(Pop.: 453 – 115m NN)

Rosengarten liegt vier Kilometer südlich von Seestadt, tief im Seelandwald, in einer Lichtung, die sich kreisrund öffnet – ein Ort, der sich aus dem Wald heraus selbst zu formen scheint. Von oben betrachtet liegt das Dorf wie ein grüner Kranz, von dem in regelmäßigen Abständen Wege ausgehen, die sich nach Osten zum Großen Teich, nach Westen nach Papierstedt und nach Norden zur Autobahn A4 hin öffnen. Dieser Aufbau ist kein Zufall: Rosengarten entstand im 17. Jahrhundert als planmäßige Waldsiedlung für Gärtner und Holzhandwerker, die von Seestadt hierherzogen, um Pflanzkulturen und Veredelungen unter den milden Bedingungen des Waldes zu erproben.

Die Häuser stehen in einem lockeren Kreis um den zentralen Wiesenanger, von dem aus sich vier schmale Wege sternförmig nach außen ziehen. Zwischen den Höfen, hinter den Zäunen und Hecken, wachsen überall Rosenstöcke, die das Dorf zu seinem Namen brachten. Doch Rosengarten war nie nur Ziergarten: Die Rosen dienen hier als Unterlagen für Veredelungen, die in der kleinen Baumschule des Ortes gezogen werden. Von hier stammen seit Jahrhunderten robuste Grundstämme, auf die in Seestadt und im Umland edle Sorten aufgepfropft werden – eine stille, unspektakuläre, aber entscheidende Arbeit, die bis heute betrieben wird.

Die Böden um Rosengarten sind humusreich, leicht sandig und nehmen Regenwasser gut auf. Das milde Waldklima schützt die Pflanzen vor Frost und Wind. Die Umgebung ist von einem Mischwald aus Buchen, Hainbuchen, Kiefern und Erlen geprägt; zwischen den Bäumen öffnen sich Schneisen mit kleinen Teichen, die das Dorf mit dem Wassersystem des Seelandwaldes verbinden. Diese Nähe zum Wasser und die gleichmäßige Feuchte sind der Grund, warum hier besonders kräftige Unterlagen für Obst und Rosen wachsen.

Rosengarten hat 453 Einwohner. Die meisten leben in Einfamilienhäusern oder in alten, langgestreckten Waldhöfen mit Stall und Werkstatt unter einem Dach. Der bekannteste ist der Hof Melenius, Wiesenweg 5, der seit über 200 Jahren Rosen veredelt. Hier, im niedrigen Glasgewächshaus hinter dem Wohnhaus, werden im Frühjahr die Triebe geschnitten und mit Bast an die Wurzelstöcke gebunden. Der Duft von Erde, Harz und Blättern liegt über dem Hof. Die jungen Pflanzen werden nach Seestadt und Unterstrand geliefert, manche auch bis nach Nassfeld oder ins Teichgebiet von Südteich. Gleich gegenüber liegt der Hof Kalluhn (Wiesenweg 8), dessen Besitzerin Gerlinde Kalluhn sich auf Heilpflanzen spezialisiert hat. Sie betreibt eine kleine Destille, in der aus Rosenblättern Öl gewonnen wird, das in Apotheken und Klöstern der Umgebung als Grundlage für Salben verkauft wird. Im Sommer riecht der ganze Anger nach Rosenöl und frischem Heu – ein Geruch, den man sonst nur in Klostergärten findet. Neben der Baumschule existieren mehrere Holzhandwerksbetriebe, die eng mit der Forstwirtschaft verbunden sind. Besonders bekannt ist die Werkstatt von Hanno Trelm (Am Anger 6), der hölzerne Werkzeugstiele, Gartenrahmen und kleine Bildrahmen aus Hainbuchenholz fertigt – ein Material, das auch für das berühmte Prozessionskreuz der Kirche verwendet wurde.

Das geistliche und kulturelle Zentrum Rosengartens ist die Rosenkranzkirche, ein schlichter Holzbau mit Schindeldach am Wiesenweg 2. Sie wurde 1708 errichtet, als der Ort wuchs und die Bewohner eine eigene Kapelle benötigten. Statt eines Turms besitzt sie einen freistehenden Glockenstuhl aus Eiche, dessen Glocke aus Metallresten gegossen wurde, die man einst auf dem alten Holzlagerplatz fand. Im Inneren riecht die Kirche nach Harz, Holz und Wachs. Das Licht fällt durch kleine Butzenscheiben auf das Gestühl, das von Dorfbewohnern selbst gebaut wurde. Am Altar steht das berühmte Prozessionskreuz aus Hainbuche, dessen Maserung kleine helle Punkte zeigt – ein Muster, das im Sonnenlicht fast wie schimmernde Tautropfen wirkt. Dieses Kreuz wird im Sommer bei der Rosenprozession durch das Dorf getragen. Kinder legen dabei Hagebuttenketten um den Querbalken, und Frauen tragen Körbe mit Rosenblättern, die am Ende des Weges über dem Anger verstreut werden. Dieser Brauch gab der Kirche ihren Namen: Rosenkranzkirche – nicht nach dem Gebet, sondern nach dem Kranz aus Früchten und Blättern, der sie jedes Jahr schmückt. Die Kirche ist Teil der bekannten „Teichkonzerte“, einer musikalischen Reihe, die drei Gotteshäuser des südlichen Seelandes miteinander verbindet: St. Gertrud am Teich in Unterstrand, Maria Magdalena in Zajin und eben die Rosenkranzkirche in Rosengarten. Jeden Samstag erklingt in einer der drei Kirchen Musik – von Orgel bis Streicherquartett. Wenn Rosengarten an der Reihe ist, öffnet man die Holztüren weit, und die Klänge wehen hinaus in den Wald. Die Besucher sitzen auf einfachen Bänken vor der Kirche, hören und sehen, wie sich das Licht zwischen den Blättern verändert. Abends, wenn das Konzert endet, wird der Glockenstuhl beleuchtet, und der Ton der Glocke klingt lange nach – fast wie ein Echo des Waldes selbst.

