Die Maria-Magdalena-Kirche in Zajin, am Ufer des Zajinbachs gelegen, ist das geistliche und zugleich symbolische Zentrum des Dorfes. Sie steht am Zajinbogen 5, in der leichten Krümmung zwischen den beiden Brücken, die den Marktplatz einfassen. Mit ihrem zurückhaltenden Ziegelbau, dem flachen Turmhelm und der weiten Fensterordnung spiegelt sie die Bescheidenheit und Beständigkeit wider, die für die seeländische Bauweise typisch ist. Erbaut wurde sie im Jahr 1568, an der Stelle einer älteren Holzkirche, die während der Unruhen der Teichkriege zerstört worden war.
Der Neubau folgte dem Vorbild anderer Dorfkirchen der Region – rechteckiger Saalbau, Westturm, schiefergedecktes Dach –, doch ihre Nähe zum Fluss verlieh ihr eine besondere Atmosphäre. Das Wasserlauf und Kirchgeläut verschmolzen früh zu einem Klang, der das Leben in Zajin bis heute begleitet. Wenn der Zajinbach im Frühjahr anschwillt und an den Steinen rauscht, scheint das Läuten der Glocke im Rhythmus des Wassers zu schlagen.
Das Baumaterial stammt aus den umliegenden Dörfern: Ziegel aus dem Brennofen bei Faultierwald, Sandstein aus den Brüchen von Haugwitz, Kalk aus den Muschelschichten des Zajinufers. Die Wände zeigen noch heute die unregelmäßige Handarbeit der Maurer – Ziegel unterschiedlicher Brennung, leicht verschobene Fugen, hier und da ein eingefügter Stein aus hellerem Ton. Die Kirche wirkt dadurch nicht monumental, sondern gewachsen.

Der Innenraum ist ein Saal von 24 Metern Länge, schlicht, aber von bemerkenswerter Geschlossenheit. Das Licht fällt durch hohe Rundbogenfenster, die in unregelmäßigen Abständen angeordnet sind, weil der Verlauf des Ufers keine Symmetrie zuließ. Der Boden besteht aus grauen Kalkplatten, von Schuhen und Jahren glatt poliert. Die Bankreihen sind aus hellem Eichenholz und tragen eingelassene Messingnummern – ein Relikt der Fischerzünfte, die ihre Sitzordnung nach Bootseigentum und Fangrechten bestimmten. In der ersten Reihe links saßen traditionell die „Großnetzführer“, dahinter die Bootsleute, weiter hinten Lehrlinge und Witwen.
Über dem Kirchenschiff spannt sich die berühmte Deckenmalerei, entstanden vermutlich um 1742, ausgeführt von einem wandernden Maler namens K. Lorenzen, dessen Initialen in der Nordostecke noch sichtbar sind. Das Gemälde zeigt keine Heiligen, sondern Szenen aus dem Arbeitsalltag der Fischer: Männer im Boot, die Netze einholen, Frauen am Ufer, die Fische sortieren, Kinder mit Laternen beim Abladen. Zwischen den Figuren ziehen sich Netze, die das gesamte Deckengewölbe überziehen, und in den Maschen schwimmen stilisierte Fische, silbergrau und goldfarben, jeder unterschiedlich gezeichnet. Im Licht der Kerzen scheint das Wasser über die Decke zu fließen – ein Effekt, der Besucher immer wieder überrascht.
Die Empore trägt eine bemalte Front mit sechs Tafeln, die den Zyklus des Netzens zeigen: Auswerfen, Ziehen, Lösen, Sortieren, Salzen, Segnen. Diese Bilder wurden 1771 ergänzt und gelten als seltenes Zeugnis handwerklicher Symbolik im seeländischen Kirchenraum. Unter der Empore hängen Holztafeln mit den Namen verunglückter Fischer. Jede Tafel trägt ein Bootsnamen, Jahr und Ort des Unglücks, meist knapp vermerkt: „Sturmkante 1824“, „Lichtboje 1857“, „Kohlamünde 1899“. Einige Besucher legen kleine Flusskiesel darunter, andere Knoten aus Schnur – eine stille Tradition des Erinnerns.

