ist der Dorfplatz belebt, die Menschen kommen mit Fahrrädern, Kinder spielen auf dem Grünstreifen, und über den Dächern steigt Dampf aus den Küchen auf.

Der Ortsname „Faultierwald“ hat, trotz seines eigenartigen Klanges, nichts mit dem Tier zu tun. Der Name geht auf „Valtier“, eine mittelalterliche Flurbezeichnung für feuchten, träge fließenden Boden, zurück, die später lautwandelnd zu „Faultier“ wurde. Die alte Flur „Valtier-Wald“ bezeichnete eine Stelle, an der Wasser nicht richtig ablief und sich ein dichter Bestand aus Erlen und Eschen bildete. Aus dieser Baumgruppe wurde später der Brennplatz, auf dem im 16. Jahrhundert Ziegel gebrannt wurden.

Denn Faultierwald war einst Ziegelort und Brennplatz. Der nahe Lehm und der gute Tonboden machten es zum idealen Standort. Hier stand jener Brennofen, der 1524 die Ziegel lieferte, aus denen die Kirche St. Gertrud am Teich in Unterstrand erbaut wurde. Die Ziegel wurden auf Karren durch die Ebene gebracht, über Bohlenwege und provisorische Brücken, denn das Gelände war sumpfig. Noch heute erzählen ältere Dorfbewohner, dass man beim Pflügen manchmal auf Brandreste stößt – verkohlte Stücke Ton, Zeugnisse des alten Brennofens. An der Westseite des heutigen Leinenwerks steht eine Steinplatte mit der Inschrift: „Aus dieser Erde gebrannt 1524 – für St. Gertrud am Teich.“ Faultierwald besitzt keine eigene Kirche, doch die Gemeinde gehört zur Pfarrei St. Gertrud in Unterstrand. Viele Familien haben persönliche Verbindungen zu Unterstrand, denn die Ziegel von Faultierwald bilden buchstäblich das Fundament der Kirche. Bei Prozessionen im Frühjahr wird in St. Gertrud noch immer eine Kerze für die Ziegler entzündet – eine alte Tradition.

Der kleine Bahnhof Faultierwald liegt am südlichen Ortsrand, an der Strecke SeeLB 86, die stündlich nach Seestadt und Western verkehrt. Der Fahrplan ist präzise: ab 6:45 Richtung Seestadt, ab 6:36 Richtung Western, bis jeweils 21:45 bzw. 21:36. Das Stationsgebäude ist ein flacher Bau aus rotem Backstein, daneben steht das ehemalige Lagerhaus, heute als Café „Zur Spule“ genutzt. Hier gibt es belegte Brote, Rübensuppe und einen einfachen Kaffee, den Pendler vor der Frühschicht trinken.

Das Dorf besitzt eine klare funktionale Gliederung: Im Norden Landwirtschaft, im Süden Industrie, dazwischen das Leben. Die Höfe entlang der Straße sind meist eingeschossig, mit breiten Toren und kleinen Vorgärten. Dazwischen liegt ein Grünstreifen, der bis zum namensgebenden Wald übergeht. In diesem Wäldchen gibt es eine Lichtung mit einem alten steinernen Tisch – „Faultierstein“ genannt –, an dem der erste Werkleiter des Leinenwerks, Gustav Rieper, seine Mittagspausen verbracht haben soll. In Faultierwald lebt man einfach, aber organisiert. Die Dorfgemeinschaft zählt rund zweihundert Haushalte. Es gibt einen kleinen Konsumladen an der Kreuzung SEE7/SEE16, betrieben von Familie Klages, der zugleich Poststelle, Paketannahme und Treffpunkt ist. An Sommerabenden stehen vor dem Laden zwei Bänke, und die Leute trinken Limonade oder Flachsbier, das in Ulmdorf gebraut wird.

Die Verkehrsverbindungen sind für ein Dorf dieser Größe bemerkenswert. Neben der Bahnlinie führen zwei Landstraßen hindurch: die SEE16 Richtung Dreihaus (7 km W) und Unterstrand (14 km O) sowie die SEE7 Richtung Achthaus (10 km N) und Ulmdorf (3 km S). Ein Feldweg verläuft parallel zur Bahn und wird von Radfahrern gern genutzt.

Das wichtigste kulturelle Ereignis ist das Leinenfest im August. Dann werden auf dem Dorfplatz Stände aufgebaut, alte Webtechniken gezeigt, und im Hof des Leinenwerks gibt es Führungen. Die Kinder basteln aus Garnresten kleine Figuren, die Dorffrauen verkaufen Brot und Käse aus Achthaus, und aus Unterstrand kommen Musiker mit Drehorgel und Geige. Wenn am Abend die letzten Sonnenstrahlen auf die Fenster der Weberei fallen, klingt das Dorf wie ein einziger Resonanzraum aus Arbeit und Fest.

Faultierwald besitzt darüber hinaus ein starkes Handwerksbewusstsein. Viele Bewohner pflegen kleine Nebengewerbe: Korbflechter, Schneider, Schmiede, Seiler. Im südlichen Teil des Dorfes betreibt Familie Noren eine kleine Werkstatt für Leinölpressung. Der Geruch von gepresstem Samen mischt sich dort mit dem Duft von Holz und Dampf aus der Weberei.

Auch landschaftlich hat Faultierwald seine Besonderheiten. Der kleine Bach, der durch das Wäldchen fließt, heißt Faultierbach. Er entspringt nahe der Straße nach Dreihaus, speist sich aus mehreren Quellen und mündet östlich von Achthaus in die Weidenitz. Am Bachufer stehen alte Eichen, ihre Wurzeln greifen ins Wasser. Spaziergänger folgen dem Trampelpfad entlang des Ufers, bis er bei der alten Brücke endet. Von dort sieht man das Dorf in voller Länge: die Ziegeldächer, den Schornstein der Weberei, die langen Schatten über den Feldern.

Das Klima in der Seeland-Ebene ist mild, aber feucht. Nebel zieht im Herbst über die Felder, und im Winter riecht die Luft nach Leinen und Kohle. Die Geräusche des Dorfes sind leise und regelmäßig: das Klacken der Webmaschinen, das Rufen der Krähen, das ferne Läuten der Bahn. Abends leuchten die Lampen der Werkhalle wie goldene Streifen durch die Dämmerung.

Bahn: SeeLB86 stündlich 6:45 – 21:45 nach Seestadt, 6:36 – 21:36 nach Western
Straße: SEE16 (W: Dreihaus 7km, O: Unterstrand 14km), SEE7 (N: Achthaus 10km, S: Ulmdorf 3km)