Das Leben in Rosengarten ist eng mit dem Rhythmus des Waldes verbunden. Viele Bewohner arbeiten halbtags in Seestadt, betreiben aber daheim Nebenerwerbshöfe, Gärtnereien oder kleine Werkstätten. Die Straßen sind schmal, mit Rasenstreifen in der Mitte, auf denen Moose wachsen. Abends riecht es nach Holzfeuer, und wenn es regnet, steigt ein Dampf von den Wegen auf, der das ganze Dorf in einen graugrünen Schleier taucht. An der westlichen Ortskante steht die Alte Försterei, heute ein Gästehaus mit sechs Zimmern. Wanderer aus Seestadt nutzen sie als Ausgangspunkt für Touren in den Seelandwald oder zum Großen Teich. Von hier aus führt ein schmaler Weg zur Ragelblitzer Schneise, einem alten Waldweg, der nach Süden verläuft und bei klarem Wetter einen Blick bis zum Grenzsee bietet. Im Ortskern befindet sich die Gaststube „Zur Hagebutte“ (Am Anger 3), geführt von der Familie Nemitz. Dort werden einfache Gerichte aus regionalen Zutaten serviert: Roggensuppe mit Rosenhonig, Flachsbrot mit Schafskäse aus Schittingen und im Sommer Rosenlimonade, die nach Zitrone und Blüte schmeckt. Auf den Tischen liegen Leinentücher aus Faultierwald, in die die Wirtsleute kleine Rosenmotive eingewebt haben.

Neben der Baumschule ist Rosengarten bekannt für die Veredelung von Wildrosen, die als robuste Unterlagen in der regionalen Obst- und Zierpflanzenkultur verwendet werden. Die Baumschule Rosengarten eG, gegründet 1936, beschäftigt acht feste Gärtner und einige Saisonarbeiter. Sie liefert jährlich mehrere Tausend Pflanzen, darunter Unterlagen für Apfel, Pflaume und Hagebutte. Die Setzlinge werden in Holzkisten nach Seestadt transportiert, wo sie in den großen Gärtnereien veredelt werden. Im Süden des Dorfes liegt eine kleine Werkstatt für Rosenholzartikel, betrieben von den Brüdern Leon und Marten Veit. Sie fertigen Schalen, Löffel und Bilderrahmen aus den Resten abgestorbener Rosenstöcke – ein Holz, das wegen seiner Härte und seines Duftes geschätzt ist. Ihre Stücke werden auf Märkten in Unterstrand und Seestadt verkauft, jedes mit einem eingebrannten Rosensignet. Auch die Verbindung zur Auenwolle Schittingen eG besteht: Im Herbst, wenn die Schafherden durch den Seelandwald ziehen, übernachten sie manchmal auf den Wiesen bei Rosengarten. Der Mist dieser Herden dient als Dünger für die Rosenkulturen. So schließt sich der Kreislauf zwischen Wolle, Mist, Pflanzen und Handwerk.

Neben der Rosenprozession im Juli ist das wichtigste Fest der Rosenmarkt, der am ersten Septemberwochenende stattfindet. Der Anger verwandelt sich in einen Kreis aus Ständen: Pflanzen, Salben, Tücher, Holzarbeiten. Am Abend erklingt Musik – häufig ein Quartett aus Seestadt, das im Rahmen der Teichkonzerte ein Zusatzkonzert gibt. Die Glocke läutet zum Abschluss, und über dem Anger werden Rosenblätter verstreut. Ein weiterer Brauch ist der Waldgang im März, bei dem die Dorfbewohner die Wege und Stege instand setzen. Kinder tragen dabei kleine Holzkreuze mit eingekerbten Rosensymbolen, die nach der Arbeit in den Boden gesteckt werden. Sie sollen den Wald segnen – ein Ritual, das vermutlich aus der Zeit stammt, als Rosengarten noch zur Forstverwaltung Seestadt gehörte.

Rosengarten ist geprägt von Holzbauten: Fachwerk, Schindeldächer, niedrige Fenster, häufig mit geschnitzten Rahmen. Die meisten Häuser stehen auf Steinsockeln, um sie vor der Feuchtigkeit des Waldes zu schützen. Auf den Dächern wachsen Moose, und in den Gärten ranken Rosen bis zu den Dachrinnen. Im Zentrum steht der Gemeindebrunnen, aus dem das Wasser über eine hölzerne Rinne läuft. Er stammt aus dem Jahr 1842 und wird noch heute von Hand gepumpt. Die Brunnenhaube trägt ein Relief mit Rosenblättern und einem kleinen Kreuz – Symbol für die Einheit von Glauben, Handwerk und Natur, die den Ort prägt. Abends, wenn die Sonne durch die Baumkronen fällt, leuchten die Dächer kupferrot, und aus der Kirche dringt das tiefe Läuten der Glocke. Dann riecht die Luft nach Harz, Erde und Blütenstaub – der typische Duft von Rosengarten.

Ch.: A4 (W: Polis, O: Seestadt); B512 (NW: Unterstrand 6km, SO: Südteich 7,5km); SEE18 (W: Papierstedt 12km); SEE23 (S: Ragelblitz 3km); Waldwege nach Seestadt