Der Altarbereich ist schlicht. Auf der Mensa liegt ein Tuch aus grauer Schafwolle, handgewebt in der Auenwolle Schittingen eG, mit einem eingewebten Fischsymbol. Die Kanzel besteht aus Eichenholz, geschnitzt um 1705, mit Ornamenten aus Fischschuppenmustern. Eine Besonderheit ist der Taufstein: ein Findling aus dem Zajinbett, glatt gewaschen, mit einem ausgehöhlten Becken, das im Sommer mit Flusswasser gefüllt wird.

Die Orgel auf der Westempore stammt aus dem Jahr 1869, gefertigt von der Werkstatt Friedrich Kolmar (Seestadt). Sie besitzt zwölf Register und wird regelmäßig gespielt, insbesondere bei den sogenannten Teichkonzerten – einer musikalischen Reihe, die Maria Magdalena in Zajin mit der Kirche St. Gertrud am Teich in Unterstrand und der Rosenkranzkirche in Rosengarten verbindet. Diese Konzerte finden an Samstagen statt, reihum, und ziehen Besucher aus dem ganzen Seeland an.
Im Sommer öffnen sich während der „Abende am Wasser“ die Türen der Kirche. Der Wind trägt den Klang der Orgel nach draußen, über den Fluss, wo sich Stimmen und das Schlagen der Bootsruder mischen. An diesen Abenden sind die Bänke voll, und die letzten Zuhörer stehen im Gras am Ufer. Kinder lassen Papierboote mit Kerzen auf das Wasser treiben, und für einen Moment verschmelzen Musik, Wasser und Licht zu einem einzigen Bild – so, wie es nur hier, in Zajin, denkbar ist.
Die Maria-Magdalena-Kirche ist aber nicht nur Ort des Glaubens, sondern auch Gedächtnis der Gemeinschaft. Im Archivraum über der Sakristei liegen alte Gildenbücher, Listen über Bootseigner, Fangrechte, Spenden und Hochwasserstände. Das älteste Buch beginnt 1683 mit den Worten: „Zajin und die Seinen, im Wasser und aus dem Wasser“. Diese einfache Formulierung gilt vielen als Leitsatz der Gemeinde.
Vor der Kirche, an der Ufermauer, steht eine gusseiserne Laterne aus dem 19. Jahrhundert. Sie wird nicht elektrisch, sondern mit Öl betrieben, und entzündet am Abend des 21. Dezember – dem Tag der längsten Nacht – das Licht, das über den Fluss scheint. Dieses Ritual nennt man das „Magdalenenlicht“. Früher, so heißt es, diente es den Fischern auf dem Rückweg vom See als Orientierung. Heute entzündet es der Küster, begleitet von einem kurzen Glockenschlag.
Im Kirchgarten wächst eine Linde, deren Wurzeln bis in die alten Flussschichten reichen. Unter ihr steht eine steinerne Bank mit der Inschrift: „Wo Wasser klingt, ist Erinnerung.“ Sie wurde 1952 vom Zajiner Fischerverein gestiftet. Hier sitzen an Sommertagen Alte und Junge, Touristen und Dorfbewohner. Man hört das Wasser, sieht die Schiffe unter der Brücke hindurchgleiten und blickt zur Kirche, deren Dachkante sich im Fluss spiegelt.
Die Maria-Magdalena-Kirche von Zajin ist kein großes Bauwerk – sie misst kaum 30 Meter in der Länge –, doch sie verkörpert die Geschichte des Seelandes wie kaum ein anderer Ort: den Zusammenhang zwischen Wasser, Arbeit und Glauben. Sie ist Arbeitskirche, Gedenkort, Konzertsaal und Zufluchtsraum zugleich.
Besucher bemerken oft die Stille, die im Kirchenschiff herrscht, selbst bei geöffneten Türen. Diese Stille ist nicht Leere, sondern eine Form von Konzentration – wie das gespannte Netz über dem Wasser, das auf den Moment wartet, in dem sich etwas darin bewegt.
Am Ausgang hängt ein schlichtes Brett mit den Namen derer, die das Bauwerk instand halten: Maurer, Tischler, Organisten, Gärtner. Ihre Arbeit geschieht unspektakulär, aber dauerhaft – so wie alles in Zajin. Und vielleicht ist das das Geheimnis dieser Kirche: dass sie sich nicht abhebt, sondern hineinfällt in das Leben, das um sie fließt.