(Pop.: 236 – 118m NN)

Ulmdorf liegt in der westlichen Seeland-Ebene, am sanften Anstieg zwischen den Mooren von Polis und den Feldern von Papierstedt. Der Ort zählt nur 236 Einwohner, doch seine Lage an einem Seitenarm der alten Heerstraße und seine enge Verbindung zu Handwerk, Flachs und Torf machen ihn zu einem eigenständigen, unverwechselbaren Dorf. Wer aus Richtung Faultierwald kommt, bemerkt Ulmdorf kaum, bis die Straße SEE7 nach Süden hin die Autobahn A4 unterquert und sich mit der Landstraße SEE18 kreuzt. Hinter einer Gruppe von Ulmen öffnet sich der Dorfplatz mit dem steinernen Brunnen und den niedrigen Häusern aus Ziegel und Lehm.

Ulmdorf ist ein kurzes Straßendorf – nicht länger als sechshundert Meter – mit einer einzigen, leicht gebogenen Hauptstraße, dem Ulmdweg, an dessen Ende ein alter Wegweiser in Richtung Polis zeigt. Die Häuser stehen locker beieinander, mit kleinen Gärten, Brunnenrinnen und Holzschuppen. Am Abend riecht es nach Rauch und Torf, im Sommer nach Flachs, den die Höfe der Umgebung anbauen.

Das Dorf liegt auf einer leichten Geländestufe von 118 Metern über dem Meeresspiegel. Die westlichen Flächen sind moorig und werden durch Gräben entwässert, die über Faultierwald und Achthaus in die Weidenitz ablaufen. Diese feuchten Böden lieferten über Jahrhunderte den Torf, der bis heute in Ulmdorf gestochen wird – nicht in industriellem Maßstab, sondern in Handarbeit. Der Torf wird getrocknet, gestapelt und teilweise verkauft, vor allem aber in den Dörfern der Umgebung verwendet. Noch heute wird die Kirche St. Gertrud am Teich in Unterstrand mit Torfziegeln aus den Mooren bei Ulmdorf beheizt. Wenn im Winter in Unterstrand der Gottesdienst stattfindet, riecht die Luft im Turmraum nach Torf, Harz und etwas nach Erde – ein Duft, den jeder Seeländer sofort erkennt.

Am Ortsrand von Ulmdorf liegt der Torfplatz, ein leicht abgesenkter Bereich mit mehreren alten Gruben. Hier lagert die Familie Broder ihre Vorräte; ihr kleiner Hof beliefert seit Generationen St. Gertrud und einige Gasthäuser. Die Gruben selbst sind im Frühjahr wassergefüllt, im Sommer trocken und mit Gras bewachsen. Zwischen den Schichten liegt der feuchte, dunkle Torf, der mit Spaten in rechteckige Stücke gestochen wird. Einfache Gestelle aus Fichtenholz dienen als Trockenrahmen.

Im Dorfzentrum steht der Hof Klüter, ein langgestrecktes Gebäude mit Ziegeldach und Scheune. Hier wird Flachs angebaut, gebrochen und teilweise in Bündeln nach Faultierwald geliefert. Die Agrarverbund Seeland-Ebene Unterstrand eG arbeitet eng mit diesem und zwei weiteren Ulmdorfer Höfen zusammen. In einem Rotationsschema werden Rüben, Roggen und Flachs abwechselnd angebaut, um die Böden zu erhalten. Im Sommer färben die Flachsfelder um Ulmdorf die Landschaft hellblau, und in der Erntezeit riecht die Luft nach Heu und Öl.

Die wichtigste Institution des Ortes ist jedoch nicht der Hof, sondern die kleine Brauerei „Ulmer Bräu“, die in einem früheren Speicher untergebracht ist. Hier wird das Flachsbier gebraut – eine lokale Spezialität, deren Rezept überliefert, aber kaum dokumentiert ist. Das Bier hat eine helle, leicht trübe Farbe und einen öligen Schimmer, der vom Zusatz gerösteter Flachssamen stammt. Es schmeckt nussig, leicht bitter und wird in Steinkrügen ausgeschenkt. Im Sommer kommen Besucher aus Unterstrand oder Papierstedt eigens hierher, um ein Glas zu trinken. Die Brauerei liefert außerdem kleine Mengen an das Gasthaus „Zum Schanzpfahl“ in Unterstrand, wo das Flachsbier regelmäßig im Ausschank ist.

Am Ulmweg 7 steht die Werkstatt von Jannik Raufeisen, einem Töpfer, dessen Werk über die Kreisgrenzen hinaus bekannt ist. Der schräg stehende Schornstein seines holzgefeuerten Brennofens ist das auffälligste Bauwerk im Dorf. Der Ofen selbst besteht aus alten Klinkern, die teils aus den Abbruchresten des Faultierwalder Brennofens stammen. Raufeisen fertigt einfache, aber präzise Stücke – Schalen, Krüge, Becher –, deren Glasuren aus Asche und Ton bestehen. Besucher können die Werkstatt nach Anmeldung besichtigen, und oft steht die Tür offen, wenn der Ofen in Betrieb ist. Das gleichmäßige Knacken des Holzes und das matte Glühen des Ofens geben dem Hof in der Abenddämmerung ein warmes, ruhiges Bild.

Die Produkte des Töpfers finden sich in vielen Haushalten der Region. Besonders die Flachsbierkrüge mit rauer Oberfläche sind typisch für Ulmdorf: Sie werden auf Wochenmärkten in Unterstrand verkauft und gelten als praktische Gebrauchsware, nicht als Zierde. Jede Familie besitzt mindestens einen solchen Krug.

Die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Ulmdorf, Achthaus und Faultierwald sind eng. Das Leinenwerk „Faultierwald Faden & Band“ verarbeitet Flachs aus der Region, hauptsächlich aus diesen drei Dörfern. Viele der Arbeiter stammen aus Ulmdorf und fahren täglich die 3 Kilometer nach Norden. Einige Höfe beliefern das Werk direkt mit aufbereitetem Flachs, andere nur mit Rohmaterial. Der tägliche Rhythmus des Dorfes folgt so dem Takt der Weberei: Morgens ziehen die Fahrräder Richtung Faultierwald, abends kehren die Leute zurück, und am Wochenende hört man das Summen der Webmaschinen nur noch fern im Wind.

Ulmdorf besitzt keine eigene Kirche, aber eine kleine Kapelle am Südrand, St. Ulm, errichtet 1887 aus Ziegeln und Feldsteinen. Sie diente ursprünglich als Betraum für die Feldarbeiter und Torfstecher. Heute wird sie nur noch zu besonderen Anlässen geöffnet: zur Segnung der Ernte im Oktober und zur Feier des Lichts am ersten Advent. Neben der Kapelle steht ein alter Ulmenbaum, dessen Stamm sich teilt und dessen Zweige weit über das Dach reichen – das Wahrzeichen des Dorfes.

Das Dorfleben ist ruhig, aber gemeinschaftlich. Einmal im Jahr, Anfang Mai, findet das Torf- und Flachsfest statt. Dann werden die alten Gruben geschmückt, der Brennofen geöffnet, und auf dem Platz vor der Brauerei werden Flachsbrote und Krüge verkauft. Am Abend spielt eine kleine Kapelle aus Unterstrand, und die Leute tanzen zwischen den Trockenrahmen. Das Feuer des Ofens leuchtet weit über die Felder, und man riecht Torf, Bier und Rauch – ein Geruch, der ganz Ulmdorf zusammenfasst. Die Architektur ist einfach, aber harmonisch. Die meisten Häuser sind eingeschossig, mit Ziegeldächern und kleinen Gauben. Der Dorfplatz trägt ein Holzschild mit der Aufschrift „Ulmdorf – 118 m NN“. Auf der Rückseite hat jemand mit Bleistift notiert: „Hier riecht man Arbeit.“ Der Satz trifft die Atmosphäre: Alles ist mit dem Boden verbunden, mit den Händen, mit der Zeit.

Ein Spaziergang durch Ulmdorf führt vorbei an Gärten mit Gemüse, an Wäscheleinen, an Höfen mit alten Pflügen. Hühner laufen über die Straße, und aus den Werkstätten dringen Geräusche – Klopfen, Mahlen, Spinnen. Am westlichen Dorfrand öffnet sich der Blick über die Moorflächen, wo der Wind das Schilf bewegt. In der Ferne sieht man den Schornstein von Faultierwald, dessen Rauch sich mit dem Dunst der Abendluft mischt.

Ch.: SEE18 (W: Polis 6km, O: Papierstedt 6,5km), SEE7 (N: Faultierwald 3km, S: Zajin 8km)